Krones, Therese

Krones, Therese

Krones, Therese, Therese. Es gab eine Zeit des Wiener Lokaltheaters in der Leopoldstadt, wo sich der gesammte östreichische Humor dort zu concentriren schien, eben so in den Leistungen der dramatischen Dichter, wie in jenen der darstellenden Künstler. War es der gewaltige Impuls eines Begabten, der die geringern Geister emporschüttelte und zur Nacheiferung zwang, war es das Zusammentreffen vieler Talente, deren Bestrebungen sich begegneten und wechselseitig unterstützten, war es eine Schöpfung, war es ein Zufall? Man weiß es nicht! In einen kurzen Zeitabschnitt drängte sich die poetische und theatralische Wirksamkeit so vieler Berufenen, daß man den Zustand als einen factischen, für so lange natürlich, nothwendig und folgerecht hielt, bis er einem andern, dem der Erschlaffung, Platz machte. Für diese Bühne dichteten in jener Zeit mit voller Kraft der Laune und Phantasie: Bäuerle, Meisl, A. Gleich, Raimund, Told, Schickh; Talente, wie: Raimund Ignaz Schuster, Korntheuer, die Mad. Raimund, Dem. Ennöckel, die Krones und viele andere belebten die humoristischen Schöpfungen dieser Dichter durch ihre Darstellungen. So ging die Productivität der Schriftsteller mit der Repräsentation der Schauspieler Hand in Hand. Es war die Blüthenzeit der östreichischen Komik unsers Jahrhunderts und sie blieb nicht lokal; vermöge ihres objektiven, heitern Elementes machte sie die Runde durch die unzähligen Theater Deutschlands. – In diese schöne Periode fällt nun auch die Wirksamkeit der hübschen, muthwilligen, koketten, frivolen, männlich-kecken und weiblich-liebenswürdigen Schauspielerin Krones. Ihre Darstellungen sind dem deutschen Auslande nur vom Hörensagen bekannt; sie gediehen nur auf dem Boden, wo sie Wurzel gefaßt, dort wurden sie verstanden und verschafften sich das Verständniß: die Krones war – trotz ihrer beschränkten Sphäre ein theatralisches Genie, wie es vielleicht nur in einem Jahrhundert geboren wird. – Die Krones, so nannten sie die Wiener, gab heitre Mädchen, überspannte Liebhaberinnen, Koketten, eifersüchtige Frauen, Köchinnen, Soubretten – Alles, Alles, selbst Tragisches, wenn es galt, durch einen kühnen Sprung dasselbe in das Bereich der Parodie, der Ironie hinabzuziehen. Sie war immer eine Andere, und immer Eins mit ihrer Rolle. Sie war, wie sich Jemand geistreich ausdrückte, ein »weiblicher Hanswurst;« sie erlaubte sich als Weib Alles, was sich nur der Mann in der Komik erlauben kann, ihr Spiel überschritt die Grenzen der Weiblichkeit, der zarten Decenz und – dennoch verletzte es nicht, dennoch fand man es schön, natürlich, hinreißend schön, naiv, zum Tollwerden! Sie geberdete sich wie ein toller Junge und blieb doch ein Mädchen, man ärgerte sich über ihre Frechheit in der Darstellung, über die weibliche Indiscretion und konnte der Darstellerin doch nicht zürnen. Von ihr konnten die Schauspielerinnen lernen, zu spielen, als wenn sie zu Hause, als wenn sie selbst in der geschilderten Situation wären. Für sie gab es kein Publikum, sie schuf ihre Rolle, sie legte die Fülle ihres Humors hinein, sie war in Geberden und Worten frei bis zur Frivolität; aber es blieb dieß Alles innerhalb des Bühnenraumes, der Situation; es erschien nothwendig, es mußte und durfte nur so und nicht anders sein! Sie war ein Ausbund der Liebenswürdigkeit, sie war ein ungezogenes Kind, aber ein schönes Kind, und man verzieh ihr die Ungezogenheit; denn sie paßte zum ganzen Charakter. Die Art ihrer Darstellungen konnte nur an einem Orte entzücken, wo sie geschaffen war, wo ihre Lebenselemente existirten; sie bildete sich selbst ihre Art aus dem Vorhandenen, und man fand diese Art ganz richtig. Sie versetzte die Zuschauer in einen Taumel, der sie hinriß und bezauberte. Sie war Herrin ihrer Rolle in dem Grade, daß sie ganze Scenen und Dialoge improvisirte, die Dichter lieferten, so zu sagen, für sie nur das Skelett des Charakters, sie füllte das Uebrige aus und verkörperte es, und jedes Mal anders, je nachdem ihre Laune sprühte. Man konnte sie in einer und derselben Rolle funfzig Mal sehen; sie hielt den Charakter treu, aber die Nüancen, der Dialog, die Zugaben waren immer andere und neue. – Therese Krones war so durch und durch Talent, daß sie gewiß auch auf jedem andern Standpunkte eine eben so bedeutende Erscheinung geworden wäre. Das Schicksal gab ihr diesen, sie sollte der »liebenswürdige weibliche Hanswurst Wiens« sein und sie löste ihre Aufgabe mit Glanz. – Von den Neueren kann gewiß nur die Pariserin Déjazet mit ihr verglichen werden; das Element beider ist gewiß dasselbe, nur Nationalität und Lokalität sind verschieden. Die Krones war in ihrer Art ein eben so großes Talent, wie die Malibran, die Devrient-Schröder, die Pasta, die Bethmann etc. – Die junge Schauspielerin Muzzarelli, jetzt am königst. Theater in Berlin, sucht sie nachzuahmen und schon diese Nachahmung, obgleich himmelweit vom Originale entfernt, gefällt und läßt ein norddeutsches, rigoristisches Publikum seines Ernstes vergessen. – Launenhaft, toll, excentrisch, dissolut, wie ihr Spiel war auch ihr Privatleben. Sie starb 1832 kaum 30 Jahre alt. – Von ihrem Tode an und Raimund's nachherigem Abgang datirt sich der Verfall des leopoldst. Theaters, als einer bis dahin einzigen Anstalt Deutschlands.

– n.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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