Raupach, Ernst Benjamin

Raupach, Ernst Benjamin

Raupach, Ernst Benjamin, der moderne, nur etwas verdünnte Kotzebue Deutschlands, der Sohn eines schlesischen Predigers, ward frühzeitig zur Waise, erhielt seine erste Bildung auf dem Liegnitzer Gymnasium, studirte Theologie in Halle und ging 1804 nach Petersburg, wo sich ein Bruder von ihm aufhielt. Zehn Jahre lebte er in Rußland als Erzieher in Familien, privatisirte dann 1½ Jahr in Petersburg, und wurde 1816 bei der dortigen Universität als Ordinarius der philosophischen Facultät angestellt. In Folge einer Untersuchung, die 1822 ihn und einige seiner Collegen traf, verließ er 1822 Rußland und erhielt später seine Entlassung. Unstät lebte R. von nun an in verschiedenen Orten Deutschlands, reiste nach Italien und gab als Frucht dieses Ausfluges »Hirsemenzel's Briefe aus Italien« heraus. Nach seiner Rückkehr wendete er sich nach Berlin und begann seine Laufbahn als dramatischer Dichter an der dortigen königl. Bühne. In einem Decennium überfluthete R. von jetzt an, unbekümmert um Lob oder Tadel von Seiten der Kritik, die Bühnen mit einer Menge theils besserer, theils schlechterer Theaterstücke, deren Zahl an die 60 betragen mag. Erfindungsreich, wenn auch nicht immer originell, weiß R. aus unbedeutenden Stoffen, gleich Kotzebue, etwas zu schaffen, das der oberflächlichen Anschauung momentan genügt. Aber die Weihe des Dichters, die heilige Flamme der Begeisterung geht ihm ab. Darum sind seine Produkte auch nur Geburten für den Augenblick, wie sie von dem Augenblick geboren wurden. Selbst seinen Tragödien mangelt es an innerm, selbstständigem Leben. Gute Situationen, gefällige Gruppirung und das monotone, aber harmonische Schellengeläute des Jambus, den nur selten die Macht des Gedankens, dieses pulsende Herz alles poetisch Unsterblichen, beseelt, machen seine Dramen eben so leicht darstellbar, als sie das wahre Schauspiel von der Bühne verdrängen und die Mimik zur vagen Declamation herabziehen. Das Beste, was R. geleistet, außer »Isidor und Olga,« ist sein Hohenstaufen-Cyclus, wozu ihm Friedrich von Raumer's »Geschichte der Hohenstaufen« Anlaß gegeben. Am glücklichsten und nicht ohne oft treffenden Witz bewegt sich R. in der Posse und dem niedrigen Lustspiele. In neuester Zeit sinkt sein Ansehen, die Produkte werden matter, und eine Art geistiger Impotenz scheint bei dem fruchtbaren Dramatiker eintreten zu wollen. R. wurde, hatte er nur den dritten Theil von dem geschrieben, womit er uns beschenkt, bei seinem ursprünglich tüchtigen Talente dem Verfall der Bühne vorgebeugt haben, während man ihn jetzt nicht ganz von der Schuld freisprechen kann, daß er die Bühne durch unkünstlerisches Gebaren wesentlich hat verschlechtern helfen. Weniger Beifall als seine dramatischen Arbeiten fanden einige Erzählungen, von denen zwei Sammlungen, eine 1820, die andere 1833, bekannt geworden sind. Es fehlt R. nur an einer Kleinigkeit – Genie – und an Selbstbeschränkung. Diese beiden ersetzen alle sonstigen guten Eigenschaften nicht, die er in nicht gewöhnlichem Grade besitzt. R. ward zu Straupitz bei Liegnitz geb. am 21. Mai 1784.

W.....m.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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