- Lichtenau, Gräfin von
Lichtenau, Gräfin von, Gräfin von, die Geliebte des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen, war die jüngere Tochter des Kammermusikers Enke und 1754 zu Potsdam geboren. Der König, damals noch Kronprinz, lernte das 10jährige Mädchen im Hause ihrer ältern Schwester, der Gräfin Matuschka, seiner frühern Geliebten, kennen, wurde durch die körperlichen Reize des Kindes überrascht, schickte sie nach Paris, ließ sie dort sorgfältig erziehen und ausbilden, und wählte sie nach ihrer Rückkunft, wo das Mädchen sich zur herrlichen Jungfrau entwickelt hatte, zu seiner Geliebten. Der Form wegen vermählte er sie mit dem Kammerdiener Rietz, in der Wirklichkeit aber war sie seine Gemahlin. Nach der Thronbesteigung des Kronprinzen wurde sie zur Gräfin von Lichtenau erhoben und von Rietz getrennt. Ihr Einfluß auf den König war groß; daher der allgemeine Haß, der sich bei jeder Gelegenheit gegen sie kund gab. Diese Stellung soll sie nie in dem Maße gemißbraucht haben, wie man ihr Schuld gab. Ihre geringe Herkunft mußte ihr in den Augen derjenigen, welche sie beneideten oder das ungesetzliche und rücksichtslose Verhältniß zum König mit den Blicken der Moral betrachteten, stets zum Vorwurf dienen; es fehlte sogar auch nicht an Leuten von Einfluß, welche alle Reactionen unter diesem Könige ihr zur Last legten und hierdurch entsprang eine Unzahl von Spott- und Schmähschriften, deren Gegenstand stets die Gräfin Lichtenau war. Uebertrieben war gleichfalls die Angabe der ungeheuren Summen, welche ihr der König geschenkt haben sollte. Sie besaß bei seinem Tode zwei Güter, für 15,000 Thaler Edelsteine und ein Vermächtniß von 500,000 Thalern, welches letztere sie jedoch wieder verlor. Man unterzog sie einem fiscalischen Prozesse, in dessen Folge sie größtentheils von all' den Abscheulichkeiten, z. B. Landesverrätherei, Vergiftung der Gräfin Ingenheim etc., freigesprochen wurde. Dagegen verlor sie ihre Güter, die ihr jedoch der gerechte und milde Thronfolger zum Theil restituirte und einen Jahrgehalt von 4000 Thlrn. anwies, mit der Weisung in Glogau zu leben. Hier versammelte sie einen ausgewählten Cirkel geist- und talentvoller Männer, vermählte sich mit dem Schauspieler und Theaterdichter Franz von Holbein, wurde aber bald wieder von diesem getrennt. Dem König hat sie einen Sohn und eine Tochter (Graf und Gräfin von der Mark) geboren; Ersterer starb als Kind; Letztere lebt noch. – Gegen ihre Stellung und ihren Lebenswandel wurde die Welt nach der Zeit ihres Falles gerechter, als es ihre Zeitgenossen waren. Von Cölln gibt ihr das Zeugniß, daß sie den König wirklich geliebt, daß sie nicht bösartig gewesen, daß sie ihn nie zu großen Ausgaben verleitet hat. In der Gunst des Fürsten erhielt sie sich darum so lange, weil sie so klug war, seine anderweitigen Liebschaften zu befördern und obgleich eifersüchtig, ihr Benehmen so zu regeln verstand, daß er immer wieder zu ihr zurückkehrte. – Sie starb im Jahre 1820. B.
http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.