Taurus

Taurus. Geheiligt ist für immer die Stätte, wo einst erhabene Geister weilten und ihre Thaten reisten zur Ewigkeit. Mit Ehrfurcht betrachtet der Enkel den altergrauen Baum, unter dessen Schatten einst ein Heroe der Vorzeit ruhte. Das Taurusgebirge aber ist ein ganzer Felsenwald voll der erhebendsten Erinnerungen; hier ja erhebt der Ararat (s. d.) sein granitnes Haupt, wo Noah den neuen Tag begrüßte. Hier thürmen sich gleich Runensteinen der heiligen Geschichte der Antitaurus, das kurdische Gebirge, der Sindschar und der einst so cedernreiche, jetzt baumlose Libanon auf. In den nordöstlichsten Provinzen des osmanischen Asiens, und an Persiens Grenzen, durch Kleinasiens und Syriens Fluren und Steppen dehnt der klassische Taurusgigant seine riesigen Arme aus. Kahl and verwittert ist sein Scheitel, ergraut sein Bart; als die letzte Silberlocke erglänzt auf seiner Stirn der schneebedeckte Ararat, und grollend stürzt er mit seinen granitnen Donnerkeilen gegen den ihn beengenden, schwarzen und mittelländischen Ocean vor, bis, zurückgedrängt von ihren Wogen, seine Hände krampfhaft erstarren zu den steilsten Vorgebirgen. Und doch umscherzen den mürrischen Alten noch immer die lieblichsten Nymphen, noch immer spielen hier Westasiens goldene Ströme, der Euphrat und Tigris, der Kur und Aras etc. die Spiele der Kindheit, ehe sie sich hinunterstürzen aus der heimathlichen Alpenhütte in Lykiens und Pamphiliens unabsehbare Ebenen. Wohl fließen diese Ströme noch; aber versiegt ist der frische Lebensstrom in dem einsamen Gebirg. Ein fremdes Geschlecht an den Boden geheftet durch thierische Sorgen, wandelt jetzt durch seine Schluchten, schwermüthig blickt der benachbarte Kaukasus zu ihm herüber, von ewigen Nebeln umhüllt; und nur der Westwind bringt zuweilen in stiller Mitternacht von Griechenlands fernen Küsten liebende Kunde von einer neuentstehenden Welt und einem erblühenden Geschlecht.

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