- Tragisch
Tragisch nennen wir, was uns die menschliche Kraft und Größe darstellt im Kampfe mit dem Schicksal oder überhaupt mit allem Aengstlichen, Drückenden und Peinigenden des wirklichen Lebens. Bei dem Anblicke dieser Kämpfe wird unser Gemüth bewegt und gerührt, aber auch zugleich erhoben von der Größe des Helden, der allen Schlägen des Schicksals trotzt und, wenn er untergeht, erst wahrhaft zu siegen scheint. Der Ernst des Verhängnisses ist der leitende Hauptfaden des T'en, während die Lächerlichkeiten des Zufalls das Wesen des Komischen (s. d.) bilden. Durch Rührung und Erschütterung will uns die tragische Katastrophe zur dichterischen Anschauung menschlicher Verhältnisse, umschlossen von den ehernen Schranken des Geschicks, emporheben: an dem Leiden eines Herzens soll uns das Leiden der Menschheit poetisch versinnlicht werden und die Ohnmacht der Leidenschaft sich zur Größe des Handelns steigern. Das ist die Allgewalt des tragischen Schicksals, das, wie Schiller treffend sagt, den Menschen erhebt, wenn es den Menschen zermalmt. Darum ist aber auch bei aller Rührung, welche es hervorbringt, das Weinerliche dem T'en fern; selbst die Thräne muß nur die Thräne der widerstandslustigen Thatkraft sein; alles Mattherzige muß dunkel und kräftig erglühen unter den festen Pinselstrichen der männlichen Phantasie; und alle Gedanken sich krystallisiren zu Felsen, die aber harmonisch bewegt werden von der Orpheushand des t'en Dichters. Und da sich zugleich das T'e in den Kreisen der reinen Menschheit bewegen muß, und nicht hineinragen darf in die Wolken der Uebermenschlichkeit: – so gestaltet sich sein Ernst, seine Trauer zu schönen Gebilden, und erregt das ästhetische Wohlgefallen des Schauenden. – Das Wort T ist griechisch und wird übersetzt durch Bocksgesang, weil der Dichter der Gesänge an den Bacchusfesten einen Bock als Preis bekommen habe; richtiger leitet man es wohl von dem in bocksfüßige Satyrn und Panisten verkleideten Chore der ersten Tragödie ab.
–r.
http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.