- Titus, Vespasianus
Titus, Vespasianus. So solltest du endlich fallen nach der Prophezeiung des Gottmenschen, du stolze Zionsburg! Nacht umhüllt den Scheitel des Oelbergs; der Tempel Salomonis erzittert in seinen Grundpfeilern; und wie eine irre Sage wälzt der Jordan seine Fluthen durch das blutige Blachfeld. Die Stunde schlägt, wo Israel's ganzes Volk zu einem Ahasverus wird; es öffnen sich Zions stolze Pforten, und im feierlichsten Triumphe hält seinen Einzug (70 n. Chr.) Judäa's jugendlicher Ueberwinder, der röm. Imperator T., Kaiser Vespasian's ältester Sohn, geb. 40 n. Chr. Alles unterwarf sich seinem Herrscherstabe; doch der stolze Sieger fühlte sich selbst besiegt: eine Blüthe aus Palästina's Palmengarten bezauberte sein eigen Herz, – die reizende Berenice, die Witwe des Königs Herodes von Chalcis. Sie folgte dem liebenden Imperator nach Rom. Hier bestieg T. (79 n. Chr.) nach Vespasian's Tode trotz seines jüngern Bruders, Domitian, Widerspruch als Alleinherrscher den Cäsarenthron, dessen kalte Pracht er mit so reichen Blumenkränzen seiner Tugend und Menschenliebe umwand, daß er von dem röm. Volke die »Liebe und das Vergnügen des menschlichen Geschlechtes« genannt wurde. Doch sollte das unglückliche Rom nicht ungestört der säuselnden Ruhe von seiner Herrscherhöhe genießen: aus einer andern Höhe, vom Vesuv, nahte das Verderben, und unter seinem Feuerregen versank Pompeji und Herkulanum in Staub und Asche. Auch T. sollte bald versinken wie ein Krater, den die Liebe ausbrannte; bang ertönten die Gräber des Capitols; ein goldener Stern erlosch, der kaum erglüht: – nach einer Regierung von noch nicht 2 Jahren, 81 nach Chr., starb T. im 41. J. seines Alters.
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