Anna Amalia, Herzogin v. Sachsen-Weimar

Anna Amalia, Herzogin v. Sachsen-Weimar

Anna Amalia, Herzogin v. Sachsen-Weimar, verwitwete Herzogin von Sachsen-Weimar, geborne Herzogin von Braunschweig. Diese Fürstin, die über dem noch mit allen Mängeln der Kleinstädterei behafteten, von den Nebeln der Unwissenheit, der Vorurtheile und der Rohheit noch umwölkten Weimar wie ein heller Stern aufging, um durch Geistesklarheit, regen Eifer und echte Humanität, eine neue, bessere, noch von der späten Nachwelt geehrte Zeit herbei zu führen, wurde in Braunschweig den 24. October 1739 geboren. Die sorgsame Erziehung, welche geistreiche und aufgeklärte Eltern ihr gaben, entwickelte schon früh die schönen Anlagen, die in ihr schlummerten, und es war, als habe eine Ahnung, wie sicher sie dereinst die Ausbildung ihrer geistigen Kräfte bedürfen werde, sie mit geheimnißvoller Macht ergriffen, um sie dem Ziel einer Vollendung entgegen zu führen, welches Frauen sonst nur selten, und am wenigsten schon in der ersten Jugend erreichen. Denn schon in ihrem siebzehnten Jahre verließ sie die Heimath, um als die Gemahlin des nur zwei Jahr älteren Herzogs Ernst August Constantin von Sachsen-Weimar in einen Wirkungskreis einzutreten, der ihrem schaffenden Geiste und ihrem wohlwollenden Gemüth reichen Stoff zu einer edlen und nützlichen Thätigkeit darbot. Während der zwei Jahre ihrer so bald schon durch den Tod getrennten Ehe bemühte sie sich gemeinschaftlich mit ihrem Gemahl, den kleinen unscheinbaren Ort, der ihr als Residenz angewiesen war, zu einem höheren Standpunkt zu erheben, und ihm eine durch Aufklärung, Veredelung der Sitten und des Geschmacks und wahre Geistesbildung begründete Bedeutsamkeit zu erwerben. Der Geburt ihres ersten Sohnes, des, der Mit- und Nachwelt unvergeßlichen, Herzogs Karl August, die am 3. September 1757 erfolgte, freute sie sich noch vereint mit ihrem Gemahl, aber dieser schlummerte bereits vier Monate im Grabe, als der zweite Sohn Friedrich Ferdinand Constantin am 8. September 1758 das Licht erblickte. Der Witwenschleier, der ihre blühende Jugend umflorte, legte ihr durch die heiligsten Pflichten, nicht ohne schwere Verantwortung, eine Bürde auf, die wohl wenig Fürstinnen mit so viel Umsicht, Muth und Geistesstärke getragen haben würden. Der verstorbene Herzog hatte ihr nach seinem letzten Willen, sobald sie die Jahre der Mündigkeit erreicht haben würde, die Obervormundschaft des Landes, so wie des Erbprinzen bestimmt. Bis dahin war sie ihrem Vater, dem Herzog Karl von Braunschweig, übertragen. Doch da Natur und Ausbildung ihren Geist bereits mündig gesprochen hatten, verlieh ihr der Kaiser auch die Vorrechte der Mündigkeit der Jahre, und ihr Vater, wohl wissend, daß eine solche Tochter nicht nur fähig zu regieren, sondern ihrer großen Eigenschaften wegen auch dazu berufen sei, überließ ihr unbesorgt in jener sturmbewegten, kriegerischen Zeit die Leitung der Geschäfte, die sie mit eben so viel Milde als Gerechtigkeit zu lenken verstand. Von klugen und redlichen Staatsdienern unterstützt, die ihr Scharfsinn mit sicherem Takt zu wählen wußte, half sie mütterlich den Bedrängnissen ihrer Unterthanen ab, strebte die Verheerungen, durch welche der Krieg auch ihr Land heimsuchte, vermittelst einer weisen Oekonomie im Staatshaushalt, so wie in ihren eigenen Bedürfnissen zu lindern, wehrte durch treue Fürsorge der Hungersnoth, die im Jahr 1772 unter den Bewohnern der Nachbarländer Tausende hinwegraffte, und führte, unerschüttert von äußeren Stürmen, von Innen gekräftigt durch männlichen Muth und festen Willen, ihre Regierung bis zu dem glorreichen Schluß, wo sie die Zügel derselben nach vierzehnjähriger, rühmlich verwalteter Regentschaft, ihrem unterdessen mündig gewordenen Sohne übergab, der an Geist und Gemüth seiner trefflichen Mutter glich. Doch schon vor diesem Zeitpunkte hatte sie, als nach dem Druck des Kriegs das Wohl des Landes sicher gestellt und seine dringendsten Erfordernisse befriedigt waren, ihr Augenmerk auf die geistige Kultur um sich her gerichtet, und zu ihrer Beförderung ausgezeichnete und talentvolle Männer berufen und um sich versammelt, deren Mitwirken und Einfluß ihr half, das kleine Weimar aus seiner Unbedeutendheit zu einer Stufe der Bildung empor zu heben, von wo aus es durch inneren Gehalt und Ruhm mit den größten Hauptstädten Deutschlands wetteifern, ja nicht selten hoffen durfte, ihnen im Guten und Schönen voran zu gehen. Erst nachdem sie die Pflichten ihres hohen Berufs erfüllt, und noch den Schmerz überwunden hatte, ihren zweiten Sohn in der Blüthe seiner Jahre betrauern zu müssen, wagte sie, an ihre Erholung zu denken, und den seit ihrer frühesten Jugend genährten Wunsch, Italiens classischen Boden zu betreten, in Erfüllung gehen zu lassen. Zwei der genußreichsten Jahre ihres Lebens verschwanden ihr dort unter der zauberischen Einwirkung des südlichen Himmels, durch welche ihre Gesundheit mit frischer Kraft sich stärkte, und ihr Geist durch neue Kenntnisse und die herrlichsten Erinnerungen bereichert wurde. Diese letzteren blieben stets die Würze ihres Daseins und schmückten ihr den heimischen Herd, von dem nun erst der im Jahr 1806 ausbrechende Krieg sie stürmisch verdrängte. Man beredete sie nämlich zur Flucht, von der sie aber bald, jedoch gebrochnen Herzens über den Fall ihres Hauses, über den jammervollen Tod des letzten ihrer Brüder und über die einer düsteren Gewitterwolke gleichende Gegenwart, zurückkehrte. Doch war sie auch noch jetzt durch die ihr stets treu bleibende Freundlichkeit und Güte eine anmuthsvolle, den Segen stiller Wohlthätigkeit und Liebe rings um sich her verbreitende Erscheinung, von der man nicht ahnete, wie bald sie sich in höhere Regionen erheben werde. Sie klagte nicht, und man hielt sie daher nicht für krank, bis der Todesengel ihr sanft zum letzten Schlummer winkte, und sie am 10. April 1827 zur tiefsten Herzenstrauer des Landes ihr edles und so vielseitig beglückendes Dasein in die Hände ihres Schöpfers zurück gab. Diese hochherzige Frau war es, welche Männer wie: Goethe, Schiller, Herder, Wieland, Bode, v. Seckendorff, Musaus, v. Knebel etc. an Weimar fesselte, und dieser Stadt den Namen des deutschen Athen verschaffte. Alle, »an Olympia« überschriebene Gedichte in Wieland's Werken sind an diese Fürstin gerichtet.

A.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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