- Preussen (Geographie)
Preussen (Geographie) (Geographie.), einer der mächtigsten Staaten Europa's, verdankt seine imposante Stellung nicht seiner Lage, seinem Umfang, seiner reichen Bevölkerung, sondern hauptsächlich seiner moralischen Kraft, seiner Erz gewordenen Nationalität, seiner Energie (der Regierung, wie des Volkes!), seiner unermüdeten Thätigkeit. Zerstückelt wie wenig andere ist dieses Land; keine Gebirgsketten oder Ströme zeichnen seine vielfach ausgezackten Grenzen, verschiedenartige Völkerschaften bilden seine Nationalität, aber die Weisheit der Regierung, gemeinsame Interessen und eine durchgreifende Intelligenz haben sie verschmolzen. Die einzelnen Provinzen des großen zusammenhängenden Theils der östl. Monarchie sind folgende 6: Brandenburg, Pommern, Schlesien. Sachsen, Ost- und Westpreußen, und Posen. Der westl. Theil umfaßt die Provinzen Westphalen und Rheinpreußen; ein dritter Theil ist das Fürstenthum Neufchatel, begrenzt von Frankreich und der Schweiz. Diese weite Ausdehnung unter verschiedenen Breitegraden bedingt auch eine Verschiedenheit des Bodens, des Klima's und der Produktion. Kalt, rauh und stürmisch sind die Küstenstriche der Ostsee, sandig und dürre die Ebenen Posens und Brandenburgs, fruchtbar die Fluren Schlesiens, Sachsens, Westphalens und Rheinpreußens; in Neufchatel herrscht die Alpennatur vor, am Rhein und der Mosel gedeiht Wein, im hohen Norden nur wenig Weizen. Wenn wir das Riesengebirge und den preuß. Theil des Harzes ausnehmen, so ist Preußen arm an imposanten Gebirgen; reich aber an Seen und besonders an großen, schiffbaren Strömen: Mosel, Rhein, Elbe, Weser, Oder, Weichsel etc. – Seine Hauptgrenzen sind im Norden die stürmische Ostsee (der einzige Küsten- und Hafenstrich P's), im Osten Rußland, im Süden Oestreich, Sachsen und mehrere deutsche Bundesstaaten, im Westen Frankreich etc. Von den 14 Millionen Einwohnern, welche auf 5040 Quadrat M. leben, sind über 8 M. evangel. Christen, über 5 M. Katholiken, 15,000 Mennoniten und gegen 170,000 Juden. Von dieser Menschenmasse kommen in den fruchtbaren und gewerbthätigen Rheinlanden 5000 auf 1 qm. M.; in dem sandigen und steinigen Pommern aber nur 1500 auf denselben Raum. Ursprünglich waren die verschiedenen Völkerschaften Preußens größtentheils Slaven, die aber im Verlaufe der Jahrhunderte mit den Deutschen vermischt und so teutonisirt wurden. Rein slavisch sind noch die Polen in der Provinz Posen, die Lithauer, die Wenden in der Lausitz etc. 9 Elftel der ganzen Volksmasse sind Deutsche, nur im Kreise Saarlouis befinden sich Franzosen. Trotz der bemerkten Verschmelzung dieser Völkerschaften hat jede einzelne derselben doch noch einige charakteristische Verschiedenheiten behalten, und man unterscheidet leicht den tapfern, ernsten Brandenburger, voll Selbstgefühl und Biederkeit, den kräftigen, rauhen, treuherzigen, eisenfesten Pommer, den genialen Rheinländer, den braven, herzlichen und gemüthvollen Schlesier, den schlauen, gewandten Posener etc. Preußens Hafenstädte, zugleich die Abzugsquellen seiner Industrie und die Organe seines Seehandels, sind Memel, Pillau, Danzig, Kolberg, Swinemünde, Stralsund, sämmtlich an der 104 Meilen langen Ostseeküste gelegen. – P. hat mit dem übrigen Mitteleuropa dieselben zahmen und wilden Thierarten; reißende Thiere befinden sich nur in den Wäldern Posens. Reich an Fischen sind die Ströme und die Ostseeküsten, reich an Wild die großen Wälder, welche zusammen 10 Millionen Morgen betragen. Bedeutend ist die Pferdezucht; man rechnet über 1½ Mill. dieser edlen Thiere. Getreide- und Obstbau wird in der größten Ausdehnung, der Bergbau sehr schwunghaft betrieben. Die Salinen liefern jährlich über 1½ Mill. Centn. Salz, die Rheinprovinz erzeugt jährlich 350,000 Eimer trefflichen Wein; die Ostsee spendet Bernstein, der weit nach Asien und Afrika hinab in den Handel kömmt. Mineralquellen entspringen in Schlesien, Sachsen, Westphalen und namentlich in Rheinpreußen; die Flußschifffahrt ist von der größten Wichtigkeit, Schiffe unter preuß. Flagge durchkreuzen alle Meere; Nationalbanken, Kassenvereine, Assekuranz-Compagnien etc. beleben den Pulsschlag des weit verbreiteten und vielfältig verzweigten merkantilischen Verkehrs. Preußens Industrie ist großartig, der Macht des Landes, seinen materiellen Kräften und dem Gewerbfleiß seiner tüchtigen Bewohner angemessen; wir erwähnen hier nur die so bedeutenden Woll-, Baumwoll-, Seiden-, Tuch- und Ledermanufakturen, die Leinwandwebereien, Bleichen, Färbereien, Zuckersiedereien, Tabakfabriken, Branntweinbrennereien, Brauereien, die Guß- und Eisenwaarenfabriken etc. Justiz und Verwaltung sind musterhaft, die Posteinrichtungen unübertrefflich, die Polizei- und anderweitigen Sicherheitsanstalten ausgezeichnet. – Kaum wird in andern Staaten auf den allgemeinen Unterricht so viel verwendet, wie in Preußen. Seine 6 Universitäten: Berlin, Breslau, Halle, Königsberg, Bonn und Greifswald, welche zu den ersten und berühmtesten Deutschlands gehören, werden von 4500 Studirenden besucht; groß ist die Anzahl der Gymnasien, Lyceen und Pädagogien; an Volksschulen zählt man 18,000. In Berlin sind zahlreiche Kunstakademien; Düsseldorf hat eine eigene Malerakademie; Kunstmuseen und Bibliotheken besitzen sogar die Städte zweiten und dritten Ranges. Gleichen Schritt mit diesen Instituten halten die Wohlfahrtsanstalten: Krankenhäuser, Waisenhäuser, Institute für Blinde, Taubstumme, Irre. Nicht mit Unrecht ist Preußen der Träger der europäischen Kultur genannt worden. Die Intelligenz hat sich verhältnißmäßig durch alle Stände verbreitet; Aufklärung, Kenntnisse und Sittlichkeit brechen immer weiter und tiefer unter dem Volke Bahn. – Die Kräftigkeit von Preußens Nationalität hat sich durch Jahrhunderte in Großthaten, Aufopferungen, Leiden und Erhebungen bewährt. Rührend ist die Liebe des Volkes zu seinem angestammten Herrscher, der immer nur wie ein liebender Vater seiner Millionen Kinder betrachtet wird. Hierzu rechne man noch den Ordnungssinn des Volkes, seine Anhänglichkeit an die Institutionen des Staates, seine Ruhe und gemäßigte Haltung in stürmischen Zeiten, und man wird gestehen, daß es einer solchen Macht wohl zukömmt auf den Weltcongressen mit den Stimmführer abzugeben. – Der preuß. Heldenmuth hat zu allen Zeiten (im 7 jährigen Kriege, in den Jahren 1813–15) seinen Namen für ewig unvertilgbar in die Weltgeschichte eingeschrieben. In der treuen Erinnerung des Volkes lebt noch immer der große Friedrich und die angebetete Königin Luise. – Preußens literar. Thätigkeit übertrifft die aller andern Staaten von gleicher Größe, es hat Heroen im Gebiete der Wissenschaften eben so wohl, wie in dem aller Künste hervorgebracht. Und welche glänzende Reihe berühmter Helden und Staatsmänner! –. Doch alles romantischen Interesses entbehrt das hier geschilderte Land trotz seiner weiten Sand- und Heideflächen keineswegs. Wie imposant sind nicht die Gebirge Schlesiens, wie schön seine Thäler und Auen, wie malerisch die Gegenden an der Ostsee, wie reizend die Ufer des Rheins mit ihren prangenden Städten und ritterlichen Burgen, wie anmuthig die Wesergebirge und die minden'schen Berge, wie schauerlich ernst erscheint der teutoburger und der Westerwald! Reich an wilden und grotesken Gebirgsformen sind westlich vom Rhein das hohe Veen, das Eifelgebirge, der Hundsrück etc. Und welche große, geschichtliche Erinnerungen, umwebt vom Zauber der Romantik, knüpfen sich an die Städte Königsberg, Marienburg, Aachen, Kölln etc. und an so viele andere Städte, Burgen und Schlösser! – Dieß Alles zusammengenommen: warum sollte der Preuße sein Vaterland nicht lieben, warum sollte er nicht stolz sein, ein Preuße zu heißen? – Solche verschiedenartige Ländertheile müssen natürlich auch eine Verschiedenheit der äußern und innern Verhältnisse des Frauenlebens darbieten. Die Bewohnerin des nördlichen (norddeutschen) Theils des Königreichs ist schlank, hochgebaut, von gefälligen Formen, meist blond, von blendend weißem Teint, mehr ernst, als lebhaft, hochgebildet, scharf vom Verstande, geistreich. Mehr neigt sie sich der wissenschaftlichen, ja speculativen Seite des Lebens zu, als den Zauberlabyrinthen, den bunten Südhimmeln der Phantasie und des Humors. Treu in der Liebe ist sie eine treffliche Mutter, eine sorgsame Hausfrau. Hingebend und sanft als Mädchen, ist sie stolz und würdevoll als Frau und Matrone, ohne je hochmüthig zu sein. – Die braunäugige, schwarzgelockte Rheinländerin ist mehr sinnlich als speculativ, lebhaft, feurig, launig, treuherzig und einfach. In ihren Adern rollt das Blut der Reben ihrer Stromufer. Phantasie und Herz sind lebendiger, gesteigerter. Ihre Liebe ist mehr Leidenschaft als Erkenntniß; aus dem feurigen Mädchen aber wird eine besonnene, treffliche Hausfrau. Die schönen Westphalinnen, besonders jene, die sich zum Katholicismus bekennen, sind fromm, religiös-schwärmerisch, mehr in sich gekehrt, contemplativ, züchtig, sanft und herzlich-treu. Fast Aehnliches gilt von den Schlesierinnen, die sich noch durch eine harmlose Laune, Mutterwitz und eine besondere geschäftige Regsamkeit auszeichnen. Die Polinnen im Großherzogthum Posen gleichen ihren übrigen Stammgenossinnen in Polen. Hier ist der Nationalismus, der weibliche Charakter in seiner Abweichung vom deutschen scharf ausgeprägt. Anmuth, Grazie, schöne Formen, Geist, Humor, Lebhaftigkeit, Liebe, Gesang und Tanz – das sind ihre Grundelemente, und wenn man will die Ingredienzien, aus welchen das reizende polnische Weib zusammengesetzt ist.
–n.
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