- Dresden
Dresden. Wenn der Frühling die Fluren und Wälder des mittleren und südlichen Deutschlands früher mit seinem Grün und seinem Blüthenschnee schmückt, als jene der nördlichern Grade, dann pilgern die gebildeten und wohlhabenden Bewohner Norddeutschlands und Nordeuropa's nach dem schöneren Süden und Südwesten, entweder in die heilbringenden Bäder oder in die reizenden Rheingegenden, nach der Schweiz, Italien, Südfrankreich etc. Für die Gäste aus Nordosten ist Dresden gewissermaßen ein Ruhepunkt und Sammelplatz. Wie die Zugvögel rasten sie hier aus, mitten unter Reizen der Natur und Kunst und stärken sich zur Weiterreise nach dem lockenden Ziel. – Dresden ist so der Uebergangspunkt vom Norden nach dem Süden; der nordische Wanderer tritt hier wie durch eine Blumenpforte in eine romantischere Natur, unter einen milderen Himmel. – Und wie lockend, reizend, überraschend muß ihm diese Stadt erscheinen, majestätisch ausgestreckt an beiden Ufern der Elbe, umgeben von einem Kranze anmuthiger Berge und Thäler, mit den ragenden Thürmen, dem kühngespannten Brückenbogen, dem breiten Strome, auf welchem zahllose Wimpel flattern, den paradiesischen Fernsichten, dem feierlichen Glockengeläute, der emsigen Regsamkeit der Einwohner, den schönen Palästen mit italischem Charakter, den malerischen Umgebungen! – Dresden ist ein Paradies für die Nordländer, wenn der Frühling sein blaues Gezelt über die Berge gespannt und Thal und Höhe mit smaragdenem Teppich bekleidet hat. – Schon erblickt man hier mehr südlichen Charakter, südliche Regsamkeit, ohne schroffe Formen; Alles bildet einen sanften, erquickenden Uebergang, die Natur, die Bauart, die Menschen. Wer diese Stadt zuerst Elbflorenz nannte, hat keine Uebertreibung begangen, denn Dresdens wissenschaftliche und Kunstmuseen: die Bildergallerie, die Antikensammlung, das Mengs'sche Cabinet, das der Kupferstiche und Münzen, das grüne Gewölbe, die Rüstkammer, die Bibliothek, das Naturaliencabinet, die Sammlung der Porzellangefäße etc. geben ihm eine europäische Bedeutung. Nicht nur der Naturfreund, der Luftreisende, sondern auch der Künstler und Kunstfreund lenkt hierher, wie nach einer Kaaba, gern seine Schritte. Und dieselbe Erscheinung des Zudranges so vieler Fremden, so vieler Lebensfröhlichen und Bewunderer wiederholt sich auch im Herbste jedes Jahres, wo die nordischen Gäste aus dem Süden kommend nach der Heimath ziehen. Dresden hat so zwei Glanzmomente im Jahre – aber Kunst, Natur und Intelligenz schmücken es auch außer dieser Zeit mit Glanz aus. Hier ist ein Theater, das zu den bedeutendsten Deutschlands gehört, wo eine der ersten Sängerinnen unserer Zeit: Wilhelm Devrient-Schröder, zur Bewunderung hinreißt; hier ein Verein gelehrter, geist- und talentvoller Männer: begabte Maler, Componisten, Dichter und Dichterinnen, hier eine Vielseitigkeit und Freiheit der geselligen Ausbildung, die sich bis in die unteren Klassen erstreckt. Hier die genannten Kunstinstitute, ein glänzender Hof, eine gerühmte Kapelle, prächtige Kirchen, Privatsammlungen, gelehrte und gesellige Vereine, die trefflichste Straßenbeleuchtung, die größte Humanität der Behörden gegen Fremde, herrliche Spaziergänge und Lustörter: die Brühl'sche Terrasse, der große Garten, Link's Bad, Findlater's Weinberg; paradiesische Umgebungen: Loschwitz, der Plauen'sche Grund, die überaus malerische sächsische Schweiz, Pillnitz, Moritzburg, Tharand, Schandau etc. – Alles ringsum ein Garten, bis an die böhmischen Gebirge hin! – Selbst der Winter vermag nicht dieser pittoresken Umgebung ihre Reize zu rauben! –. Zahlreiche Concerte ergötzen den Musikfreund in jeder Jahreszeit, ein zweites Theater erheitert im Schatten grüner Bäume an Sommerabenden auf dem Link'schen Bade; zwei Volksfeste: das Fischerstechen und das Schießen auf der Vogelwiese, tragen einen eigenthümlichen Charakter. Und wie die Natur hier schon Viel für die Menschen gethan, so schmücken auch diese die heitern Räume durch Frohsinn, Geselligkeit, Regsamkeit, Fleiß und höhere Schwungkraft aus, wie man es weiter nach Norden hinauf selten findet. – Die hiesige Heiterkeit trägt schon mehr den südlichen Charakter. Die Liebenswürdigkeit der Dresdnerinnen ist sprichwörtlich; sie sind gebildet und nicht überbildet, geistreich, gesprächig, intelligent, poetisch; elegant in der Tracht und nicht modisch überladen; vergnügt, aber nicht vergnügungssüchtig; fromm, aber nicht frömmelnd. Ihre Nähe ist wohlbehaglich, ihre Unterhaltung anziehend, sie sind zuvorkommend gegen Fremde, ermuthigen den Schüchternen, bleiben aber stets in den Schranken der Sittsamkeit und Grazie. Selten findet man hier eine Spur von Coquetterie, Alles ist abgeschliffen; jeder gebildete Fremde hat gleichen Anspruch auf Artigkeit; der Abenteurer blendet, imponirt nicht. Es ist eine große Stadt, ohne die Laster und schreienden Uebel einer großen Stadt. Man ist vornehm, ohne sich vor den Andern Etwas herauszunehmen; es herrscht Wohlstand im Durchschnitte, viel Reichthum und wenig schreiende Armuth. Der Hof leuchtet durch Munifizenz, Herablassung, Bildung und die strengste Sittlichkeit vor. Daran spiegelt sich auch das übrige Leben. – Wer jemals längere Zeit in Dresden verlebt hat und in den öffentlichen, sowie häuslichen Charakter der Bewohner ganz und gar eingedrungen ist, wird sich nur mit lebhafter Freude seines dortigen Aufenthaltes erinnern. – Die Zahl der Einwohner beläuft sich auf mehr als 65,000. Zu den vorzüglichsten Gebäuden gehören: das k. Schloß, die katholische Kirche, der Zwinger, das Opernhaus, das Brühl'sche Palais, das Zeughaus, der japanische Palast, die Kreuzkirche, Frauenkirche und protestantische Hofkirche. Unter den ausgezeichnetsten Gärten nennen wir: den großen Garten mit einem schönen Schlosse, den des japanischen Palais, dann den des Prinzen Max. Dresden enthält viele gelehrte, Kunst- und wohlthätige Anstalten; große Fabriken gibt es nicht, doch werden vorzügliche Arbeiten in Gold- und Silberwaaren, Kunstblumen und Strohhüten geliefert. – Für die Unterstützung der armen weiblichen Klassen sorgt mit edler Thätigkeit der Frauenhilfsverein, an dessen Spitze die edle Prinzessin Amalia, Gemahlin des Prinzen Johann von Sachsen, steht. –
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