Juliane d'Acosta

Juliane d'Acosta

Juliane d'Acosta. Zur Zeit des höchsten Glanzes der Mongolenherrschaft in Ostindien erschien vor dem Throne des großen Herrschers Aurengzeyb eine hilfesuchende Portugiesin, die nach dem Untergange eines Schiffes, das sie nach Europa bringen sollte, von den Wellen an's Ufer seines Reiches geworfen worden war. Geb. 1658 in Bengalen, die Tochter eines portugiesischen Edelmanns, Don Diaz d'Acosta, war ihr nach dem Schiffbruche nichts geblieben, als einige Kleinigkeiten, die sie nach morgenländischem Gebrauche als Geschenk darbot. Allein der mongolische Kaiser fand die Unglückliche interessant und bereitete ihr an seinem Hofe eine so gute Aufnahme, daß sie bald keine Ursache mehr hatte, ihren Unfall zu beklagen. Ihr Betragen bestätigte die gute Meinung, welche Aurengzeyb von der Fremden gefaßt hatte. Er vertraute ihr die Erziehung seines zweiten Sohnes Béhadour Shah an und ernannte sie zugleich zur Oberaufseherin seines Harems. Juliane verwaltete ihre Aemter mit einer Klugheit, daß selbst der an orientalischen Höfen noch mehr als in Europa herrschende Neid ihr nichts anhaben konnte, weil sie, bescheiden im Glücke, gegen den Stolz der Großen gern zurück trat, Bestechungen fremd blieb und Hohen wie Niedern stets dienstwillig entgegen kam. Dennoch sollte sie eine harte Probe bestehen. Aurengzeyb, der, um sich auf den Thron zu schwingen, nach des Orients Sitte, Mörder seiner Brüder und Feind des alten Vaters gewesen war, faßte den Argwohn, sein zweiter Sohn (der älteste hatte sich bereits aus demselben Grunde flüchten müssen) trachte ihm nach dem Leben. Béhadour Shah wurde in's Gefängniß geworfen und des Nöthigsten beraubt, um dort einen langsamen Tod zu finden. Niemand wagte den unglücklichen Prinzen zu unterstützen, nur die edle Juliane unternahm es mit Gefahr ihres eigenen Lebens. Durch ihren Beistand erhielt sich der Gefangene 6 Jahre lang in einer Lage, die ihm außerdem binnen Kurzem das Leben geraubt haben würde, und als er nach dem 1707 erfolgten Tode seines Vaters den Thron bestieg, kannte seine gerechte Dankbarkeit gegen Juliane keine Grenzen. Ehe er inzwischen der Herrschaft versichert sein konnte, mußte er seine drei Brüder bekämpfen. Juliane wandte jetzt allen ihren Einfluß auf die Großen zu Gunsten ihres ehemaligen Zöglings an, stand ihm mit weisem Rathe bei und begleitete ihn selbst auf seinen Kriegszügen. Als es zur entscheidenden Schlacht kam, war sie es, welche die Truppen ermuthigte, und als diese zu weichen begannen, sie im Namen des Christen-Gottes begeisterte, zu einem neuen Angriffe anfeuerte und so die Veranlassung zum Siege ward. Julianens Schützling, der nun den Namen Aalem I. annahm, überschüttete sie mit Beweisen der Huld, und beklagte nur, daß sie kein Mann sei, um sie zum Vezier ernennen zu können. Juliane ward zur Khanah, d. i. Fürstin, erhoben, und erhielt den Rang der Gemahlin eines Umrà mit 1000 Rupien Pension und den wundervollen Palast des altern Bruders ihres Kaisers. Dazu fügte seine Erkenntlichkeit noch Geschenke an Werth von 300,000 Rupien und 4 Dörfer, die ihr ein jährliches Einkommen von 50,000 Rupien abwarfen. Um diese für uns fast mährchenhaft erscheinende Belohnung noch glänzender zu machen, ward ihr das Recht zugestanden, jedes Mal, wenn sie, wie die Vornehmen in Indien zu thun pflegen, von ihrem Gefolge begleitet ausging, zwei Elephanten (das Zeichen der höchsten Würde), die rothe Fahnen mit weißen Kreuzen trugen, mit sich zu führen. Weit entfernt, überhaupt der christlichen Religion durch ihre Umgebung abtrünnig gemacht zu werden, blieb Juliane nicht nur dem Glauben ihrer Väter treu, sondern berief auch 300 Portugiesen, die nach ihren Fähigkeiten vortheilhaft angestellt wurden, von Goa an Shah Aalem's Hof. Die Liebe dieses Fürsten für seine treffliche Erzieherin blieb sich stets gleich, und da er für sie selbst kaum noch Etwas zu thun vermochte, so dehnte er seine Wohlthaten auch auf die Ihrigen aus. Unter den christlichen Ankömmlingen befand sich Angelica, die Schwester Julianens, die einem Edelmanne, Don Velho de Castro, vermählt war. Als die einzige Tochter derselben, Isabelle Velho, sich mit Don Diego Mendeze verheirathete, ergriff der Monarch diese Gelegenheit, um Julianen in ihren Verwandten einen abermaligen Beweis seiner Huld zu geben, indem er selbst der Ceremonie beiwohnte und das Haupt des Bräutigams mit einer Hochzeitskrone schmückte, was nach dortigen Begriffen für eine große Ehre galt. Der plötzliche Tod Shah Aalem's zerstörte indeß ganz unerwartet das ruhige Glück einer Frau, die viel zu besonnen war, um sich den Gefahren eines Regierungswechsels, der in jenen schönen Ländern gemeiniglich blutige Folgen hat, auszusetzen. Juliane zog sich nach Goa zurück, um dort in Ruhe ihre Tage zu beschließen. Allein der neue Kaiser Djchandâr Shah, die Fürsten, die Umrâs und die vornehmsten Christen an dessen Hofe baten vereinigt um ihre Rückkehr nach Delhi, und Juliane gab endlich nach. Wie immer, wandte sie auch jetzt ihre Macht nur zum Guten an, und die europäischen Nationen, vorzüglich Holländer und Portugiesen, hatten ihr Viel zu verdanken. Eine im Jahre 1713 ausbrechende Revolution, durch welche der ihr geneigte Kaiser Djchandâr vom Throne gestürzt wurde und sein Neffe, Faroukhséjar, die Regierung erhielt, trübte auch ihren Frieden. Der Vezier des Usurpators beneidete den unter den Vorgängern seines Monarchen so bedeutenden Einfluß Julianens und schwur ihren Untergang. Auf den Befehl desselben ward Juliane mit ihren sämmtlichen Verwandten gefangen genommen und ihre Güter eingezogen. Weiter zu gehen, erlaubte ihm für den Augenblick die Ehrfurcht nicht, die ihre Person eingeflößt hatte. Nur kurze Zeit währte jedoch die bedenkliche Lage der Unschuldigen. Ehe noch falsches Zeugniß gegen sie aufgebracht werden konnte, erhob sich von allen Seiten der Schrei des Unwillens über die Gewaltthat des Ministers und der Kaiser erhielt so klare Beweise seiner Ungerechtigkeit, daß Juliane mit ihren Angehörigen in Freiheit gesetzt und ihrem alten Wirkungskreise zurückgegeben ward. Unangefochten verfolgte sie von jetzt an ihre stets segensvollen Lebenszwecke, und obwohl französische Schriftsteller einer Frau, deren Geist so mannichfache Verhältnisse beherrschte, keinen ehrendern Beinamen geben zu können meinten, als »Indiens Maintenon,« so sind wir doch versucht, sie weit über jene Henkerin des alternden Ludwig's XIV. zu stellen, da sie zur Staatsklugheit die Milde gesellte und keine unreine Leidenschaft ihren Lebensspiegel trübte. Noch im späten Alter erlebte sie die Wiedereinsetzung von Djchandâr's vertriebenem Sohne Mahommed, den Faroukhséjar seiner Ansprüche auf das Reich beraubt hatte, und der zur Krone berufene Prinz glaubte dieselbe unter keinen günstigern Vorbedeutungen annehmen zu können, als wenn Juliane, der die Bewahrung dieses Hoheitszeichens schon von seinem Großvater anvertraut worden war, ihn damit schmückte. Das Fest des heiligen Johannes, das von den Mohamedanern unter der Bezeichnung Yhya Périghambey gefeiert wird, bestimmte der neue Kaiser zu diesem feierlichen Akte. Zwei Stunden vor Tagesanbruch begab sich der ganze Hofstaat und die Großen zu Julianen, um sie aus ihrem Palaste abzuholen. Die Straßen Delhi's waren erleuchtet und mit Blumenguirlanden geziert und eine zahllose Menschenmenge eilte zu dem Feste. Da erschien Juliane auf einem prachtvollen Palankin, auf ihren Knien den Tadge, die mit den größten Diamanten besetzte Krone der mongolischen Kaiser, haltend, und unbeschreiblicher Jubel begrüßte die Geliebte des Volkes. Angekommen am Palaste des Kaisers, empfingen Julianen dort die Frauen und Hofbedienten; in einem prachtvoll decorirten Saale ward der Kaiser erwartet und als dieser endlich mit allem Pompe des Morgenlandes eintrat und den Thron bestiegen hatte, setzte ihm Juliane mit tiefer Rührung die Krone auf das jugendliche Haupt. Noch einige Jahre überlebte die große Frau diesen glänzenden Tag und als sie 1733 der Tod im 15. Jahre ihres Alters von der Erde rief, blieb ihr der schöne Ruhm, nur gelebt zu haben, um Glückliche zu machen. Sie fand ihre letzte Ruhestätte zu Agrah in der christlichen Kirche. Ihr Amt ging auf ihre Nichte Isabelle Velho über und blieb in der Familie bis 1747.

F.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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