Weimar, das Großherzogthum, und die drei sächs. Herzogthümer der Ernestischen Linie

Weimar, das Großherzogthum, und die drei sächs. Herzogthümer der Ernestischen Linie

Weimar, das Großherzogthum, und die drei sächs. Herzogthümer der Ernestischen Linie, ein Flächenraum von 169¾ Quadrat M. mit 628,000 Ew., wovon auf das Großherzogth. Weimar 67 Quadrat M. (240,000 Ew.), auf das Herzogth. Koburg-Gotha 35 Quadrat M. (135,000 Ew.), auf Meiningen 43 Quadrat M. (140,000 Ew.), und auf Altenburg 24¾ M. (113,000 Ew) kommen, wird von Preußen, Sachsen, Baiern, Hessen und mehreren kleinen Staaten theils umschlossen, theils durchzogen, und ist meist seit dem 1554 zwischen dem Kurfürsten von Sachsen August I. und den Söhnen des unglücklichen Kurfürsten Johann Friedrich geschlossenen Vertrage, im Besitz der Ernestinischen Linie des Hauses Wettin, welche auf deutschem Boden in vier Aesten blüht. Das Ganze gehört zu den fruchtbarsten Gegenden Mitteldeutschlands, ist gut bewaldet und wird von zahlreichen Flüssen, der Saale, Werra, Pleiße, Ilm etc. durchströmt. Als Hauptgebirge gilt der thüringer Wald (s. d.); Ackerbau und Viehzucht bilden die Hauptbeschäftigung der Bew., doch ist auch die Industrie, namentlich in den Ländern Weimar und Koburg, nicht unbedeutend. Vergl. d. A. über die Hauptstädte Altenburg, Gotha, Hildburghausen, Koburg und Meiningen. – Weimar, die Haupt- und Residenzstadt des Großherzogthums, wo jeder Stein die Runenschrift entschwundener klassischer Zeiten, jedes Moos die sanfte Spur großer Geister trägt, in einem freundlichen Thale an der Ilm in den Erinnerungen alter Dichtergröße und literarischen Ruhms sich sonnend, ist noch immer der freundliche stille Ort, für den einst Göthe sang

Zierlich denken, süß Erinnern

Ist das Leben im tiefsten Innern.

Sind auch jene erhabenen Geister: Schiller, Göthe, Herder, Wieland, Knebel, Musäus etc. und deren treffliche Beschützer, die unvergeßliche Herzogin Anna Amalie (s. d.) und der edle Großherzog Karl August in das stille Meer der Ewigkeit hinabgesunken, sie, die das kleine Weimar ehedem zu einem unvergänglichen Musentempel schufen, so blühen doch noch jene geselligen unter ihren Auspicien entstandenen Vereine, unter denen der Götheverein, die Liedertafel, das Lesemuseum, der Frauenverein, die Gesellschaft der Maler, Bildhauer und Architekten etc. einen so hohen Rang einnehmen; noch verräth das Theater die fortwirkende Kraft der Göthe'schen Schule, und nie hat die bildende Kunst sich herrlicher gezeigt als jetzt unter Schorn und Caudray. Unter den vielen Künstlern glänzen drei Damen: Luise Seidler, Gräfin Julie von Egloffstein und Angelica Facius, wie denn überhaupt W's edle Frauen, eine Johanna Schopenhauer, Charlotte von Ahlefeld, Amalie von Voigt, Karoline von Wolzogen etc. in ganz Deutschland ehrend bekannt, in den vordersten Reihen literarischer Mitwirkung stehen. Die Hofkapelle, früher von Hummel, jetzt von Eberwein und Götze geleitet, leistet Ausgezeichnetes, und so begegnen sich noch immer Kunst und Wissenschaft im traulichsten Vereine. Von den interessanten Gebäuden darf der Fremde das Schloß mit der meisterhaften Treppe, das franz. Schloß mit der Bibliothek, das rothe Schloß, das Landschaftshaus etc. und vor Allem die Hauptkirche mit der großherzoglichen Gruft, den Gräbern des großen Herzogs Bernhard, Lucas Cranach's, Herder's etc. nicht ungesehen lassen. Hier ruhen auch Schiller und Göthe in der fürstlichen Todtenhalle neben Karl August und so vielen herzoglichen Ahnen. Zu den wissenschaftlichen Zierden W's gehören das Gymnasium, die großherz. Bibliothek von 130,000 Bänden, das Münz- oder Medaillencabinet, die Gemäldesammlung etc. Bertuch's, jetzt von Froriep's buchhändlerische Institute: das Landes- Industrie-Comptoir und das geogr. Institut (mit 300 Arbeitern), Fabriken in Tuch-, Leder-, Leinwand-, Seide-, Metallwaaren etc. und ein gewinnreicher Handel beschäftigen die 10,500 Bew., deren nächste Ausflüge sich meist nach den Lustschlössern Belvedere, Tieffurt und Ettersburg und dem Dorfe Oberweimar richten. – Jena (s. d.), Eisenach (9200 Ew.) und Neustadt an der Orla (4300 Ew.) sind die übrigen bedeutendern Städte des Großherzogthums.

–ff–


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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