- Maria von Burgund
Maria von Burgund, Tochter Karl's des Kühnen und der schönen Isabella von Bourbon, geb. zu Brüssel 1457, war eine der ausgezeichnetsten Frauen des 15. Jahrhunderts und besaß schon als zarte Jungfrau einen so vielseitig gebildeten und gereiften Verstand, daß man sie mit gleicher Leichtigkeit die verwickeltsten Regierungsgeschäfte leiten, den Zelter, wie ein gewandter Reiter tummeln, das Wild jagen und wiederum sich dem Studium der Tonkunst, der Poesie und der Sprachen hingeben sah. M's Vater, Karl der Kühne (s. d.), verlor am 6. Jan. 1477 bei Nancy das Leben und hinterließ ihr, als einzigen Erbin, Burgund und die Niederlande in der schrecklichsten Verwirrung. Das gedrückte Volk wünschte eine Regierungsänderung, namentlich wollten die großen Städte frei werden. An allen Grenzen lauerten Feinde, unter ihnen der gefürchtete Ludwig XI. von Frankreich – da zeigte sich Mariens fester, ihrem Vater in dieser Hinsicht so ähnlicher Charakter, im schönsten Glanze. Ohne sich etwas zu vergeben, wurden die Stände beschwichtigt, einige Städte durch Güte, andere durch Gewalt für des Staates ungetheilte Fortdauer gewonnen, der listige Ludwig selbst überlistet und durch Versprechungen hingehalten. In aller Stille unterhandelten M's Räthe mit dem Kaiser Friedrich III., wegen einer Verheirathung dieser mit dem Erzherzoge Max von Oestreich, die um so schneller zu Stande kam, da die Väter Beider schon früher deßhalb Rücksprache genommen und gegenseitige Neigung der Staatskunst zu Hilfe kam. Das edle Paar feierte seine Verbindung am 18, September 1477 in Gent mit großer Pracht; Ludwig, der gewiß gehofft hatte, Marien und damit das ganze Land für seinen Sohn zu gewinnen, sah sich getäuscht und reizte jetzt auch die übrigen zahlreichen Mitbewerber um der Fürstin Hand zum Kriege. Doch die Verhältnisse waren verändert; man fand nicht mehr das schwache Mädchen im Streit mit ihrem eignen Volke, sondern eine hochherzige Frau an der Seite ihres tapfern Gemahls, vom Volke und Heer angebetet. Ludwig verlor den größten Theil seiner Eroberungen und mußte selbst um Frieden bitten. Jetzt blühte der edlen Fürstin, die muthig alle Gefahren des Krieges getheilt hatte, ein ruhiges, schönes Gluck. Sie schenkte ihrem Gatten 3 Kinder, von denen jedoch das jüngste bald starb. Dieser Verlust erfüllte Marien mit trüben Ahnungen, die nur zu bald in Erfüllung gingen. Es war am 1. März 1482, als der ganze Hofstaat zu einer Jagdpartie aufbrach, die Fürstin wie gewöhnlich zu Roß, mit einem schönen grauen Falken auf der Hand, begleitet von ihren Damen. Ihr Gemahl ritt mit seinem Gefolge voran, um das Wild ihr zuzutreiben. Verschiedene Reiher waren schon gefangen, und die Prinzessin ungewöhnlich heiter über den Erfolg, ritt immer rascher durch das Gehege, bis sie auf einem Baume einen besonders großen Reiher sah, nach welchem sie ihren Falken steigen ließ. Das Pferd wollte jedoch nicht vorwärts, da ein Wassergraben dazwischen lag und als sie es mit der Gerte zum Sprunge trieb, überschlug es sich und fiel mit seiner ganzen Schwere auf die Fürstin. Ihr Jammerruf zog schleunige Hilfe herbei, man trug sie in das nächststehende Haus und eilte, dem Erzherzoge Kunde von dem schrecklichen Vorfall zu bringen. Unglücklicherweise verschwieg Maria aus Scham den gefährlichsten Theil der Verletzungen, ermuthigte trotz der heftigen Schmerzen ihren, in Todesangst herbeieilenden Gatten selbst und verlangte dann auf einer Bahre nach Brügge gebracht zu werden. In ihre Hofburg ließ sie die Ritter des goldenen Vließes kommen, bat sie auf das Dringendste an ihren Eid zu denken, ihn zu halten und ihren geliebten Gatten mit Blut und Leben zu schützen. Die Ritter erneuerten in tiefster Rührung den Schwur, Maximilian aber, um den die edle Frau so zärtlich sorgte, war außer sich, als er die Gefahr erkannte, die ihm das Theuerste auf Erden rauben sollte. Er ließ öffentliche Gebete anstellen und wohnte ihnen selbst unbedeckt bei, doch vergebens! Ihre Anfangs übertriebene Schamhaftigkeit machte jetzt jede Hilfe unmöglich. Nach dem herzzerreißendsten Abschiede von ihren Lieben schied Maria in frommer Ergebung vom Leben. Der Schmerz ihrer Unterthanen war außerordentlich, das ganze Land trauerte, Maximilian aber vergaß die geliebte Gattin nie, und trug die Liebe zu der Geschiedenen auf seine Kinder über.
V.
http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.