Neuberin, Friederike Karoline

Neuberin, Friederike Karoline

Neuberin, Friederike Karoline, eine deutsche Schauspielerin, welche eine neue Periode des geläuterten Geschmackes herbeigeführt hat. Sie war die Tochter eines Advokaten und wurde zu Anfange des 18. Jahrhunderts in Zwickau geb. Neigung führte sie frühzeitig zur Bühne; sie wählte das tragische Fach, und war die erste Schauspielerin, welche den Ton der tragischen Declamation begriff und bildete. Zu jener Zeit gab es noch wenig stehende Bühnen, und Friederike reiste deßhalb mit einer Gesellschaft von Stadt zu Stadt. Sie hatte sich frühzeitig vermählt, kam in Folge ihrer Wanderungen 1728 nach Weißenfels, faßte dort den Entschluß, selbst eine Gesellschaft zu werben, engagirte mehrere talentvolle Anfänger, und war nicht nur Director, Regisseur und Kassirer in einer Person, sondern auch Lehrerin ihrer Mitglieder. Ihr lebhafter Geist beherrschte und regelte Alles – ihre Gesellschaft erwarb sich Ruhm, und so kam es, daß hier, wo Talent und Eifer Hand in Hand gingen, sich ein deutsches Schauspiel bildete, das für die Entwickelung der Kunst von den segensreichsten Folgen war. Daß sie später in Leipzig unter Gottscheds Einfluß die stehende komische Figur der deutschen Bühne, den beliebten Hanswurst, das stereotype lustige Element unseres Drama's, von der Bühne verbannte, ist ihr mit Recht zum Vorwurfe gemacht worden. Von 1727 bis 39 brachte sie eine Menge Trauerspiele auf ihr Theater, reformirte das Costum, das sie der jemaligen Zeit des Stückes anzupassen sich bemühte, und besuchte von Leipzig aus mit ihrer Truppe Braunschweig, Hamburg, Nürnberg, Frankfurt, Straßburg etc. Einen vorzüglichen Gönner fand sie in Kiel an dem Herzoge Karl Friedrich von Holstein, der eine so leidenschaftliche Vorliebe für das Theater hegte, daß er zuweilen Rollen übernahm. Sie war selbst Schriftstellerin, schrieb Vieles für die Bühne, übergab aber keines ihrer Stücke dem Drucke. In das Jahr 1737 fällt ihre Verbannung des Harlekins von der Bühne. Sie fand zu Leipzig statt; der heitere Lustigmacher des Volkes wurde in einem von ihr verfaßten Vorspiele förmlich durch ein Auto da Fé abgethan. Von da an schämten sich die Schauspieler, die sich nach gerade als dramatische Künstler gexirten, den Harlekin zu spielen. So stand das Theater der Neuberin im höchsten Flor, als sie einen ehrenvollen Ruf von der Kaiserin Anna von Rußland nach Petersburg erhielt. Voll der glänzendsten Hoffnungen reiste sie mit ihrer Gesellschaft dahin; aber es war der Weg zu ihrem Verderben. Die Kaiserin starb, ihr Gönner, Herzog Biron von Kurland, fiel in Ungnade, ihre Aussichten verschwanden; es fehlte ihr an Unterstützung, und sie fand sich genöthigt die Rückreise nach Deutschland anzutreten. Nach tausend betrübten Erlebnissen kam sie wieder nach Leipzig. Hier hatte inzwischen Schänermann, ein Schauspieler von Talent und Umsicht, ein neues Theater gegründet, der Eifer des Publikums für die Neuberin war erkaltet, und als sie auftrat, trat ihr eine schmähsüchtige Kritik entgegen. Dieß erbitterte sie, die nicht ohne Stolz und Eitelkeit war; der Liebling der Nation, der so viele Triumphe gefeiert, konnte sich in die veränderten Ansichten und Ansprüche nicht fügen – sie antwortete ihren Feinden durch Schmähungen, entzweite sich mit Gottsched, dem Göthe der damaligen Zeit, und ging so weit, daß sie ihren ehemaligen Freund und Beschützer in einem Possenspiele auf die Bühne brachte und lächerlich machte. 1742 löste sich ihre Gesellschaft auf; sie selbst ging nach Oschatz, kehrte aber bald wieder zu ihrem vorigen Berufe zurück, organisirte eine neue Truppe und reiste mit derselben 1745 zur Kaiserkrönung nach Frankfurt. Dieß Unternehmen aber schlug fehl, da bereits eine italien. Oper, franz. Schauspiel und die tüchtige Müller'sche Gesellschaft ihr den Rang abgelaufen hatten. 1758 scheiterte ihr Glück zu Zerbst gänzlich. Von da an brachte sie ihr Leben in Kummer und Elend zu, mußte herumschwärmen und wurde aus einer großen Principalin eine Budenkomödiantin. Im hilflosesten Zustande floh sie nach Wien, ließ daselbst ein allegorisches Vorspiel »Die Herbstfeier« drucken, fand weder Beachtung noch Subsistenzmittel, kehrte bald nach Dresden zurück und spielte sie krank und von Allem entblößt flüchten und starb 1763 in dem Dorfe Laubegast unweit Dresden, wo ihr ein Denkmal errichtet ist, in den dürftigsten Umständen. Sie hätte für ihre alten Tage ein besseres Loos verdient, denn ihre Verdienste um das deutsche Schauspiel sind unbestritten.

–n.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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