- Oculiren
Oculiren (Pfropfen, Impfen, Aeugelen, Copuliren), Veredlung der Obstsorten durch Kunst, gewöhnlich oculiren genannt. Eine sehr alte Kunst, deren schon Cato (230 Jahr vor Christi Geburt) erwähnt. Einheimische Gewächse werden hauptsächlich deßhalb gepfropft, weil man von gepfropften Bäumen eher Früchte erwarten darf, als von den bloß aus Samen gezogenen; und weil man dadurch auch schlechte, unfruchtbare, die im Ganzen weit leichter zu ziehen sind, fruchtbar machen kann. Aus fremden Ländern versetzte Obstbäume verlieren in einem minder günstigen Klima ihre ursprüngliche Güte, und würden ohne solche Nachhilfe sehr bald ausarten. Das eigentliche Oculiren, Pfropfen oder Aeugelen, besteht darin, daß man einen Zweig oder ein Auge von einem edlen Obstbaume sorgfältig ablöst, in die zarte Rinde eines kleinen Stammes einsetzt, mit Bast verbindet, bis es angewachsen ist, und dann den Stamm dicht über dem Auge oder dem Zweige abschneidet. Diese Operation geschieht entweder zu Johannis oder im Herbste. Fast alle Obstbäume müssen gepfropft werden, weil die bessern Sorten selten bloß durch Erzeugung aus dem Samen zu erhalten sind, daher aus Zweigen, sogenannten Ablegern oder Absenkern, gezogen werden müssen, welche vor dem Tragen der Früchte der künstlichen Procedur des Oculirens bedürfen. Doch nicht allein bei jungen Stämmen bedient man sich dieses Mittels, edles Obst zu erhalten, sondern auch bei ältern, auf denen man nach Belieben jede Gattung pfropfen kann, nur muß die natürliche Verwandtschaft des Grundstammes zum Pfropfreis berücksichtigt werden. Das aufgepfropfte Reis nimmt von den Eigenschaften des bestehenden Stammes nur wenig an, höchstens frühere Reise (wenn Spätobst auf einen Frühobstbaum gepfropft) oder Abhärtung gegen Frost, niemals aber das Herbe oder Bittere seiner Früchte, wie denn unter andern auf herben Schlehen die schönsten Reineclauden gedeihen. Die Auswahl der Pfropfreiser und Augen ist bei der künstlichen Verfahrungsart sehr zu beachten. Der Baum, von dem sie genommen, muß vollkommen gesund, nicht zu alt, das Reis einjährig und kein Fruchtreis sein.
L. M.
http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.