Speier, Speyer

Speier, Speyer

Speier, Speyer, eine von den gealterten, aber ruhmgekrönten Schwestern, die einst den Bund der freien Reichsstädte bildeten, in denen freie Thatkraft und blüthenpflegender Bürgersinn in warmen Schlägen pulsirte, – eine ehrwürdige Matrone im gothischen Spitzenkleide, die Stirn verhüllt mit einem Trauerschleier, die schweigend und ernst auf die uralte, von Konrad dem Salier 1030 gegründete, durch Heinrich IV. 1061 vollendete, Domkirche hinzeigt, die einst, ehe Frankreich seine Barbaren sendete, auf marmornen Grabmälern, in silbernen Särgen, die Statuen und die Gebeine von 8 Kaisern und 3 Kaiserinnen barg. Damals, 1681, zerstörten die Franzosen auf das Geheiß Louvois die ganze Stadt: nicht achtend des Heiligthums und der geweihten Stätten brachen sie ein in die lombardisch-byzantinische Halle des Doms, und trieben ihr Vandalengespött mit den heiligen Ueberresten ruhmwürdiger Helden, die mehr als einmal Gallien die Klauen des rönischen Adlers gezeigt. Ernst und schweigend zeigt uns die Matrone ferner hier jenes alte Gebäude, in dessen Sälen die deutschen Kaiser so viele Reichstage gehalten, und wo (am 19. April 1529) das kleine Häuflein kräftiger Männer auftrat gegen eine Welt und zuerst den Namen »Protestanten« führend, muthig protestirte gegen alle fremde Gewalt; und dort jenes Haus, in welchem 162 Jahre hindurch, bis 1688, das kaiserliche Reichskammergericht seine Sitzungen hielt. Aber Thränen entströmen jetzt ihren Augen: sie gedenkt der furchtbaren Zeit, als abermals (1793) Franreichs rohe Krieger in ihre Mauern einbrachen. Alles Elend hauste damals in der alten Reichsstadt, als wolle die Zerstörung hier sich einen eigenen Tempel bauen: – und erst in neuester Zeit wurde der klassisch-romantische Dombau nach Kräften wiederhergestellt. sowie die Mausoleen Rudolph's von Habsburg, Adolph's von Nessau und Albert's I. in demselben wieder erneuert. – 1801 verlor S. seine Reichsfreiheit, und ist jetzt die Hauptstadt der bairischen Rheinprovinz, als welche sie mit ihren 15 katholischen Kirchen und Klöstern, dem großen Bürgerhospital, dem Waisenhause etc. und ihren 8200 Ew., noch immer zu den besten Mittelstädten des Königreichs gehört, und in ihrer anmuthigen Lage am linken Rheinufer, wo der Speierbach sich in den Rhein ergießt, mit ihren uralten Thurmkronen, den gothischen Schauern und ihren majestätischen Kaiserschatten, nur ungern von jedem Kunst- und Alterthum liebenden Reisenden in dem goldnen Rheinbilde vermißt werden würde.

B.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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