Jacobäa von Holland

Jacobäa von Holland

Jacobäa von Holland. Wilhelm VI., Graf von Holland, hinterließ bei seinem Tode 1417 Jacobäen, seinem einzigen Kinde, Holland und Hennegau als Erbe. Die Jungfrau, damals 17 Jahre alt, von wunderbarer Schönheit, mit allem Reiz der Jugend und Anmuth geschmückt, mit allen Vorzügen des Geistes und Herzens verschwenderisch ausgestattet, war, selbst abgesehen von der Mitgift eines reichen, blühenden Landes, ein Preis, um den die Fürstensöhne der ersten Throne Europa's wetteiferten. Um der geliebten Tochter ihr Erbe zu sichern, hatte sie Graf Wilhelm mit Johann, Herzog von Touraine, Grafen von Ponthieu, dem zweiten Sohne Karl's VI. von Frankreich, verlobt; bald wurde diese Ehe vollzogen. Allein zwei Parteien, die Kabbeljaws und Hoeks, welche schon früher den Frieden des Landes getrübt hatten, erhoben jetzt von Neuem ihre Häupter. Die Hoeks huldigten Jacobäen, dagegen unterstützten die Kabbeljaws ihren Oheim, Johann, vormaligen Bischof von Utrecht, und beschuldigten sie außerdem der Ermordung ihres Gemahls, welcher auf einer Reise nach Frankreich in Compiegne an Gift gestorben war. Der Lage der Umstände, den Wünschen ihrer Anhänger, dem Zureden ihrer Mutter, Margarethens von Baiern, einer stolzen, grausamen Frau nachgebend, willigte die eben Verwitwete in eine zweite Verbindung mit dem Herzog von Brabant und opferte sich einem Gatten, der nicht im Stande war, die Ansprüche seiner Gemahlin aufrecht zu erhalten. Inzwischen erlitten die Hoeks mehrmalige Niederlagen und unvermögend, in den Besitz ihrer Rechte zu gelangen, wie die Eifersucht und den Stumpfsinn ihres Gemahls zu ertragen, floh die Bedrängte nach England, um dort Schutz und Hilfe zu suchen. Während ihrer Abwesenheit erhob sich ein neuer, und zwar der gewaltigste und gefährlichste Feind in dem Herzoge Philipp von Burgund. Dieser war Jacobäen's Oheim von mütterlicher Seite und hatte für den Fall, daß aus der Ehe mit dem schwachen Johann keine Nachkommen entsprängen, die nächste Anwartschaft auf das Erbe seiner Nichte. Daher stand Philipp dem Herzoge Johann von Brabant mit seiner ganzen Macht bei, und erlangte von diesem sogar eine Vollmacht, sich der Besitzungen Jacobäens zu bemächtigen. Außerdem benutzte der Herzog von Burgund beim Papste Martin V. seinen Einfluß, um die von der Gräfin dringend gewünschte Ehescheidung zu verhindern. Jacobäa, die einem so furchtbaren Feinde nichts als den Muth und die Aufopferung einiger Städte, welche ihr treu geblieben waren, entgegenzusetzen hatte, fand in dem Herzoge Humphrey von Glocester, Bedford's Bruder, einen ritterlichen Verfechter. Das Flehen der unterdrückten Unschuld, in der Gestalt eines reizenden Weibes, das ihr unglückliches Schicksal, ihr männlich kräftiger Geist, ihre bewundernswerthe Tapferkeit zur Heldin von Europa gemacht hatte, erregte in seinem Herzen die lebhafteste Theilnahme. Ihre Hand sollte abermals der Preis sein, und allerdings war Glocester dem Ideale, wie es Jacobäa sich gedacht, näher gekommen, als alle die Fürsten, die sich um ihre Gunst beworben hatten. Allein sie sollte von Neuem getäuscht werden; denn als der Herzog erkannte, daß aus einer solchen Verbindung keine Vortheile für ihn entspringen würden, weil Jacobäens Feinde zu mächtig waren, verließ er die früher so hoch Gefeierte auf eine schimpfliche Weise. jetzt in der größten Noth sollte ein Zufall auf das künftige Geschick Jacobäens den mächtigsten Einfluß haben. Während einer Jagd erschien ein hoher, kräftiger Jüngling in dem Augenblicke ihr zur Rettung, als ein wilder Stier sie zu tödten drohte. Es war Frank von Borselen, der Sohn des Mächtigsten unter den Kabbeljaws, des eifrigsten Anhängers der burgundischen Partei. Umsonst bemühte sich die Gräfin, einen Eindruck zu bekämpfen, der sich mit unwiderstehlicher Gewalt ihres Herzens bemächtigt hatte. Der Widerstand verstärkte nur ihre Empfindungen; sie liebte mit der ganzen Glut eines starken Gemüthes. Inzwischen dauerten die Kämpfe der Parteien fort, und wurde dadurch die Wohlfahrt des Landes zerstört, so blieb es doch vor Allem die unglückliche Fürstin, welche die Folgen dieses unseligen Streites empfinden sollte. Johann von Brabant war gestorben und der Herzog von Burgund ergriff den Besitz von allen seinen Ländern, unsere Heldin selbst brachte zwei Monate einer würdevoll von ihr getragenen Gefangenschaft in Gent zu; mehr aber als dieß Alles beugte sie die Nachricht von dem Tode Frank's von Borselen, der unter Philipp's Fahnen fechtend, in der Schlacht gefallen sein sollte. Zwar ward sie durch die List ihrer Freunde, unter der Anführung des tapfern Ludwig von Montfort befreit, ihr Geist aber erlag, die so lange bestrittene Herrschaft hatte alle Reize für sie verloren, sie faßte den Entschluß, sich in's Privatleben zurückzuziehen. Der Vertrag von Delft 1428 erkannte Philipp von Burgund als unumschränkten Herrn von Jacobäens Staaten an, und sie selbst mußte sich zu der harten Bedingung verstehen, sich ohne des Herzogs Einwilligung nicht wieder zu vermählen. Sie wohnte seitdem in dem Jagdschlosse zu Haag, und lebte nur der Wohlthätigkeit und ihren Erinnerungen, fern von dem Geräusche einer Welt, in welcher alle ihre Hoffnungen erloschen waren. So hatte die Unglückliche sieben stille Jahre zugebracht, als ein neues, das einzige glückliche Ereigniß ihres wechselvollen Lebens, sie für einen letzten kurzen Augenblick aus der Einsamkeit hervortreten ließ. Ein Zufall führte sie mit dem neuernannten Statthalter von Holland, dem Grafen von Ostervent zusammen, und wer vermöchte ihre Gefühle zu beschreiben, als sie in demselben den immer noch heißgeliebten und todtgeglaubten Frank von Borselen erkannte? Noch Einmal drang der Strahl der Hoffnung auf den dunkeln Lebenspfad Jacobäens, noch Einmal schien das Schicksal ihr vergelten zu wollen, was es früher an ihr verschuldet. Ihre treue Liebe, eben so mächtig als das vielfach erlittene Unrecht, bestimmten den Statthalter, sich mit ganzer Seele und mit allen den ihm jetzt zu Gebote stehenden Mitteln der Unterdrückten anzunehmen. Seine Bemühungen waren nicht vergebens; noch war die Liebe zu der angestammten Fürstin in Jacobäens Ländern nicht vergessen, zahlreich erhoben sich ihre Anhänger, entschlossen, ihr die geraubte Krone wieder zu erringen. Aber das Complott wurde entdeckt, der Statthalter verhaftet, und nur durch unbedingte Entsagung aller ihrer Rechte auf Holland, Zeeland und Friesland gelang es der Gräfin, das Leben ihres Geliebten zu retten. Sie verzichtete von nun an auf allen Prunk weltlicher Größe und in der Glückseligkeit des Privatstandes, der Liebe und Tugend, frei von den quälenden Sorgen der Macht, verflossen ihre letzten Tage. Die öffentliche Vermählung Jacobäens und Frank's von Borselen wurde in den ehrwürdigen Hallen von Eversdyke, dem Stammschlosse des Letztern, gefeiert, und unter dem Laubdache des häuslichen Friedens fanden beide den einen, einzig wahren Genuß des Lebens. Jacobäa brachte den glücklichen Rest ihres Daseins abwechselnd in Zuylen, Eversdyke und Tedingen zu. In dem letztern Schlosse starb sie 1436. – 1769 fand man bei der Oeffnung der Gewölbe in der Kapelle im Haag unter Särgen und Gerippen einen in kostbare Wachstücher eingehüllten Körper beinahe völlig erhalten; rosenfarbene Bänder durchflochten die reichen, blonden Locken. Der Leichnam zerfiel in Staub, als man ihn emporhob, aber das Museum im Haag bewahrt noch heute die langen Locken, die letzten Ueberreste Jacobäens, der Gräfin von Holland.

X.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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