- Marozia
Marozia. Die Geschichte, jene ernste und unparteiische Richterin, setzt nicht nur den edlen und hochherzigen Frauen unvergängliche Denkmäler, sie verewigt auch die Entarteten, und pflanzt als warnendes Beispiel über ihrem Grabe das blutige Richtschwert auf. Zu Letzteren gehört Marozia, die Tochter der ältern Theodora (s. d.), ein Weib, mit Geist und Schönheit begabt, aber berüchtigt durch Buhlerei und Ränkesucht; durch beides verderblich für ihr Zeitalter. Sie war die Tochter der röm. Patrizierin, die durch ihre Reichthümer, ihre Schiffe, ihre Verbindungen und Galanterien zu Ende des 9. Jahrhunderts einen großen Einfluß ausübte. Marozia wurde 906 mit Alberic, Grafen von Camerino, einem der mächtigsten römischen Großen, vermählt. Bald aber verlor ihr Gatte durch Verrath sein Leben, und Marozia, frühzeitig Witwe, beschloß den Einfluß, welchen ihr Reichthum, Geburt und Schönheit verliehen, geltend zu machen. Keine von den schönen Künsten stand damals den Frauen zu Gebote, um ihre Anbeter zu erwerben und zu fesseln, die Rohheit der Sitten ließ eine Art moderner Koketterie nicht aufkommen, die heutige Kunst der Frauen, Alles hoffen zu machen, Alles zu versprechen, ohne Etwas zu gewähren, war noch unbekannt. Und dennoch wurde Marozia von den ersten Männern Roms aufgesucht, ihre Gunstbezeigungen durch alle Arten von Opfern erkauft, so daß sie endlich die unumschränkte Herrin von Rom und dessen Umgebung genannt werden konnte. Ihr wichtigstes Besitzthum war die Engelsburg, welche den Lauf der Tiber, die Communication mit Toscana und den Vatikan beherrschte. Durch Sergius III. wurde sie Mutter, Großmutter und Urgroßmutter von drei Päpsten und schaltete nach Willkür mit dem heil. Stuhle. Ihre beiden Gatten waren die entschiedensten Feinde Johanns X., welcher durch Theodora auf den päpstl. Thron erhoben worden war; sie setzten ihn ab, warfen ihn in ein Gefängniß, wo er starb, tödteten seinen Bruder und verliehen die Tiara zweien von ihren Creaturen. 931 wurde Marozia zum zweiten Male Witwe. Einen Sohn erster Ehe erhob sie, kaum 20 Jahre alt, unter dem Namen Johann XI. auf den heil. Stuhl, ihren andern Sohn Adalbert setzte sie schmählig zurück und entblödete sich sogar nicht, ihren Stiefsohn Guido zu heirathen. Nach seinem Tode ging die bejahrte, aber noch lebens- und intriguenlustige Frau eine neue Verbindung mit Hugo, König von Arles und Italien, ein. Bei der Vermählung mit ihm zwang sie ihren Sohn Adalbert, den neuen Stiefvater an der Hochzeitstafel als Knecht zu bedienen. Um sich für diese Schmach zu rächen, erregte derselbe einen Aufstand, schlug die Burgunder, mit welchen Hugo Rom besetzt hatte, vertrieb ihn und seine Schaaren mit Hilfe der begeisterten römischen Jugend, nahm Marozia gefangen und sperrte sie in ein Kloster, wo sie ohne Theilnahme, ohne Bedauern, vergessen als Herrscherin, verachtet als Frau starb. Ihr Todesjahr hat die Geschichte nicht aufgezeichnet, und keine Feder erhob sich, um ihren Namen von der verdienten Schmach zu reinigen.
–i–
http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.