Brinvilliers, Maria Margarethe von

Brinvilliers, Maria Margarethe von

Brinvilliers, Maria Margarethe von, Tochter des Civil-Lieutenants Dreux d'Aubrai, vermählte sich 1651 mit dem Marquis von Brinvilliers, dem Sohne einer angesehenen Familie. Sie hat ihren Namen auf eine schaudereregende Weise in der Frauenwelt berühmt gemacht, aber ihr Leben gibt einen weiteren Beitrag zur Geschichte des menschlichen Herzens, der Irrwege und Lockungen, denen es zu erliegen im Stande ist. Zwar ist es erhebender und wohlthuender, die Tugenden und Talente eines ausgezeichneten Weibes, als die Laster und Verbrechen zu schildern, deren eine Brinvilliers fähig war, aber auch das Böse, wenn es dem Menschen mit so grellen Farben vor das Auge tritt, kann als abschreckendes Beispiel Gutes wirken, und darf nicht fehlen in der Darstellung der Begebenheiten aller Zeiten. Die Marquise von Brinvilliers lebte mit ihrem Gemahle zu Paris, im Hause ihres Vaters in den glücklichsten Vermögensumständen. Sie war klein, von hübschem Aeußern und voll Anmuth; selbst ihr Betragen war bescheiden, zurückhaltend und einnehmend Ihr Gatte war die erste unschuldige Ursache ihres spätern Schicksals, indem er einen jungen Offizier, Namens Godie von Sainte Croix aus Montauban gebürtig, bei seiner Frau einführte, und ihm im eignen Hause eine Wohnung einräumte. Sainte Croix war ausgezeichnet schön, die Brinvilliers eine junge, gefühlvolle und liebenswürdige Frau. Trotz der Vorstellungen, welche sie dem Marquis, seien sie nun verstellt oder wahr gewesen, über das Unpassende dieses vertrauten Umganges machte, änderte er nichts in seinem Plane; vielleicht hielt er sich gerade jetzt für desto sicherer, und traute dem strengen Pflichtgefühle seiner Frau nur um so mehr. Voltaire sagt: was kommen mußte, geschah; sie liebten sich. Der Vater, in seinem Innersten durch das unwürdige Betragen der Tochter gekränkt, wirkte einen Verhaftungsbefehl wider Sainte Croix aus, der das verbrecherische Paar trennen sollte; letzterer wurde in die Gefängnisse der Bastille gebracht. Während dieser Zeit hatte der Marquis von Brinvilliers einen großen Theil seines Vermögens, in unnützer Verschwendung vergeudet; dieses benutzte seine Frau und trug auf das Anrathen ihres Geliebten auf Scheidung der Güter an, welchem Wunsche entsprochen wurde. Nach einem Jahre wurde Sainte Croix seiner Hast entlassen: besser wäre es jedoch gewesen, er hätte entweder nie die Bastille betreten, oder nie wieder verlassen, da er dort in dasselbe Zimmer gesperrt worden war, welches der berüchtigte Italiener Exili bewohnte; dieser betrieb die Bereitung und den Verkauf des Giftes fabrikmäßig. Es war ihm gelungen, jenes seine Gift zu bereiten, das ohne Geruch, ohne Geschmack, entweder auf der Stelle oder langsam tödtend, durchaus keine Spur im menschlichen Körper zurückläßt, und alle Kunst, alle Wissenschaft der Aerzte täuscht. Mehr als 150 Menschen waren, während der Regierung Innocenz's X. die Opfer dieser teuflischen Kunst geworden. Exili weihte Sainte Croix in sein höllisches Geheimniß ein, der leidenschaftlich, ohne Charakter, Frömmigkeit heuchelnd, eifersüchtig, rachsüchtig, wie er war, nichts sehnlicher wünschte, als die Mittel in Händen zu haben, seine Feinde zu vernichten. Die Brinvilliers war ein entartetes Weib, durch Sainte Croix wurde sie zum Ungeheuer, und er fand in ihr eine nur allzu gelehrige Schülerin. Er vermochte sie während des kurzen Zeitraums von 1666 bis 1670, nach und nach, erst ihren eigenen Vater, dann ihre beiden Brüder und endlich ihre Schwester zu vergiften; den Vater aus Rache, die andern der reichen Erbschaft wegen. Nachdem sie die mächtige Stimme der Natur auf solche empörende Weise erstickt hatte, ertödtete sie auch jedes Gefühl von Menschlichkeit. Das plötzliche Hinsterben mehrerer Armen im Hôtel Dieu erregte später den Verdacht, daß die Brode, welche die Brinvilliers dort wöchentlich austheilte, um als Muster der Frömmigkeit und des Wohlthuns zu erscheinen, vergiftet wären. Gewiß ist es aber, daß sie Taubenpasteten vergiftete, und sie ihren Gästen vorsetzte; mehrere angesehene Personen fielen als Opfer dieser höllischen Mahlzeiten. Selbst das Leben ihres Gemahles schonte sie nicht; sie wollte sich von ihm losmachen, um sich mit Sainte Croir zu vermählen, allein sie verfehlte ihr Ziel, weil dieser, der die Marquise zu gut kannte, um eine engere Verbindung mit ihr zu wünschen, dem Marquis wieder Gegengift gab, der dadurch beständig zwischen Tod und Leben schwankte. Aber nicht allein um ihres persönlichen Vortheils willen beging die Brinvilliers solche Schauder erregende Verbrechen; wenn man das Wort Wohlwollen im Gefolge von Abscheulichkeiten nennen dürfte, so könnte man in folgender Thatsache eine Spur dieses Gefühles erkennen. In einem Kloster bemerkte sie einst eine junge Novize, welche in die tiefste Schwermuth versenkt zu sein schien; auf ihre Frage erfuhr sie, daß jene von ihren Eltern zum Klosterleben gezwungen worden sei, damit das ziemlich beträchtliche Vermögen ungetheilt an ihren einzigen Bruder falle. Frau von Brinvilliers suchte die arme Nonne zu trösten, und versprach ihr, sich bei ihren Eltern für sie verwenden zu wollen: sie hatte freilich die untrüglichsten Mittel für das Gelingen ihres Planes in Händen. Einige Zeit darauf wurde die Novize durch die Nachricht des plötzlichen Hinsterbens von Vater, Mutter und Bruder überrascht; sie trat wieder in die Welt, ohne je zu ahnen, welchem Verbrechen und wem sie ihre Freiheit verdanke. Zugleich deckte eine scheinbare Frömmigkeit die Laster dieser Frau, und unbegreiflich ist es, daß diese äußere Gottesfurcht nicht nur Heuchelei war: sie ging zur Beichte, und ein allgemeines Bekenntniß, von ihrer eignen Hand geschrieben, war es, das später am klarsten gegen sie zeugte. Die Brinvilliers und ihr Gehilfe wußten lange Zeit hindurch ihre gräßlichen Unthaten in undurchdringliche Schleier zu hüllen; doch welche verruchte List verworfner Menschen vermag zu bestehen, wenn die ewige Macht des Himmels beschlossen hat, schon hier auf Erden die Frevler zu richten! Die Gifte, welche Sainte Croix bereitete, waren so sein, daß, lag das Pulver (poudre de succession genannt) bei der Bereitung offen, ein einziger Athemzug hinreichte, sich augenblicklich den Tod zu geben; Sainte Croix trug deßhalb bei seinen Operationen eine Maske von seinem Glase. Diese fiel eines Tages, als er eben ein fertiges Giftpulver in eine Phiole schütten wollte, herab, und er sank, den seinen Staub des Giftes einathmend, augenblicklich todt nieder. Da er ohne Erben verstorben war, eilten die Gerichten herbei, um den Nachlaß unter Siegel zu nehmen. Da fand sich in einer Kiste verschlossen das ganze höllische Arsenal des Giftmordes, die Briefe der Frau von Brinvilliers, und das Versprechen von 30,000 Liv., welches sie Sainte Croix acht Tage mach der Vergiftung ihres Vaters gegeben hatte. Da es ihr nicht möglich war, diese wichtigen Gegenstände in ihre Hände zu bekommen, floh sie nach England und später nach Lüttich; ein Bedienter des Herrn von Aubray, der bei dessen Tode gegenwärtig gewesen war, widersetzte sich der Versiegelung von Sainte Croix's Nachlasse, indem er versicherte, er habe an den Verstorbenen eine Summe Geldes zu fordern; auf den Verdacht hin, den diese Forderung auf ihn warf, wurde er verhaftet, und der Elende gestand, daß er es gewesen sei, dem Sainte Croix das Gift für die beiden Brüder der Brinvilliers gegeben habe; er wurde 1673 lebendig gerädert. Daß die Marquise die Mitschuldige war, war nun mehr als erwiesen. Der Polizeibeamte Desgrais wurde beauftragt, sie in Lüttich zu verhaften Als Geistlicher verkleidet, erschien er in dem Kloster, wo sie sich verborgen hatte. Es gelang ihm, mit der Brinvilliers einen Liebeshandel anzuknüpfen, und sie zu einer heimlichen Zusammenkunft in einem einsamen Garten vor der Stadt zu verlocken. Kaum war sie dort angekommen, als sie sich von Desgrais's Häschern umringt sah, und sich der geistliche Liebhaber plötzlich in einen Beamten der Marechaussee verwandelte; er bemächtigte sich ihrer Person und ihrer Papiere; unter diesen befand sich ein Manuscript, welches die Geschichte ihres Lebens enthielt. Nach ihrer Ankunft in Paris läugnete die Brinvilliers Alles, und weigerte sich, jeden Antheil an oben benannter Kiste einzugestehen. Später, als ihr Todesurtheil bereits gesprochen war, übertrafen ihre Geständnisse alle Erwartungen; schon von früher Jugend an muß ihr Herz dem Bösen geweiht gewesen sein, da sie als Kind von sieben Jahren fähig war, ein Haus in Brand zu stecken. In den letzten Augenblicken ihres Lebens scheint sie die Schwere ihrer Verbrechen erkannt und innige Reue gefühlt zu haben; sie bat selbst um das Abendmahl, aber diese Bitte wurde ihr versagt, da die Kirche es Allen denen, die zum Tode verurtheilt waren, nach damaligem Gebrauch verweigerte. Auf dem Wege zum Blutgerüste bemerkte und erkannte die Brinvilliers mehrere Frauen von Stand, welche sie neugierig betrachteten, und sagte zu ihnen mit vieler Festigkeit: »Das ist ein sehenswerthes Schauspiel!« Der Maler Lebrun befand sich gleichfalls auf ihrem Wege und zeichnete ihre Züge, welche ein Gemisch von Anmuth, Härte und innerer Angst darbieten. Frau von Brinvilliers äußerte den Wunsch, der Scharfrichter möchte seinen Platz vor ihr nehmen, um ihr den Anblick des Polizeibeamten Desgrais, der vor ihrem Wagen herritt, zu verhüllen; auf die Antwort ihres Beichtvaters, sie solle dieß als eine Art Buße betrachten, sagte sie lebhaft: »Ach! Gott verzeihe mir, so lasse man mir denn diese sonderbare Aussicht.« Am 16. Juli 1676 wurde Marie Margarethe von Brinvilliers enthauptet und verbrannt, ihren Kopf zeigt man im Museum zu Versailles, die ausgezeichnete Regelmäßigkeit der Knochen scheint sehr für ihre Schönheit zu sprechen. Nach der Hinrichtung der Marquise dauerten die häufigen Vergiftungen noch eine Zeit lang fort, und man behauptete damals, daß sie mit mehrern Personen in geheimer und vertrauter Verbindung gestanden hätte, die später selbst öffentlich als Giftmischer angeklagt, und vor einen eigenen Gerichtshof, dem ausschließlich die Untersuchung und Bestrafung dieser heimlichen Verbrechen übertragen war, gefordert wurden.

E. v. E.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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