- Flachs, Lein
Flachs, Lein oder Lein, wird zur 30. Familie, zu den nelkenartigen Gewächsen (Karyophylleen) gerechnet. Unter den verschiedenen Arten, die es gibt, erwähnen wir hier nur die nützlichste, den gemeinen Flachs. Er wächst in einigen Theilen des südlichen Europa's wild, in den nördlichern Gegenden bedarf er aber eines sorgfältigen Anbaues. Besondere Kennzeichen desselben sind: ein krautartiger, aufrechter, 1–3 Fuß hoher Stengel, wechselsweise stehende linienlanzettförmige Blätter, blaue doldentraubenartige Blüthen, mit zugespitzten Samenbehältern, die sich nicht freiwillig öffnen, sondern ausgedroschen werden. Der Flachsbau erfordert einen guten, wohl vorbereiteten Boden, ein lockeres, fettes Erdreich. Im Herbst geackertes, im vorigen Jahre gut gedüngtes Feld bringt schönen Flachs; frisch gedüngtes Land bessern Samen. Das Pflügen oder Graben muß vom Herbst bis zum Frühjahr 2–3 Mal wiederholt werden, zuletzt vierzehn Tage vor der Aussaat, um dem Boden gehörig Zeit zu lassen sich zu setzen. Erfahrene Oekonomen rathen auch eine dreimalige Aussaat. Anfang April; Ende April oder Anfang Mai und Ende Mai oder Anfang Juni, da das Gedeihen sehr von der Witterung abhängt. Guter, alter Samen ist ein Haupterforderniß zum Gedeihen der Frucht. Der schönste, aber auch der kostbarste, ist der sogenannte liefländische Lein; er muß braunroth, glänzend, glatt und lang sein, und leicht durch die Finger laufen. Das Säen darf nicht zu dick und nicht zu dünn geschehen, am Besten nach dem Regen. Sobald die Pflanzen 4–5 Zoll lang geworden, müssen sie sorgfältig ausgejätet werden, um alles Unkraut zu vermeiden. Im Brabantischen, wo bekanntlich der schönste Flachs zu den feinsten Geweben gezogen wird, pflegt man die jungen Pflanzen nach dem Jäten zu stengeln, das Umlegen derselben zu verhüten, und zur Beförderung der Länge und Feinheit des Flachses. Die gefährlichsten Feinde dieser Pflanze sind ein Unkraut, die sogenannte Flachsseide, am leichtesten durch etwas Kampher unter den Samen gemischt, zu verhüten, und dann die Vögel, welche den ausgestreuten Samen fressen. Dies zu verhindern, hat man neuerdings die Entdeckung gemacht, Abends nach Sonnenuntergang den Samen auszustreuen, ihn die Nacht hindurch liegen zu lassen, und dann am folgenden Morgen mit dem Thau unter die Erde zu bringen. Man nennt dies Thausaat. – Die letzte Arbeit auf dem Leinacker ist das Flachsrausen, das Ausziehen der reisen Stengel mit den Wurzeln. Sie werden in Garben zusammengebunden und bei günstiger Witterung entweder im Freien getrocknet, oder zu Hause zu diesem Zweck an einem trocknen Ort ausgebreitet. Hierdurch erhalten sie die Nachreise. Die Stengel der Pflanze bestehen aus einer dünnen Haut, den Fasern und dem Kern oder Holz, welche Theile unter einander durch ein harziges Wesen, durch eine klebrige, gummiartige Masse verbunden sind. Zur Absonderung der reinen Fasern, des eigentlich brauchbaren Theils, von der obern Haut und dem innern Kern, streift man zuerst die Knospen oder Knoten, worin der Samen enthalten, mit einem eigens dazu, bestimmten Instrument, der sogenannten Raufe oder Reffe ab, und bringt dann die Stengel in die Röste, d. h. zwischen eingeschlagene Pfähle in fließendes Wasser. Hier müssen sie eine ganze Woche liegen, worauf sich der harzige Schleim auflöst und die Fasern leichter von Haut und Holz trennen. Nach dem Rösten spült man sie im Wasser rein ab, breitet sie auf einer Wiese dünn auseinander, und laßt sie 11 Tage bis 4 Wochen liegen, damit Sonne und Thau das Rösten vollenden. So vorbereitet bindet man nun die schon ziemlich getrockneten Stengel in Bündel und stellt sie zum Darren in einen großen Backofen, in welchem jedoch das Feuer nicht mehr brennen darf, oder noch besser in ein Darrhaus. Wenn sie hart getrocknet sind, springt die äußere Haut wie Glas von den Fasern ab. Rösten und Darren sind nur als Vorarbeit zu betrachten, und die eigentliche Befreiung der Fasern von Haut und Holz geschieht nun durch das sogenannte Brechen (Braken) und Schwingen. Zum erstern bedient man sich besonderer Werkzeuge aus zwei Hölzern mit Falzen, zwischen welchen die Stengel gebrochen oder gequetscht werden. Hierauf erfolgt das Schwingen auf dem Schwingeblock, die Haut von den Fasern wegzuschaffen, nach welcher Procedur der nun gereinigte Flachs in Bündel gebunden wird. Da jedoch die Fasern nicht von gleicher Länge und Feinheit sind, durch das Schwingen auch noch nicht völlig von den Schewen (gebröckelten Haut) gereinigt worden, so muß der auf diese Weise zubereiteten Flachs vor dem Spinnen noch gehechelt worden. Hierzu bedient man sich grober und seiner Hecheln. Je seiner der Flachs, desto öfterer hechelt man ihn, und desto feinere Hecheln nimmt man zuletzt dazu, wodurch aber auch natürlich die Quantität des Abgangs zu-, die des Flachses abnimmt. Der Abgang besteht aus den groben und kurzen Fasern und heißt Werg. Er kann ebenfalls gesponnen und zu Geweben verarbeitet werden. Die Kunst, den Flachs zu verfeinern, ihn seidenartig und der Baumwolle ähnlich zu machen, ist noch nicht so allgemein bekannt, als sie es verdient. Es gibt verschiedene Methoden, von welchen hier die einfachste folgt. Man sondert nämlich die in dem Flachs noch vorhandenen Holztheilchen durch einen Aufguß von siedender Aschenlauge, worin etwas Leinsamen, venetianische Seife, Glasgalle, gelbes Harz, Weißwurz und Kochsalz geworfen, aus; indem man den gehechelten Flachs (das Verwirren zu verhüten), auf kleine runde Stöcke wikkelt, in einem Kessel in oben beschriebene Brühe legt, und 48 Stunden darin liegen läßt, worauf man ihm noch eine sechstägige Bleiche gibt. Zum Spinnen des Flachses bedient man sich verschiedener Werkzeuge. Als die ältesten und bekanntesten führen wir nur die Spindel und das gemeine Spinnrad an. Wenn vorzügliche Güte des Flachses und Geschicklichkeit der Spinnerin zusammen treffen, muß man über die Feinheit und Zartheit des Gespinnstes erstaunen. Das merkwürdigste Beispiel liefern die brabanter oder brüsseler Spitzen. Der gesponnene Flachs, das Garn wird gehaspelt (geweist), in Lauge von gewöhnlicher Holzasche vom gröbsten Schmuz gereinigt, und dann entweder gezwirnt oder gewebt. Ersteres geschieht auf einer Spindel oder einem Spinnrad, indem zwei oder noch mehr Faden zu einem zusammengedreht werden. Es gibt vier Hauptsorten von Zwirn. Kantenzwirn, meistens aus Antwerpen; Klosterzwirn, aus Brabant; Perlzwirn und gemeiner Nähzwirn. (S. Zwirn.) Von dem ungezwirnten Garn webt man Leinewand, Drill, Zwillich u. s. w., über deren mannichfachen Nutzen jeder dieser Artikel nähere Auskunft gibt. Die Blumensprache verbindet mit dem Flachs die Idee der Häuslichkeit und des Fleißes.
L. M.
http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.