- Offenbarung
Offenbarung. Vor dem Menschen steht das unermeßliche Weltall. Täglich betrachtet er es mit staunender Bewunderung, und diese Bewunderung wächst, so lange ein durch die Sinnlichkeit noch nicht verdorbenes Gemüth in ihm wohnt. Sie erfüllt ihn mit der heiligen Ahnung eines Wesens, durch dessen Machtwort das Weltall in das Dasein gerufen wurde. – Die Gottheit offenbart sich also in dem Dasein der Welt. – Täglich treten neue Erscheinungen im Gange der Natur ein, und zwar stets in einem regelmäßigen Wechsel. Dieser Wechsel mußte nothwendig durch das Einwirken einer höhern Macht erfolgen. Die Gottheit offenbart sich demnach auch in der Natur. Ja, gerade die Natur ist die alte, graue Urkunde von der Macht und Weisheit des Allgeistes. Die Blätter dieser Urkunde sind voll von tausend Bildern und Schriftzeichen, welche alle den Grundzug der Liebe tragen. – Ein übermenschliches Wesen nur konnte den Fluren befehlen, sich zu kleiden in das anmuthige, jugendliche Grün des Frühlings; ein Weiser und Allmächtiger nur konnte dem Sommer gebieten, die Reife der Früchte zu fördern; ein Allliebender nur konnte dem Herbste die goldenen Garben in den Schooß legen, und dem Winter anweisen, der erschöpften Lebenskraft die Stätte erquickender Ruhe zu bereiten. – Und nicht nur Bilder und Schriftzeichen, – gewaltige Töne auch von der Offenbarung eines höhern Wesens drangen herüber aus dem weiten Gebiete der erzeugenden Natur. Vom Flüstern im Schilfrohr bis zu dem Rauschen der Eichen, – vom Rauschen der Eichen bis zu dem Dröhnen des Donners: Alles fand Anklang in dem Gemüthe des denkenden Menschen. Auch jetzt noch findet es ihn. Immer wahr bleibt das Bibelwort: »Gott hat sich nirgends unbezeigt gelassen.« – Außer dieser allgemeinen Offenbarung nimmt man noch eine besondere Offenbarung an. Man versteht darunter diejenige Art der göttlichen Wirksamkeit, nach welcher die Gottheit den Menschen einen ihren Bedürfnissen angemessenen Religionsunterricht ertheilt. – Bei allen Völkern finden wir Spuren des Glaubens an Offenbarung. Alle führen den Ursprung ihrer Religion auf einen Unterricht zurück. Ihre Vorfahren erhielten ihn von höheren Wesen, wie ein Kind den Unterricht seines Vaters erhält. So wurde die Menschheit gleichsam von Gott erzogen. Gott hatte mithin die Menschen gelehrt, wie sie ihn auf eine ihm wohlgefällige Art verehren sollten und könnten. – Bei den Stiftern der Religionen und bei den wichtigern Religionslehren, z. B. bei den Propheten und Aposteln, nimmt man diese Handlung der göttlichen Fürsorge ganz vorzüglich an. Man nennt sie bei jenen Schriftstellern, deren Werke auch größtentheils in die Religionsurkunden aufgenommen worden sind, Inspiration (heilige Eingebung).
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http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.