Emma, Tochter Karl's des Großen

Emma, Tochter Karl's des Großen

Emma, Tochter Karl's des Großen. Karl der Große, der Verbreiter des Christenthums, der Herrscher von Europa, der Begründer der tausendjährigen Säulenreihe deutscher Kaiser, der Held von hundert Schlachten, taucht aus der Dämmerung seines Jahrtausends wie ein lichter Stern empor. Allein nicht die tapfern Palatine mit den sieggetränkten Schwertern allein waren es, aus deren Mitte der große Kaiser wie ein Fels im Nebelmeere seiner Zeit hervorragt, nicht die Klänge des Kriegs, die Gewitter der Schlachten allein, die sein Ohr umrauschten; mit dem milden Kusse der Weihe hatte der Engel der Kunst seine Heldenstirne berührt, um die sich neben dem Lorbeerkranze des Sieges auch der duftende Oelzweig der sanftern Künste des Friedens schlang. Eginhard, der nachherige Geheimschreiber und Biograph des Kaisers war von demselben als Kind aufgenommen und erzogen worden; Karl der Große wollte dem Knaben wohl, der ihn auf seinen Kriegszügen begleiten, und, da er in der Tonkunst geübt war, oft, wenn der Kaiser für eine kurze Stunde die Sorgen und Mühen des Herrschers vergessen wollte, mit den Klängen seiner Leier erheitern mußte. So wuchs Eginhard mit den eigenen Kindern seines Herrn in traulichem Verhltnisse auf, und der Genius seines Gesanges fand in der blühenden Emma, die im Schmucke himmlischer Schönheit zur lieblichen Jungfrau sich entfaltet hatte, jenes Ideal, dessen Schimmer die Seele des Sängers mit heiligem Feuer erfüllt und in derselben den Quell der ewigen Lieder, der Gesänge des Herzens mit unversiegbarem Segen hervorruft. Der glückliche Eginhard durfte sich nach dem Wunsche ihres Vaters ihr oftmals nahen, der Kaiser verstattete ihm, seinen Kindern Unterricht in der Tonkunst zu ertheilen. Ob Beide diese Stunden sehr streng mit musikalischen Studien ausgefüllt haben, ist unbekannt geblieben, nur so viel ist gewiß, daß ihre Herzen sich finden und verstehen lernten. So hatten sie einst in seligem Selbstvergessen die Nacht herangeplaudert und Eginhard dachte an den Aufbruch, als die Liebenden zu ihrem größten Schrecken bemerkten, wie ein frischgefallener Schnee, der jede Spur eines Fußtrittes aufgenommen haben wurde, den Gang des Geliebten über den Schloßhof verhinderte. Die holde Emma war schnell entschlossen; auf ihren Schultern trug sie die theure Last über den Hof. Allein auch damit war der Verlegenheit nicht abgeholfen, ein verhängnißvoller Mondschein wollte, daß der Kaiser aus einem Fenster mit ansah, wie die Prinzessin den Diener Eginhard durch den Schnee trug. Gesenkten Blickes erschien Eginhard, mit schamerglühten Wangen Emma am andern Morgen vor Karl, dessen strenger Blick den Zitternden bereits ein Urtheil zu verkünden schien, welches zum Mindesten ihre Trennung von einander unvermeidlich auszusprechen drohte. Der Kaiser aber weidete sich nur kurze Zeit an der erzwungenen Fassung seines treuen Eginhard und an der bangen Erwartung der schönen Tochter; er fügte ihre Hände zusammen zum ewigen Bunde, und mit den Thränen der seligsten Erfüllungswonne sank Emma an die Brust ihres Sängers, ihres Geliebten. – Das Historische an dieser Begebenheit ist übrigens in Urkunden nirgend einer Schwester Namens Emma erwähnt, und daß auch Eginhard selbst, der 893 als Abt des von ihm gestifteten Klosters zu Seligenstadt im Darmstädtischen starb, in seiner Geschichte Karl's des Großen, Emma bei der Aufzählung der Töchter des Kaisers nicht nennt, scheint dafür zu sprechen, daß die Erzählung von Eginhard und Emma einer spätern Erfindung, wahrscheinlich der Minnesänger, ihr Dasein verdankt. Der Stoff ist vom Friedrich Baron de la Motte Fouqué (sd.) dramatisch bearbeitet worden.

X.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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