Paris (Geographie)

Paris (Geographie)

Paris (Geographie). – Wenn man alle Eigenschaften, welche sich auf eine Stadt anwenden lassen, sammelt, so wird man finden, daß sie alle, ohne Ausnahme, so entschiedenen Widerspruch die einzelnen auch enthalten, auf diese Hauptstadt Frankreichs und der Welt passen; denn sie ist eben so schön als häßlich, eben so schmutzig als prächtig, eben so voll von Glanz und Freude als von Armuth und Elend, eben so großartig als kleinstädtisch, eben so geistig hoch als geistig tief gestellt, kurz man könnte noch weit mehr Beiwörter und Umschreibungen für dieselbe häufen und würde doch weder den Gegenstand erschöpfen, noch etwas Unwahres behauptet haben. Die Ursache ist in den politischen Verhältnissen zu suchen; seit Jahrhunderten hat Paris sich das Recht behauptet und bewahrt, das Herz des ganzen Frankreichs zu sein, und alle Hebel des Lebens in diesem Reiche concentriren sich in ihm, gehen von ihm aus und kehren zu ihm zurück. Wie Frankreich lange und noch fortwährend, wenn auch beschränkter, dem ganzen übrigen Europa die Gesetze des gesellschaftlichen Lebens vorschrieb, so erhielt es dieselben von seiner Metropole, welche die Residenz der Königin Mode war und blieb, deren Scepter nur auf Momente seine Kraft verlor, um sich derselben dann noch weit stärker als vorher zu versichern. – Kein Wunder also, daß von jeher alle Blicke dorthin gerichtet waren, und daß man die Aussprüche dieser wankelmüthigen Fürstin, welche sie von hier aus erließ, als unantastbar betrachtete. – Früher betrachtete man in Deutschland die höhere Bildung für unvollkommen und unvollendet ohne den Besuch von Paris; es war derselbe gewissermaßen das Siegel auf das Meisterdiplom eines Weltmannes; konnte doch sogar ein Domherr von Naumburg seine Pfründe nicht antreten, wenn er nicht dort gewesen, weßhalb denn auch, wie die Sage geht, ein Solcher einmal direct mit der Post hingegangen, am Morgen angekommen, nach ein Paar Stunden Schlaf wieder in die nächste Diligence gestiegen und ohne Zeitverlust zurückgekehrt war; entweder hatte er sich Manches, was frühere Collegen, die dem Sinne des Gesetzes gewissenhafter nachgekommen waren, allda erlebten, zur Warnung dienen lassen, oder auch, er hatte gefürchtet gar nicht wieder den Rückweg zu finden, denn Paris ist für jeden Stand, jedes Alter, jedes Geschlecht der lockendste Ort, vorausgesetzt, daß man genug Geld habe, um seinen Neigungen nachzugehen, da es das Leben mit allen seinen Erscheinungen entfaltet und keinen materiellen Wunsch, den man sich mit der allgemeinen Tauschwaare, Gold und Silber, verschaffen kann, unerfüllt läßt; in dieser Hinsicht gibt es dort nichts Unerreichbares, und selbst der fruchtbarsten und unbeschränktesten Phantasie würde es schwer, ja vielleicht unmöglich fallen, ein nicht zu befriedigendes Verlangen auf diesem Gebiete zu ersinnen. Ehe wir zum Einzelnen übergehen, ist es nöthig zu besserem Verständniß, kurze statistische und historische Notizen voran zusenden. – Paris, die Haupt- und Residenzstadt Frankreichs, liegt im nordöstlichen Frankreich, im Departement der Seine, und wird durch den eben genannten Fluß in zwei Hälften getheilt, mit Einschluß einiger Inseln desselben, welche es gleichfalls inne hat. Es umfaßt 15,376 Morgen Landes, hat 5½ Lieues im Umfange, 2 ¼Stunden in der Länge und 1½ Stunde in der Breite. Nach der neuesten Eintheilung zerfällt es in zwölf Arrondissements, und diese wieder in 48 Polizeidistricte. Früher befestigt, sind seine Werke, von denen man nichts mehr sieht, in Spaziergange, oder richtiger, breite, von Alleen durchschnittene Straßen verwandelt, welche Boulevards heißen. Es enthält 28,000 Hauser, 1100 Gassen, von denen die Mehrzahl sehr unregelmäßig ist, 27 Gäßchen, 141 Sackgassen, 156 Durchgänge, 74 öffentliche Plätze, 39 Carrefours, 40 Märkte, 35 Kais, 16 Brücken, 22 Boulevards, 58 Barrieren, 84 öffentliche Brunnen, 11 Hallen, 12 katholische Pfarr- und 27 Filialkirchen, 1 lutherische, 3 reformirte, 1 gallikanische Kirche, mehrere Synagogen, 11 Hospitäler, 11 Krankenhäuser, 24 Theater, 8 königliche Paläste, 560 Privathotels und 900,000 Einwohner, deren größter Theil sich zur katholischen Religion bekennt, unter diesen 115,000 Dienstboten, 77,000 Arme und 14,000 Hospitaliten. Die Stadt besteht aus a) der eigentlichen Stadt, la ville, am nördlichen, b) l'université am südlichen Ufer, und c) der Altstadt, la cité, auf den Inseln der Seine; außerdem hat sie noch 14 Vorstädte (faubourgs). Erleuchtet wird sie durch 5035 Reverbères und 11,390 Laternen auf Pfählen. – Schon vor der Römerzeit ist die Stadt von einem gallischen Völkerstamme, den Parisern, auf einer Insel der Seine, da, wo jetzt die Cité steht, erbaut worden; sie wurde von den damaligen Weltherrschern später die Kothstadt der Pariser (Lutetia Parisiorum) wegen des dort sich häufenden Schmutzes genannt. – Labienus, ein Unterfeldherr Cäsar's, rückte wegen ihres Ungehorsams gegen sie an, da verbrannten die Einwohner selbst ihren Aufenthaltsort, doch ward Paris von den Römern wieder aufgebaut. 486 nach Chr. Geb. ward es von den Franken erobert und erhielt nun den Namen, den es jetzt noch führt. Chlodwig erhob es 508 zur Hauptstadt des Landes. Es ward jetzt sehr erweitert, Kirchen und Schulen angelegt (letztere namentlich unter Karl dem Großen), und selbst die zweijährige Belagerung der Normannen (885) vermochte nicht seine werdende Blüthe zu unterdrücken. Seit 987, wo Hugo Capet den Thron bestieg, ward es die Residenz der Könige von Frankreich, und blieb es bis auf Ludwig XIV., der 1649 seinen Wohnsitz nach Versailles verlegte. Vielfach von Leiden der mannichfachsten Art während dieses Zeitraums heimgesucht (im 14. Jahrhundert wüthete hier der gräßliche schwarze Tod, 1418 Pest und Hungersnoth, 1420 ward es von den Engländern erobert, 1436 von Karl VII. wieder genommen, 1572 ereigneten sich hier die Greuel der Bluthochzeit, 1590 mußte es sich aus Hunger Heinrich IV. ergeben u. s. w.), breitete es sich doch immer weiter aus und vergrößerte die Zahl seiner Bewohner, seine Gestaltung indessen dem Zufalle und den Umständen überlassend. Erst unter Ludwig XIII. begann man die neuen Viertel regelmäßiger anzulegen, namentlich das Quartier du Marais, das vordere Palais royal und mehrere zwischen dem Boulevard der Rue neuve des petits Champs und der Rue Richelieu befindliche Straßen. – Eine eigentliche Verschönerung der Stadt trat jedoch erst unter Ludwig's XV. Regierung ein (denn Ludwig XIV. hatte, da er seine Residenz in Versailles aufgeschlagen, nur wenig für Paris gethan), und ward unter Ludwig XVI. fortgesetzt, dann aber durch die Stürme der Revolution auf das Schrecklichste unterbrochen. Am Meisten hat unbestreitbar Napoleon, der die Hauptstadt seines Rei, ches auch zur Welthauptstadt erheben wollte, geleistet, hinsichtlich der inneren Ausschmückung und der Verschönerung; die Friedensjahre der Restauration trugen darauf das Ihrige zur Vergrößerung der Stadt bei, ganze Quartiere erhoben sich neu während derselben, und Ludwig Philipp, der ein eben so scharfes Auge für das Nützliche, wie für das Schöne hat, vernachlässigte seit der Juliusrevolution, die den Bau-Unternehmungen der Privatleute im Ganzen nur wenig hinderlich war, keinesweges die Verbesserung und Erweiterung seiner bleibenden Residenz, sowohl im Ganzen, wie in den einzelnen Theilen derselben. Immer aber wird Paris ein Steinkoloß bleiben, zu dessen Zusammentragung der Zufall und die innere Nothwendigkeit eben so viel, als die Kunst und der Geschmack beitrugen; es ist eine Stadt des Bedürfnisses, nicht des Luxus und seiner Launen. Fügen wir zu diesem kurzen historischen Abrisse noch hinzu, daß hier fünf berühmte Friedensschlüsse Statt fanden, die gemeiniglich mit dem Namen der Pariser Friedensschlüsse bezeichnet werden, ehe wir zu einer rascheren und farbenreicheren Darstellung des Lebens und Webens in dieser Riesenhauptstadt übergehen. Der erste ist der vom 10. Februar 1763 zwischen Frankreich, Spanien, Großbritannien und Portugal; der zweite der vom 3. September 1783 zwischen England, Frankreich, Spanien und Nordamerika; der dritte geschah am 20. Mai 1784 zwischen England und Holland; der vierte am 30. Mai 1814 und der fünfte endlich am 20. November 1815, beide Letzteren zwischen Frankreich und den Alliirten. – Von welcher Seite man sich auch Paris nahe, die Einfahrt macht nirgends einen günstigen Eindruck, da man sich zum großen Theile durch eine Menge schmutziger, enger Gassen, mit niedrigen, baufälligen Häusern winden muß, ehe man an irgend eine Stelle gelangt, die den Gedanken, daß man sich wirklich in der capitale du monde, wie die Franzosen Paris stets mit wichtiger Miene nennen, befinde, auf eine eindrucksvolle Weise versinnlicht. Dagegen fluthet Einem überall das regste und lebendigste Treiben entgegen, das schon eine halbe Stunde vor den äußersten Thoren beginnt, und mit jedem Schritte, den man vorwärts thut, sich steigert, so daß es auf den Bewohner einer ruhigen, monotonen, kleinen deutschen Stadt fast verwirrend einwirkt. Dieses Treiben ist beinahe zu allen Tageszeiten gleich, nur daß diejenigen, die es hervorbringen, zu verschiedenen Klassen gehören. Ein etwas geübter Beobachter kann leicht an den ihm Begegnenden in den verschiedenen Vierteln merken, welche Tageszeit es ist, und wenn er sich auch gar nicht um die Stundeneintheilung bekümmerte. Der eigentliche Pariser Tag beginnt des Morgens um vier Uhr; zwei Läden öffnen sich, der des Bäckers und der des Gewürzkrämers; die Fiaker kehren nach ihren Ställen zurück, nachdem sie noch bei Bällen oder Gesellschaften ihre Dienste gethan; die kleinen Milchkarren, die mit Gemüse beladenen Maulthiere, die abgehenden oder ankommenden Diligencen kreuzen sich, bald darauf begeben sich einzelne Arbeiter, deren Zahl mit den Stunden zunimmt, an ihr Tagewerk, und die Bewegung geht nun allmälig aus den Vorstädten und den bewohntesten Quartieren, wo sie begann, in die eleganteren Stadtviertel über. So ist um acht Uhr in der durch ihre Läden und Magazine prächtigen Rue Vivienne noch Alles ruhig, um zehn Uhr drängt sich dagegen dort schon eine unzählbare Menge, indem alle Geschäftsdiener sich dort bewegen; die Mäkler eilen zu ihren Committenten, die Kassendiener nach den Comptoirs, Commis, Schreiber, Beamte, an ihren Posten; eben so lebhaft wird es nun in den entgegengesetzten Regionen am rechten Seineufer. Hier ist das sogenannte pays latin; die Studirenden eilen in die Vorlesungen und zerstreuen sich, Jeder seinem Berufe folgend, nach allen Richtungen; überall werden die Kaffehäuser gefüllt, denn selten frühstückt ein Unverheiratheter zu Hause, sondern geht, sobald er dasselbe verläßt, bis dahin nüchtern bleibend, zuerst in eine solche Anstalt, um seinen Kasse oder seine Chocolade mit einigen Flöten (einem länglichen Weißbrode, das seinen Namen von seiner Gestalt hat), zu sich zu nehmen. – Ueberall begegnet man ferner den Juristen aller Kategorien, die sich in die verschiedenen Tribunale begeben, und eben so leicht an ihrem Wesen, wie an ihrer Tracht zu erkennen sind. – Ein anderes, nicht weniger reges Geschäftsleben beginnt um Mittag in der Nähe der Börse und des Palais royal. und erreicht an ersterer Stelle seine größte Ausdehnung gegen drei Uhr. – Um dieselbe Zeit rollen die elegantesten Equipagen durch die sogenannten vornehmen Straßen, wie die Rue Vivienne oder Richelieu; die Reichen machen Einkäufe und Besuche, ihre Wagen kreuzen und hemmen sich von Omnibus, Cikadinen, Trieydes und Damesblanches unterbrochen; einzelne Cabriolets winden sich schlangenartig und gewandt überall hindurch, das Gedränge vermehrend und der bescheidene Fußgänger halt sich so dicht, wie möglich, an der Seite der Boutiquen, theils, um sich vor Unglück zu behüten, theils aber auch, um das Vergnügen zu genießen, schöne und elegante Damen, die die Läden besuchen, aus- und einsteigen zu sehen. – Ist das Wetter schön, so wimmeln jetzt die Boulevards von Spaziergängern, und die öffentlichen Gärten füllen sich mit Müßigen, die lustwandelnd oder dort sitzend und lesend die Eßstunde erwarten. – Diese beginnt um fünf Uhr, um welche Zeit alle Omnibus in größter Bewegung sind und selten einen Platz mehr leer haben, da sich vorzüglich die Bewohner der Faubourgs und der entfernteren Stadttheile derselben bedienen, um rascher zu ihrem Mittagsmahl im Kreise der Ihrigen zu gelangen. – Die Restaurans, besonders im Palais royal und den nächsten Straßen, füllen und leeren sich in unaufhörlichem Wechsel, im Ganzen tritt aber doch eine Art von Pause ein, denn Paris, das große Ungeheuer, beschäftigt sich mit seiner Sättigung. – Gegen sieben Uhr hört diese auf, die Theater öffnen sich, eine Menge von Wagen rollt durch die Straßen und die Kaffehäuser empfangen ihre Abendgäste; das treibendste Gedränge ist, namentlich bei trockenem Wetter, wieder auf den Boulevards. Dieß dauert bis Mitternacht, wo die Besucher der öffentlichen Häuser sich in ihre Wohnungen begeben und nur der schlimmste Theil der Bevölkerung sich noch auf den Straßen befindet; das Rollen der Wagen wird immer schwächer und vereinzelter, bis endlich gegen zwei Uhr Alles verstummt, und im Verhältniß zu dem Geräusch des Tages sich eine Todtenstille über ganz Paris lagert. Wer in der Nacht aus seinem Schlummer aufwacht und während einer Viertelstunde kein Wagengerassel vernimmt, der braucht nicht nach der Uhr zu sehen, es ist dann später, als zwei, und noch nicht vier, denn nur während dieses Zeitraums tritt eine solche ungestörte Ruhe auf den Gassen ein. – Die schönste Ansicht von Paris wird dem Beschauer von der Terrasse von St. Cloud aus gewährt, weil die ungeheuere Stadt sich in ihrer ganzen Länge vor ihm entfaltet und mit allen umliegenden und daran stoßenden Flecken und Oertern vereint zu sein scheint. Eine nicht ganz so umfassende, aber doch nicht minder interessante Aussicht hat man von dem Kirchhofe des Père la Chaise aus, und wer den ungeheueren Steinhaufen wie ein Vogel recht aus der Mitte betrachten will, der besteige an einem schönen Tage den Thurm der berühmten Cathedrale Notre-Dame; auf allen diesen Punkten wird ihm indessen Paris von einem anderen Charakter erscheinen. Vom Père la Chaise aus gesehen, treten namentlich die Kirchen Notre-Dame, Saint Sulpice und St. Geneviève (das Pantheon) sehr entschieden hervor, und regen vor Allem die Aufmerksamkeit des Beschauenden an. – Beginnen wir daher auch mit ihnen die Uebersicht der merkwürdigsten Gebäude von Paris. Notre-Dame (in letzter Zeit durch Victor Hugo's vielgelesenen gleichnamigen Roman verherrlicht), ward im Jahre 1010 begonnen, ist vollkommen im gothischen Geschmack gebaut und hat die Gestalt eines lateinischen Kreuzes; sie ist 494 Fuß lang, enthält 45 Kapellen, 122 Pfeiler und Säulen, einen Marmorfußboden und eine 320 Centner schwere Glocke. Ihre beidengleichgeformten Thürme erreichen eine Höhe von 204 Fuß bei 40 Fuß Breite. Sie ist reich an Merkwürdigkeiten aller Zeiten, und obwohl sie nicht wenig bei den politischen Stürmen von 1793 gelitten, so hat man ihr doch große Schätze in jeder Hinsicht zu erhalten gewußt. – Weit später ward die Kirche zu Saint Sulpice errichtet, oder vielmehr wieder erbaut. Anna von Oestreich legte 1616 den Grundstein derselben, eingeweiht ward sie erst um 1745. Ausgezeichnet prächtig und großartig ist ihr Hauptaltar. – Saint-Geneviève oder das Pantheon ist dagegen das schönste Gotteshaus von Paris, mit einer prächtigen Kuppel von Quadern erbaut, und 340 Fuß lang. Außer diesen sind noch die Rochuskirche und die Kirche St. Eustache merkwürdig, die erstere wegen der Gräber Maupertuis und Corneille's, die letztere wegen ihrer herrlichen Glasmalereien. – Unter den Palästen sind besonders hervorzuheben: a) die Tuilerien, Residenz des jetzigen Königs, mit einer herrlichen Fronte nach dem Garten zu, 1071 Fuß lang; b) das Louvre, mit den Tuilerien durch ein eigenes Gebäude, les galeries, zusammenhängend, das eine herrliche, 1332 Fuß lange Colonnade bildet, jetzt die Kunstsammlungen und mehrere Akademien enthaltend, früher Residenz der Könige von Karl IX. bis zu Heinrich IV., reich geschmückt in jeder Weise; c) das Palaisroyal, Eigenthum der Familie Orleans, und gegenwärtig Residenz des Herzogs von Orleans, mit einem inneren Hofe von 700 Fuß Länge und 300 Fuß Breite, von 180 Arkaden umgeben, in welchen sich die reichsten Kaufläden und Gewölbe befinden, nebst einer Menge von Cafés, Restaurans, Spielhäusern u. s. w. Hier ist der Mittelpunkt des Pariser Lebens; wenn, wie ein französischer Schriftsteller bemerkt, Jemand nackt, hungrig und hilflos, jedoch mit hinreichendem Gelde ausgestattet, dahin verschlagen würde, er brauchte diesen Ort nicht zu verlassen, um binnen weniger als einer Stunde, alle seine Bedürfnisse, ohne Ausnahme, befriedigt zu sehen; d) der Palast Luxembourg, von Maria von Medicis nach dem Muster des Palastes Pitti zu Florenz erbaut, gegenwärtig der Versammlungsort der Pairs. Der zu demselben gehörige Garten hat einen Flor von mehr als 1200 Arten Rosen aufzuweisen; e) der Palast Bourbon, jetzt Versammlungsort der Deputirtenkammer, an der Seine, ebenfalls mit schönem Garten; f) der Justizpalast, in der cité, Sitz der höchsten Tribunale, früher gleichfalls Residenz der französichen Könige von Hugo Capet bis zu Karl V. – Am Merkwürdigsten unter den übrigen öffentlichen Gebäuden, theils wegen der daran haftenden historischen Erinnerungen, theils wegen der schönen Bauart, sind ferner: a) das Tempelgebäude, le temple, ehemals den Tempelrittern, später den Maltesern gehörend, 1793 Gefängniß Ludwig's XVI. und seiner Familie; b) das Stadthaus (Hotel de ville), mit der Statue Heinrich's IV., nach einem Plane des Dominico Bonadoro, genannt Cartonn, erbaut; c) die Garde-Meubles, ehemals zur Aufbewahrung der königlichen Mobilien bestimmt; d) der Münzpalast, mit 6 Höfen und einer Façade von 450 Fuß; e) das Arsenal, mit 7 Höfen; f) das Invalidenhaus (Hotel des Invalides), für 6000 Mann eingerichtet, mit der schönsten Kuppel der Stadt auf dem dazu gehörigen Dom; g) das Krankenhaus(Hotel dieu), für Aufnahme von 900 Kranken eingerichtet. – Oeffentliche Unterrichtsanstalten sind: a) die Universität, mit 5 Facultäten und ungefähr 4000 Studenten; b) die vierköniglichen Lyceen; c) das Collége de France; d) das College der europäischen Nationen; e) 12 verschiedene Seminarien; f) die polytechnische Schule; g) die Taubstummenanstalt; h) die Blindenanstalt; i) das Conservatorium der Musik u. s. w. Zu den berühmtesten Sammlungen gehören: a) die königliche Bibliothek, mit 450,000 gedruckten Büchern und 80,000 Handschriften; b) die mazarin'sche Bibliothek, mit 90,000 gedruckten Büchern und 3437 Handschriften; c) die Bibliotheken de Sainte Geneviève, mit 110,000 Bänden und 2000 Manuscripten, de l'Arsénal, mit 150,000 Bänden und 5000 Manuscripten, der Akademie, mit 50,000 Bänden, des Stadthauses, mit 15,000 Bänden, der polytechnischen Schule, mit 24,000 Bänden, der medicinischen Facultät, mit 25,000 Bänden u. s. w.; d) das Nationalmuseum im Louvre, mit 1200 Gemälden und herrlichen Antiken; e) die Galerie im Luxembourg, Werke neuerer französischer Maler enthaltend; f) das Museum französischer Denkmäler; g) das Museum der Naturgeschichte in dem herrlichen Jardin des Plantes; h) das Museum der Industrie, mit einer Modellsammlung von 20,000 Stücken; i) das Museum der Medaillen; k) das astronomische Observatorium u. s. w. – Unter den Theatern sind besonders hervorzuheben: das Théatre français, ehemals die gesetzgebende Bühne in Sachen des dramatischen Geschmacks, das Théatre des Italiens, das französische Opernhaus, das Théatre du Palais Royal, wo die witzigsten Vaudevilles aufgeführt werden, das Th. des variétés, de l'Odéon, du Vaudeville u. s. w. Zu anderen Vergnügungsorten dienen die elysäischen Felder, die vielen öffentlichen, bereits oben bei den Palästen angeführten Gärten, das Wäldchen von Boulogne, der Wald von Vincennes, die Boulevards u. s. w..– Endlich verdienen noch die lebhafte Beachtung der Paris besuchenden Fremden die prächtigen öffentlichen Plätze, wie der Carousselplatz, zwischen dem Louvre und den Tuilerien, mit dem herrlichen Triumphbogen; der Vendômeplatz, mit der erhabenen Napoleonssäule, die place de la victoire, mit der Statue Ludwig's XIV., das Marsfeld, der marché des Innocens, die place du Châtelet, mit dem schönen Brunnen u. s. w. – Unter den Brücken sind die berühmtesten der pont neuf, mit der Statue Heinrich's IV., der 30 Fuß hohe pont de Louis XV. (de la Concorde), mit 5 Bogen und den Statuen vieler berühmter Männer; der pont d'Jéna, d'Austerlitz, des arts u. s. w. – Die bedeutendsten Straßen sind: die rue de Trocadéro, 13,860 Fuß lang und mit einem Obelisken geschmückt; rue St. Honoré, 5118 Fuß lang, rue Rivoli, 4512 Fuß lang; St. Denis, Richelieu, Martin, die bereits erwähnte rue Vivienne, welche auf die place de la Bourse mündet, wo das schönste aller Börsengebäude errichtet ist u. s. w. – Von sehr großem, aber ernstem, fast tragischem Interesse sind endlich die Katakomben, unterirdische, weitläuftige Gänge, ursprünglich wohl Steinbrüche, später Begräbnisse. und der berühmte Kirchhof des Père la Chaise, dessen wir bereits oben Erwähnung thaten, mit 25,000 Grabstellen. – Doch genug – diese kurze, unvollständige und oberflächliche Aufzählung einiger Sehenswürdigkeiten der großen Welthauptstadt, die wir hier schließen, um unsere freundlichen Leserinnen nicht zu ermüden, wird ihnen wenigstens einen Begriff geben von dem inneren Reichthume einer Stadt, die seit undenklichen Zeiten der Mittelpunkt des Lebens eines ganzen, großen Volkes, Alles in sich versammelt, was menschlicher Scharfsinn und menschliche Kunstfertigkeit nur zu vereinigen vermochten.– Ein Fremder, der mit dem festen Willen dahin käme, Paris, und nur Paris kennen zu lernen, würde, wenn er gleich alle seine Zeit diesem Vorhaben widmete, doch mehrere Jahre brauchen, ehe er seinen Gegenstand einigermaßen erschöpft hätte. – Der Tag verzehrt hier den Tag, Alles drängt und fluthet hier unaufhörlich vorwärts und vorüber, gleich einem ungeheueren Flusse, der sich immer in das Meer ergießt und immer wieder aus seinen Quellen erneut. Nirgends fühlt sich der Einzelne mehr verlassen und vereinzelt, als in dieser ungeheueren rastlosen Geschäftigkeit, welche ihre Thätigkeit nach allen Seiten hinrichtet und sich in allen Formen bewegt. Und dennoch herrscht eine Fürstin mit ehernem, tyrannischem Scepter über diese Masse, und bändigt sie so, daß Alles sich ihr willig beugt: es ist die Mode, die Todfeindin des Bestehenden, Festen; sie hat hier ihren Thron aufgeschlagen und jeder Pariser ist ihr getreuer Vasall, und eifrig bemüht, die Ausbrüche und Aussprüche ihrer Launen über die ganze civilisirte Erde zu verbreiten. Eben darin ragt Paris vor allen übrigen Weltstädten, deren Wirkungskreise weit enger gezogen sind, wie eine Riesin unter gewöhnlichen Sterblichen hervor.

W.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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