Adelheid, Königin von Großbritannien

Adelheid, Königin von Großbritannien

Adelheid, Königin von Großbritannien Amalia Louise Therese, Tochter des letztverstorbenen Herzogs Georg von Sachsen-Meiningen und der Prinzessin Louise Eleonore von Hohenlohe-Langenburg, erblickte am 13. August 1792 in der kleinen Residenz ihres Vaters das Licht der Welt. Sie wurde von dem Lande, das jenen gütigen, väterlich für seine Unterthanen sorgenden Fürsten aufrichtig verehrte, mit ungemeinem Jubel begrüßt, da sie nach einer mehrjährigen kinderlosen Ehe ihrer Aeltern, als Erstgeborne die schon fast aufgegebene Hoffnung auf einen dereinstigen Erben neu belebte. Indessen, eine so willkommene Erscheinung ihre Geburt auch war, so ahnete doch Niemand, daß diese Prinzessin, die unter der Leitung sorgsamer und vernünftiger Aeltern eine einfache, aber in allem Guten befestigende Erziehung erhielt, einst einen der glänzendsten Throne Europa's besteigen werde. Mit den Geschwistern, die nach ihr geboren wurden, der Prinzessin Ida und dem jetzt regierenden Herzog Bernhard Erich Freund von Sachsen-Meiningen, genoß sie die unschuldvollen Freuden einer ungetrübten Jugend, und fühlte sich durch die Einigkeit und gegenseitige Liebe der Ihrigen vollkommen glücklich. Als ihre Schwester sich den 16. Mai 1816 mit dem Herzog Bernhard von Sachsen-Weimar vermählte, strebte sie, die dadurch im Familienkreise entstandene Lücke durch eine wo möglich noch innigere Aufmerksamkeit und Hingebung auszufüllen, und ob es gleich nicht wahrscheinlich war, daß sie bei ihrer persönlichen Anmuth, ihrem Geist und liebenswürdigen Charakter ungesucht und unvermählt bleiben werde, so läßt sich doch die leise Hoffnung der nur in ihren Kindern lebenden Mutter begreifen, daß sie sich in dieser Tochter den Schmuck ihres Hofes und den Trost ihres Alters, von keiner Trennung gestört, erhalten dürfe. Sie fühlte sich daher auf das Schmerzlichste bewegt, als zwei Jayre nach der Vermählung der Prinzessin Ida, eine geheime Bewerbung von großbritannischer Seite um die Hand der Prinzessin Adelheid erschien, deren Tugenden und einnehmende Persönlichkeit der Ruf längst über das Meer getragen hatte. Nicht nach gewöhnlicher fürstlicher Sitte ward hier geworben, denn der König von England (damals Herzog von Clarence), ob er gleich nicht das geringste Mißtrauen in alle die Vorzüge setzte, welche das Gerücht ihm bereits von der Prinzessin verkündet hatte, wollte doch mit eigenen Augen sich überzeugen, ob sie ihm auch persönlich zusage, und zu einer Gefährtin seines Lebens sich eigne. Da eine bloße Convenienzheirath seinem seinen Gefühle widerstand, so wünschte er auch die Prinzessin in den Stand zu setzen, frei zu urtheilen, ob er so glücklich sein werde, ihr zu gefallen. Es wurde daher noch ein tiefes Geheimniß aus diesen Mittheilungen und Verhandlungen gemacht, deren Resultat für's erste eine vorgeschlagene, ganz unbefangen scheinende Zusammenkunft in irgend einer Gegend Deutschlands war. Dort wollte man bei einem scheinbar zufälligen Begegnen sich gegenseitig prüfen, ob man für einander passe, und – sei es nicht – den Zungen und Zeitungen keinen Stoff zu vorlauten Bemerkungen geben, sondern eben so behutsam und schonend sich wieder von einander entfernen, als man sich genähert hatte. Die Prinzessin, Muth, Kraft und Willen zum Antreten eines größeren Wirkungskreises in sich fühlend, lehnte diese Vorschläge nicht ab, und der Ort der Zusammenkunft war bereits bestimmt, als der plötzlich verschlimmerte Gesundheitszustand der längst schon kränkelnden verwitweten Königin von England es dem Herzog zur Pflicht machte, in ihrer Nähe zu bleiben. Mittlerweile hatten aber das Benehmen der Prinzessin und ihre Briefe seine Achtung für sie so gesteigert, daß es keinen Zweifel mehr bei ihm zuließ, er werde in ihr die würdigste Wahl für sein ganzes Leben treffen. Er bat sie daher, unterstützt von den Wünschen seiner Mutter, so wie von denen des Königs Georg IV., der sich sehnte, seinen Bruder und einstigen Erben seiner Krone glücklich vermählt zu wissen, sich über die Vorurtheile gewöhnlicher Frauen hinauszusetzen, und – da es ihm unmöglich sei, für jetzt das feste Land zu betreten – nach England zu kommen, um dort seine persönliche Bekanntschaft zu machen. Die Prinzessin bewilligte auch dies, und fand schon beim ersten Berühren der britischen Küste den schmeichelhaftesten Empfang, so wie späterhin die freundlichste Aufnahme und Anerkennung in der königlichen Familie. Die günstigen Erwartungen, mit denen sie gekommen, und zu denen sie berechtigt war, wurden durch ihre eigene Wahrnehmung des wohlwollenden und edlen Charakters des Herzogs, so wie seines einfachen aber ritterlichen Wesens weit übertroffen, und mit der vollen Ueberzeugung, glücklich zu machen, und glücklich zu werden, gab sie seinen Wünschen nach, und verlobte ihm Hand und Herz. Die Königin Mutter war noch, wiewohl bereits in einem sehr hinfälligen Zustande, da sie an der Brustwassersucht litt, der sie bald darauf erlag, Zeugin der Vermählung ihres Sohnes, die unter ihren Augen, so wie unter denen der verwitweten Herzogin von Sachsen-Meiningen vor sich ging. Gleich nach der Trauung folgte das fürstliche Paar der englischen Sitte, welche Neuvermählten einige Tage die einsamste Zurückgezogenheit von der Welt gestattet. Der Herzog führte seine Gemahlin nach einem Landhaus, und hier wagte sie die erste Bitte an ihren Gemahl, durch welche sie seine Liebe zu ihr nur vermehrte, so wie seine Hochachtung für sie steigerte. Es waren ihr nämlich seine früheren Lebensverhältnisse bekannt geworden, und sie wußte, daß er aus einer zwar nicht legitimen, aber von ihm wie eine Ehe geachteten Verbindung, mehrere Kinder besaß, für die er mit väterlicher Zärtlichkeit sorgte. Die Mutter derselben war gestorben, und sei es, daß er fürchtete, die Prinzessin möchte Anstoß an diesen vieljährig bestandenen Verhältnissen nehmen, und daß er glaubte, es sei besser für sie, ihr dieselben zu verschweigen – genug, er hatte ihrer nicht gegen sie erwähnt. Deßhalb mußte ihre innige und kühne Bitte: er möge ihr erlauben, seinen Kindern Mutter in der vollsten Bedeutung dieses Worts sein zu dürfen, sein Gemüth auf das Tiefste rühren und bewegen, und seine hohe Meinung von dem vortrefflichen Charakter seiner Gemahlin für immer feststellen. Freudig gewährte er ihr edles Verlangen, und sie hielt redlich Wort. In ihre engste Nähe gezogen, von ihr geleitet, mütterlich geliebt, und als sie erwachsen waren, nach ihren Neigungen glücklich verheirathet, bildeten sich seine Töchter neben ihr zu ausgezeichneten Frauen, die einer solchen Erzieherin Ehre machen. Auch seinen Söhnen, unter dem Namen: Fiz-Clarence bekannt, war und ist sie eine sich immer gleich bleibende mütterliche Freundin, die auf ihre Schicksale stets den liebevollsten Einfluß hatte. Leider sind ihre eigenen Kinder, deren sie dem König mehrere gebar, als zarte Knospen früh dahin gewelkt, ohne durch Aufblühen und Gedeihen ihrem reinen Herzen die höchste irdische Wonne zu gewähren; aber Religion und sanfte Ergebung in den Rathschluß einer höhern Macht haben sie über diese so tief von ihr empfundenen Verluste hinweggehoben, und Balsam in die Wunden ihres Innern gegossen. In der Zufriedenheit ihres Gemahls und in der Liebe und Verehrung des Volks findet sie Ersatz für das ihr vom Schicksale nicht vergönnte Mutterglück. Die Verleumdung wußte zwar einst den Schein auf sie zu werfen, als habe sie sich unberufen in wichtige Angelegenheiten gemischt; doch wie das Gute, wenn es sich treu bleibt, immer siegreich aus dem Kampfe mit dem Bösen hervortritt, so hat auch sie sich bald gerechtfertigt, und ist nach wie vor der Gegenstand von Großbritanniens innigster Hochachtung.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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