- Emma von der Normandie
Emma von der Normandie die, berühmt und berüchtigt durch ihre sonderbaren Schicksale, war die Tochter des Herzogs Richard II. von der Normandie und mit König Ethelred von England, seit 1016 vermählt, dem sie den Kronprinzen Eduard (als König der Bekenner oder der Heilige genannt), gebar. Intriguen aller Art verunzierten ihr Leben, das durch manche Doppelzüngigkeit, durch manchen Treuebruch, selbst gegen die eigenen Kinder befleckt war. Schon wenige Jahre nach ihrer Verbindung drangen die Dänen siegreich in England ein, und zwangen Ethelred, mit ihr und zwei Söhnen, Eduard und Alfred, zu fliehen, und in ihres Vaters Reiche, in der Normandie, einen Zufluchtsort zu suchen. Hatte Emma dem Könige schon früher Uebermuth, Gewaltthätigkeit und Tyrannei gezeigt, so geschah dieß jetzt, wo sie sich auf eigenem Grund und Boden wußte, noch viel mehr; der schwache Ethelred unterlag der ihm aufgebürdeten Last und starb. Kanut der Große, König von Dänemark, hatte den größten Theil von England besetzt, hoffte es zu behaupten, wünschte jedoch eine Art von Recht zu diesem Besitz zu erlangen, und trug daher der verwitweten Königin seine Hand und den Thron des verlorenen Reiches an. So ward sie zum zweiten Mal, obschon mit Ausschluß ihrer Kinder von der Thronfolge, Königin von England. Als inzwischen Emma 34 Jahre und ihr ältester Sohn 16 zählte, starb Kanut ohne Erben, und so kam trotz jener Bedingung dennoch Eduard zur Regierung. Eduard, sehr kurzsichtig, schwach und leicht zu lenken, überdieß durch die Mutter, welche seine Gefühle oft auf das Härteste beleidigt – gereizt – war geneigt, Alles zu glauben, was man gegen die stolze Frau vorbrachte, und so hatte wer Graf von Kent kaum so vieler Beschuldigungen bedurft, als er gegen sie erhob. Mehrere der Großen waren in sein Interesse gezogen, und bezeugten, daß die Königin hochverrätherische Absichten hege, sich zum dritten Male mit einem fremden Monarchen verheirathen, und England unter fremden Scepter bringen wolle. Sogleich begab der König sich nach Winchester, woselbst Emma ihren Wohnsitz hatte, beraubte sie ohne weitere Vorrede ihrer Schatze, ihrer Güter, ihres ganzen Einkommens, bloß weil sie, wie er sagte, dieselben mit Unrecht erworben, und versetzte sie urplötzlich aus Reichthum und Wohlleben in die drückendste Armuth, in tiefe Noth. In diesem Zustande flüchtete Emma zu ihrem Vetter, dem Bischof von Winchester, welchem sie das ihr widerfahrene Unrecht klagte, und der sie dann, weil sie völlig mittellos war, freundlich aufnahm und unterstützte. Dieser an sich ganz unschuldige Schritt veranlaßte doch neue Auftritte gegen sie, und leicht hatten ihr diese noch gefährlicher werden können, als der Sturm, der kaum vorüber gegangen war; der Graf von Kent beschuldigte sie nämlich eines verbotenen, verbrecherischen Umgangs mit dem Bischof, welches ein Ansehen von Glaubwürdigkeit gewann, weil der Königin früheres Leben wohl nicht ganz vorwurfsfrei gewesen, und sie selbst, obschon nahe an den vierzigen, doch immer noch überaus schön zu nennen war. Diese Anklage ward unterstützt und schwer gewichtig gemacht, durch den Erzbischof von Canterbury, welcher unumwunden erklärte, er wisse, daß die Königin ein anstößiges Verhältniß mit dem Bischof Alvin von Winchester unterhalte, und daß sie in die Ausschließung ihres Sohnes vom Throne gewilligt, ja ihn sogar an der Erlangung desselben gehindert habe. Diese Behauptungen bildeten die Hauptmomente einer Anklage, welche förmlich und gerichtlich gegen sie erhoben wurde; der Erzbischof rief eine Synode zusammen, durch welche die Anklage nochmals geprüft, gegründet befunden, und dann der Königin aufgegeben ward, sich zu reinigen Nach der damaligen schrecklichen Art des gerichtlichen Verfahrens, nach welchem man dem Angeklagten nicht die Schuld bewies, sondern den Beweis der Unschuld von ihm verlangte, war die Königin verloren, wenn der Himmel nicht ein Wunder für sie thun wollte, denn ihr, der kein Beweismittel blieb, ward aufgegeben sich durch die Feuerprobe zu reinigen, indem sie über neun glühend: Pflugscharen gehen sollte. Solchen schrecklichen Prüfungsmitteln mußten immer Hilfsmittel zur Seite stehen, welche die Wirkung derselben zu hemmen, zu hindern vermochten – Künste, in denen die damalige Zeit sehr geschickt war, und so durfte Emma der ihr auferlegten Probe mit vieler Ruhe entgegen sehen. Der verhängnißvolle Tag erschien. Vor der großen Pforte des Domes zu Winchester war ein Platz mit Schranken umgeben, innerhalb welchen neun Henkersknechte beschäftigt waren, die mächtigen Pflugeisen in helles Glühen zu bringen. Um die Schranken waren rings Sitze für den König, die Geistlichkeit und den hohen Adel angebracht, hinter denselben erhob sich amphitheatralisch ein großes Gerüst, auf welchem eine zahllose Menge Platz genommen hatte. Als am Morgen sich das Gericht und seine Beisitzer versammelt hatten, ward Emma noch einmal gefragt, ob sie ihre Schuld bekennen wolle, in welchem Falle ihr lebenslängliche Hast zugesprochen wurde – wollt: sie jedoch nichts eingestehen, und werde sie dennoch schuldig befunden, so müsse sie sterben, und zwar auf die furchtbarste Art, indem ihr das Fleisch mit glühenden Zangen von den Gliedern gerissen würde. Auf die nochmalige Versicherung ihrer Unschuld entblößte sich die Königin bis zu den Knien, und schritt barfuß mit gefaltenen Händen durch das Schiff der Kirche zur offenen Pforte. In diesem Augenblick nahmen die neun Henkersknechte die neun breiten schweren Eisen aus der Kohlpfanne, und legten sie in einer Linie vor ihr nieder; betend mit gen Himmel gerichtetem Blick durchschritt die Königin das hohe Thor und betrat den heißen gefährlichen Weg, und als ginge sie auf einem weichen Teppiche, so schritt sie unverletzt, lächelnden Angesichts darüber hin. Diese Angabe der Sache ist vollkommen factisch, und kann nicht bezweifelt werden, sie beweist nur, bis zu welchem Grade man die Täuschung treiben, wie man sich vor dem Eindruck des Feuers schützen konnte. Nach glücklich bestandener Feuerprobe dankte sie dem Himmel, daß er ihre Unschuld auf eine so glänzende Art habe an den Tag kommen lassen, und wollte sich entfernen, doch der König erhob sich von seinem Sitz, warf sich ihr zu Füßen, bat sie um Verzeihung, erklärte, ihr alle ihre Güter zurückgeben, und Alles ersetzen zu wollen, was er ihr geraubt, und beschenkte noch überdieß das Bisthum Winchester reichlich. Die Eisen befinden sich zum Andenken an jenes Wunder noch jetzt in der Domkirche des genannten Ortes; Emma aber, um auch ihrerseits dem Himmel für seine Gnade zu danken, schenkte alle ihre Güter dem Bisthum Winchester, und bezog ein Gebäude nahe an dem Bischofssitz, welches nach ihrem Tode zu einem Nonnenkloster eingerichtet werden sollte. Dort beschloß sie ihr Leben, wenn man der Chronik trauen darf, frömmer und heiliger als ihr Lebenswandel gewesen.
V.
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