- Kirchenstaat
Kirchenstaat, das weltliche Besitzthum des Papstes in Italien, zwischen Toscana, der Lombardei und Neapel, im Osten vom adriat., im Westen vom mittell. Meere begrenzt, umfaßt 812 Quadrat M. und hat 2,600,000 Ew. Das Land, größtentheils gebirgig, wird im Osten und Norden von den Apenninen durchzogen, von dem Po und der Tiber bewässert und hat große Ebenen nur im Norden am Po und südlich bei Rom, die Campagna und die pontinischen Sümpfe (s. d.). Das Klima mild, wie jenes Toscana's, ist im Süden so warm, daß die Orangen im Freien gedeihen. Hier aber herrscht auch im Sommer die Malaria und der Sirokko, im Winter dagegen nur ausnahmsweise Frost und Schnee. Wintermonate sind bloß Regenzeit. Man pflanzt Tabak, Hanf, Flachs, Waid, Safran, Saflor etc., wenig Getreide, viel türkischen Weizen, und verwendet verhältnißmäßig geringe Sorgfalt auf den Wein- und Oelbau und baut überhaupt viel weniger als man könnte. Die Bienenzucht ist bedeutend, und die Seide des Kirchenstaates gilt für die beste Italiens. Der Bergbau wird vernachlässigt und nur Schwefel, Vitriol, Salpeter und Seesalz gewonnen. In Bezug auf Industrie sind die Gerbereien, die Saiten-, Draht- und Eisen-Fabriken zu erwähnen. Für die schönen Künste herrscht große Vorliebe, allein nur der Adel und die geistlichen Stifter sind reich, der Bürger und Landmann aber arm und das gemeine Volk demoralisirt und unwissend. Im Allgemeinen sind die Einw. des Kirchenstaates ein schöner Menschenschlag mit edler Physiognomie, dunklem Teint, schwarzen Augen; malerisch ist die Tracht der Landbewohnerinnen. Des Landes Glanz und Größe concentrirt sich in Rom (s. d.), das einst weltbeherrschend, jetzt nur einen matten Schimmer seiner vergangenen Glorie zeigt; nach ihr ist Bologna (s. d.) die größte Stadt. Das Reich wird, mit Ausnahme Roms, in 18 Delegationen getheilt, an deren Spitze Kardinäle stehen. Die Gründung des Kirchenstaates fällt in das Jahr 754, wo der fränkische König Pipin dem Bischof von Rom, Stephan 11., das Herzogthum Rom schenkte. Karl der Große bestätigte diese Schenkung, so wie Mehrere seiner Nachfolger; doch blieb das päpstl. Gebiet noch immer der Oberherrschaft der Kaiser unterworfen. Spätere Päpste aber machten sich unabhängig und ihre geistige Macht breitete sich so aus, daß sie in den Händeln der europäischen Fürsten diktatorisch entschieden, Kaiser und Könige absetzten, Länder vertheilten etc. Durch Schenkungen der Markgräfin Mathilde (s. d.), der erbitterten Feindin der deutschen Kaiser, wurde das Gebiet 1077 und 1102 bedeutend vergrößert. Unter Innocenz III., 1198, erreichte die päpstliche Macht die größte Höhe, die Hohenstaufen wurden aus Sicilien und Neapel vertrieben. Die polit. und geistige Umgestaltung des Völkerlebens in Folge der Kreuzzüge brach nach und nach die gewalt des päpstlichen Stuhles, dessen Uebergewicht die Reformation noch mehr einschränkte. Eine Zeit lang residirten die Papste zu Folge der häufigen Kirchenspaltungen und der öftern Wahl der Gegenpäpste, zu Avignon. Im 16. und 17. Jahrhundert wurde dessen ungeachtet das Gebiet des Kirchenstaates noch vergrößert durch die Erwerbung der Marken: Ancona, Fermo, Macerata etc. Nach dem Erlöschen des Hauses Este wurde Ferrara in Besitz genommen, später Urbino und Benevent mit Rom vereinigt. Reich und mächtig war der Kirchenstaat, als aus dem ganzen christlichen Europa fromme Spenden hier zusammenströmten, was im Laufe der Jahrhunderte freilich bedeutend abgenommen hat. 1797 wurde der Kirchenstaat durch die Franzosen besetzt, 1798 zur römischen Republik erhoben, 1800 wieder hergestellt, 1809 mit Frankreich vereinigt, 1814 aber in den alten Zustand wieder eingesetzt. – Im Allgemeinen sind die Bewohner des Kirchenstaates wegen ihres häufigen Verkehrs mit Fremden, gegen Andersglaubende viel toleranter, als die übrigen Italiener.
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http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.