- Braut und Bräutigam
Braut und Bräutigam, Diese Namen bezeichnen das schönste und zarteste Verhältniß, welches hienieden zwischen Personen beiderlei Geschlechts denkbar ist. Wenn die Herzen sich gefunden, der Mund den heißen Wunsch des Besitzes ausgesprochen und erwiedert, und alle etwanigen Hindernisse einer dauernden Vereinigung beseitigt worden, tritt der Augenblick des festen Versprechens, des Bindens durch Worte, des eigentlichen Verlobens (s. Verlobung) entweder vor Zeugen, oder nur vor Gottes Angesicht ein, und nachdem sich das Paar gelobt, sich treu zu lieben und fest an einander zu hangen, heißt das Mädchen Braut, der Mann Bräutigam. Sie führen diesen Namen, bis des Priesters Segen den Bund vor dem Altar noch fester geschlossen, ihr Schicksal unwiederruflich an einander geknüpft hat. Will man Beide mit Einem Wort bezeichnen, so nennt man sie Brautpaar, Verlobte, welchen letzteren Namen auch die Braut allein erhält, der Bräutigam den des Verlobten. Die Zeit nach dem gegebenen Jawort bis zum ersten Augenblick des unauflöslichen Bündnisses heißt der Brautstand, und dieser muß, ist er rechter Art, den Vorschmack des Himmels auf Erden, die höchste irdische Seligkeit gewähren; alles Schöne und Edle, was noch im tiefsten Innern geschlummert, entwickeln, und die kalte, nüchterne Prosa aus dem Leben verbannen. Eine glückliche Braut ist nicht allein für den Bräutigam, sondern auch für alle diejenigen, welche Theil an ihr nehmen, der wohlthuendste, erfreulichste Anblick Das beseligende Gefühl, gefunden zu haben, was die Vorsehung ihr zu ihrem Heil beschieden, erfüllt ihr Gemüth mit Ruhe und Sicherheit; der Wunsch zu beglücken, dauernd zu gefallen, das Herz des Geliebten ganz auszufüllen, weckt alle ihre Geistes- und Seelenkräfte, und jeder Blick strahlt Freude, jedes Wort, der ganze Ausdruck zeigt von Befriedigung, Dankbarkeit, Hoffnung. Wollte Gott, wir könnten ein solches Bild von allen Bräuten entwerfen! Doch leider gibt es nicht lauter glückliche Bräute, und nur zu oft steht ein kaltes, gleichgiltiges Benehmen mit diesem wärmsten und innigsten Verhältniß im schneidendsten Contrast. Wo die speculirende Vernunft Verbindungen schließt, die strenge Pflicht Bande knüpft, an denen das Herz keinen Theil nimmt, wenden wir unsern Blick bedauernd von der Braut hinweg. Und wenn wir vollends die Unglückliche durch Nothwendigkeit, oder elterliche Härte in einen Stand gezwungen sehen, der nur aus der freiesten Wahl ergriffen werden muß, da weihen wir ihrem Schicksal eine Thräne, und bitten Gott, uns vor ähnlichem Jammer zu bewahren. – Den Ursprung des Ausdrucks Braut zu erforschen, möchte kein kleines Unternehmen sein, da bekanntlich die Sitte des Heirathens und vorhergehenden Verlobens ziemlich so alt wie die Welt ist. Daß man hierbei jedoch verschiedene Gebräuche beobachtet hat, und noch jetzt in verschiedenen Ländern beobachtet, ist eben so bekannt. Doch möchte sich eine genauere Beschreibung derselben eher für die Artikel Verlobung und Hochzeit, als für den der Braut eignen; und so bliebe uns nur im Allgemeinen zu berichten, auf welche Weise und unter welchen Bedingungen die Jungfrau bei einigen Völkern der Vorzeit den Brauttitel erhielt, und jetzt im 19. Jahrhundert erhält. Bei den alten Griechen wählte der Vater den Gatten für die Tochter, Braut und Bräutigam reichten sich mit den anwesenden Verwandten als Unterpfand der Treue die Hand, schworen sich Liebe, und gaben sich den ersten Kuß. Bis zur Vermählung schmückte der Bräutigam die Thür der Braut mit Blumenkränzen und suchte ihr durch andere Aufmerksamkeiten seine Liebe zu beweisen. – Der Neugrieche wählt die Braut entweder selbst aus Neigung oder wird schon im zartesten Alter mit ihr von den beiderseitigen Eltern verlobt. – Der Römer erkor zwar die Braut nach eigener Wahl, doch mußte sie von sämmtlichen Eltern und Verwandten gebilligt sein. – Die jetzige Italienerin folgt meistens nur ihrer Leidenschaft, die sie gewöhnlich schon sehr früh in den Brautstand versetzt. – Die alten Hebräer, wie ihre Abkömmlinge, die heutigen Juden, überlassen die Wahl der Braut oder des Bräutigams selten, wenigstens nie allein, den dabei betheiligten Personen, sondern es entscheidet der Wille der Eltern. Das Mädchen wird entweder vom Vater des Bräutigams, oder von einem sogenannten Freiwerber geworben, der dafür in der Regel ein Geschenk erhält. – Der Araber läßt durch einen Verwandten um die Braut bei ihrem Vater anhalten, und sich über den Kaufpreis vereinigen. – Der Türke empfängt und verabschiedet seine Braut ohne alle Feierlichkeit; eben so der Perser, dem es frei steht, sich ordentlich zu verheirathen oder eine Frau zu miethen. – Die Chinesen verloben ihre Kinder oft schon vor der Geburt oder im zartesten Alter, und Braut und Bräutigam dürfen sich vor der Hochzeit nie sehen. – Der Kamtschadale läßt seinen künftigen Schwiegersohn bald eine längere, bald eine kürzere Zeit in seinem Hause um die Braut dienen, doch bleibt es dieser freigestellt, ob sie den arbeitenden Bewerber annehmen will oder nicht. – Bei den Letten und Esthen macht der Branntwein den Freiwerber um die Braut, und erst wenn dieser von den Eltern oder Angehörigen des Mädchens angenommen und getrunken worden ist, kann der junge Mann die Begehrte (falls er auch ihrer Liebe gewiß war) als Braut betrachten. Dann folgen die Feierlichkeiten der Verlobung, welche seltsam genug sind. – In der Provinz Quito werden diejenigen Mädchen zu Bräuten am häufigsten gesucht, welche die meisten Anbeter haben. Da die darauf folgende Ehe jedoch ohne alle Ceremonien geschlossen wird, ist es dem Mann auch erlaubt, die Braut unter dem Vorwand, daß sie noch keine Liebhaber gehabt, wieder zurück zu schicken. – Bei den Hottentotten gehen Vater und Sohn, Tabak rauchend, auf die Brautwerbung aus, und nur wenn das Mädchen schon versprochen ist, darf ein Korb gegeben werden. – Bei einigen heidnischen Völkern in Amerika wird die Braut 40 Tage eingesperrt, weil man den Aberglauben hegt, daß Verlobte Alles verderbten, was sie anrührten. Auch wird ihnen in dieser Fastenzeit nur die nöthigste Nahrung, das Leben zu fristen, gereicht, weßhalb sie denn am Hochzeittage eher Leichen, als reizenden Bräuten ähnlich sehen. In den meisten europäischen Ländern ist die Art und Weise, in den Brautstand zu treten, sich überall ziemlich gleich, und nur die eigentlichen Verlobungs- und Hochzeitfeierlichkeiten erleiden mancherlei Veränderungen. Als Ausnahme von der allgemeinen Regel muß ein Gebrauch bei den Herrnhutern angeführt werden, der erst vor Kurzem, wie man sagt, aufgehoben worden sein soll. Es fand nämlich keine Wahl bei beiden, sehr streng von einander geschiedenen, in abgesonderten Wohnungen lebenden Geschlechtern Statt; (siehe den Art. Herrnhuter), sondern das blinde Loos entschied über den wichtigsten Schritt im Leben. So machte also die Nummer die Braut. – Unter den wenigen Gebräuchen des Alterthums (in Bezug auf die Braut), die sich bis zu unsrer Zeit erhalten haben, bemerken wir die Sitte des Brautführers oder Brautdieners. Diese Männer pflegten sonst nahe Verwandte der Braut oder deren Eltern zu sein, wenigstens Pathen. Sie führten die Braut zum Altar und nachher in das Haus des Ehemanns, sorgten für richtige Ablieferung des Mahlschatzes u. s. w., und vertraten selbst bei Lebzeiten des Vaters die Stelle des Aufsehers und Beschützers. Dem Brautführer jetziger Zeit liegt nur das Geschäft ob, die Braut dem Bräutigam am Altar zuzuführen, während diesem dieselbe Ehre von einer weiblichen Hand widerfährt.
L. M.
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