Tripolis

Tripolis

Tripolis, östlich von Tunis (s. d.) gelegen, ein nicht bestimmt begrenzter Theil der großen afrikanischen Wüste, wo fruchtbare Streifen mit großen, unabsehbaren Sandstrecken abwechseln und die Bergkette Ghuriano ihren versöhnenden Felsenschatten über die heißen Flächen in der Mitte des Landes breitet. Gegen Osten dürfte das Kap Razatin oder der Busen von Bamba die Grenze bilden. Die Küstenlänge beträgt ungefähr 225 Quadrat M. Im Süden erhebt sich das Basaltgebirge Harudsch, welches sehr fruchtbare und blühende Ebenen von einander trennt und inselförmig einschließt, wie die dattelreiche Oase von Siwah, wo die Trümmer des Ammontempels den ehrwürdigen Sitz früherer Menschenkultur bezeichnen. In andern Gegenden benetzt kein Thau, kein Regen die öden Flächen und entwickelt im glühenden Schoße der Erde den Keim des Pflanzenlebens. Denn heiße Luftsäulen steigen überall aufwärts, lösen die Dünste und verscheuchen das vorübereilende Gewölke. Die Winde des atlantischen Oceans kühlen jedoch die Küste, welche mit niedrigen Sandhügeln bekränzt ist, die aus lauter kleinen Conchylien bestehen und weiter gen Osten sich an Kalkberge anschließen, die allmälig eine Höhe von 1500 F. über das Meer erreichen. Hier erheben auch die Vorgebirge Ras Sem oder Rafat, Mefurata und Zoar ihre leuchtenden Kronen über die dunkelblaue Atlantis und zwischen ihnen breitet sich der Meerbusen von Sydra, die »große Syrte« wie eine riesige Perlenmuschel aus. T's schönste Krone aber sind die Trümmer des Alterthums, wo noch die Musen weilen, um zu klagen über die vergangene Herrlichkeit. Denn der Geist dreier großer Völker der Vorzeit, der Aegypter, Griechen und Römer, reicht sich hier über den Ruinen die Hände und wartet eines neuen Tags seiner Auferstehung, wenn T., das trotz seiner aufgeklärten Verwaltung noch immer halbbarberische, sich in einen Wohnsitz der Künste des Friedens und der Humanität verwandelt haben wird. Das ganze, oft so nackte oder armselig gekleidete Land ist umwallt in reichster Fülle von diesen goldenen Purpurstreifen aus dem klassischen Mantel der Vergangenheit. Rom's Geist waltet noch sichtbar unter den Ruinen und rauscht siegreich mit seinen Adlerfittigen über das Steinmeer der versunkenen Stätten. Im Geiste Griechenlands erhoben sich hier einst stolze Tempel und Altäre und in dem blühenden Kyrene, der Vaterstadt des geistvollen, edlen Aristipp, berührte sich verständnißinnig in liebender Umarmung die griechische mit der ägyptischen Kunst. Erquickung schöpft der Wanderer aus diesem Anblicke; denn nur zu oft fehlt in der dürren Fläche den brennenden Gliedern sinnliche Erquickung. Kein Fluß von Bedeutung schlängelt seinen Silberfaden durch das Land. Und doch liefert es schöne Wolle, Getreide, Safran, Lotusbohnen, Salz, Pferde und Häute. Die meisten Haupthandelsgegenstände, wie Straußfedern, Elfenbein, Gold, Sennesblätter, Sclaven, Gummi etc. kommen jedoch durch Karawanen aus andern Ländern. Außer den zahlreichen Juden besteht die Bevölkerung aus nonadischen Arabern und den Nachkommen jener Mauren, die Spanien verlassen mußten, und auch hier wie einst auf der pyrenäischen Halbinsel ihren stillen Fleiß und sanften Charakter bewahrten. Hohe Schönheit zeichnet ihre Frauen als Abkömmlinge der reizenden Andalusierinnen aus. Noch leben die Ueberlieferungen über ihre Heimath und das goldene Granada in dem Munde des Volkes, und erben zugleich mit den Schlüsseln seiner alten Wohnungen jenseit des Meeres, mit religiöser Sorgfalt in den Familien fort. Die Christensclaverei, sowie die Seeräuberei, sind beide abgeschafft, und die Ew. fangen immer mehr an, Geschmack an der Civilisation zu finden. Bis jetzt beschäftigen sich jedoch freilich die Manufacturen des Landes nur mit Verfertigung von groben Teppichen, Barakens oder Mänteln von gelbem und rothem Maroquin und von Potasche. In Tripolis werden jährlich 5000 Ziegenfelle verarbeitet. Früher in den Händen der Spanier, wurde T. 1551 von einem türkischen Seeräuber, Dragut, erobert, blieb Jahrhunderte hindurch ein Erbbesitz der Familie Caramanli, und ist jetzt, nicht wie früher bloß dem Namen nach, eine wirkliche türkische Provinz, an deren Spitze ein Pascha steht, der alljährlich auf die Dauer eines Jahres von der Pforte ernannt wird. Die ganze Bevölkerung der tripolitanischen Küste soll sich nicht über 650,000 Seelen belaufen. – Die Hauptstadt Tripolis oder Tarablus liegt in der westlichen Küstenprovinz auf einer ins Meer vorspringenden Landzunge und hat 25,000 Ew., darunter 2000 Juden. Der Hafen ist nicht groß, hat aber die an der afrikanischen Küste höchst seltene Eigenschaft, das ganze Jahr hindurch ein sicheres Asyl für Schiffe zu sein. Die öffentlichen Gebäude, unter denen sich der Palast des Pascha und die weitläufigen Karawanserais auszeichnen, sowie die Paläste der Großen sind aus Stein gebaut; das gemeine Volk dagegen wohnt in Häusern aus gestampfter Erde. Die Stadt ist reich an Alterthümern; vorzüglich ziert sie ein prachtvoller, mit Inschriften und Bildereien bedeckter Triumphbogen aus Marmor, welcher dem größten der Cäsaren, dem tugendhaften Mark Aurel, angehörte. Vorn vom Meere begrenzt und von drei Seiten in der Ferne von Reihen unfruchtbarer Sandhügel umgürtet, liegt T. selbst wie in einer Oase, in einer der herrlichsten Landschaften. Aus dem schönen Laube der südlichen Vegetation schimmern niedliche Landhäuser entgegen, überschattet vom duftigen Grün der Palmen, Pomeranzen- und Citronenbäume, zwischen denen kolossale Feigenstämme schattirend ihre dunkeln Aeste ausbreiten. Wogende Saaten und die üppigste Pflanzenwelt bedecken in reichster Abwechselung den Boden, wo Afrika's Sonnenstrahlen, gekühlt von dem Wehen des Meeres, alle Früchte der Hesperiden zeitigen. – Außer T. sind die merkwürdigsten Orte: der kleine Hafen Alttripolis, der villareiche Ort Misisieh, die Städte Gadames, Mesurata etc.

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http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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