Oper

Oper

Oper. Als am Ende des 16. Jahrh. die Frömmigkeit die musikalische Phantasie angefacht, und man in den kirchlichen Versammlungen biblische Geschichten als musikalische Dramen ohne Action, abwechselnd mit Solo und Chören absang, da raubte die weltliche Musik, welche so lange als unbeachtetes Kind gelebt, ihrer ernsten Schwester diese Idee, bildete sie zum Triumph der Kunst aus und erstieg durch sie den Herrscherthron. Man nahm statt der heiligen Geschichte aus alter gewohnter Verehrung die Mythologie, statt des Märtyrergewandes die Toga, statt der Kirchenhallen die Bühne, statt frommer zur Madonna gerichteter Blicke versuchte man Action, welche die Wahrheit des Lebens schildern sollte, und die Musik, welche bisher nur gestrebt hatte die Lobgesänge der Engel zu erreichen, malte jetzt die Freuden und Leiden der Liebe, die Leidenschaften der Seele, und brachte den Himmel zur Erde. So entstand die Oper. – Schwer läßt sich ihre erste langsame kindische Ausbildung verfolgen, aber mit Bestimmtheit wissen wir, daß ihre Wiege Florenz unter den Medicis gewesen, daß die Componisten Peri und Caccini und der Dichter Rinuccini die erste Stelle in ihrer Geschichte behaupten, und endlich die erste öffentliche und ausgebildetere Operndarstellung die der »Euridice« 1600 zur Vermählungsfeier Heinrich IV. mit Maria von Medicis Statt fand. Froh, daß die göttliche Muse endlich die Schranken des Beichtstuhls durchbrochen, eilte man Opernhäuser neben den Kirchen zu erbauen, und was der Oper an innerer Ausbildung abging, suchte man durch äußere Ausstattung zu ersetzen, welche unsere jetzige, wenn nicht an Gehalt, doch an Glanz weit übertraf. Um 1630 soll man in Dresden das erste Singspiel versucht haben; heimathlich und als deutsches Kind erschien es erst später in Hamburg durch Kaisers Composition; um 1693 führte man in Leipzig zuerst »Alceste« auf, und um 1650 nahm auch Frankreich unter Mazarin den neuen Kultus an. – Bei der allmäligen Ausbildung der Oper ging die Musik mit der Poesie und diese mit dem Zeitgeist Hand in Hand. Als die mythologischen Darstellungen erschöpft waren, schritt man zur klassischen Geschichte vor, und die Antike, der Typus schöner Formen und der göttlichen Größe der Menschen, herrschte fast 200 Jahr auf der Bühne Italiens und Europa's – denn dieß empfing nur von jenem – und nur in untergeordneter Stellung bildete sich die komische Oper, opera buffa, als Schilderung des gemeinen Lebens aus. In der letzten Hälfte des vorigen Jahrhunderts nahmen endlich auch Frankreich und Deutschland ihr schöpferisches Recht an der Oper, trugen mit ihren Dichtern und Componisten in Sujet und Musik ihren Nationalcharakter über, und im Anfange des 19. Jahrhunderts war die deutsche Oper neben der italienischen erstanden und in mitten beider, kokettirend mit beiden, die französische. Die Antike feierte in der »Vestalin« ihren letzten, aber bleibenden Triumph, und die Phantasie des Dichters und Musikers durchbrach nun alle Sitte der Zeit und schuf frei. Der Nationalton der franz. Oper bildete sich zuerst aus am ritterlichen, troubadourlichen und endlich im Conversationsstücke, der deutsche dagegen im romantischen, charakteristischen, in der Geisterwelt, der italienische dagegen im üppigen Gefühlsleben und in volksthümlicher Komik. Die Vorblüthe der deutschen Oper – nun so wollen wir's hoffend nennen – war so schön als vorübergehend, und nur schützende Kunstgesetze der Regierungen können sie wieder und bleibend hervorrufen. Jetzt theilen sich franz. und italien. Operncomponisten mit dem Recht des Talents in die musikalische Modeherrschaft der Zeit. (Vergl. auch Italien, Musik.)

–k.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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