- Raphael, der Maler
Raphael, der Maler, Sanzio von Urbino. Unsterblicher Name! Gekannt selbst von denen, welchen die Kunst fremd und gleichgiltig ist, und die von Rubens, Tizian und Dürer nichts wissen. Er ward am Charfreitage 1483 (d. 8. oder 26. März) zu Urbino, wo sein Vater, Giovanni Sanzio, ein wenig berühmter Maler, lebte, geb., und verrieth schon als Knabe das Genie, das ihn über die größten Maler aller Zeiten erheben sollte. Töpfergeschirre (s. Fayence), die er für eine junge Nachbarin bemalt hatte und das kunstreich ausgeführte Bild einer Madonna, von Raphael auf die Hofwand gezeichnet, gaben dem Vater die Ueberzeugung, daß seine Leitung zu wenig für dieß aufstrebende Talent sei. Seinen Bitten gelang es, den Sohn in die Schule des Pietro Perugino zu bringen, und hier währte es nicht lange, daß R. nicht nur die Mitschüler übertraf, sondern sogar den Meister in einem so hohen Grade erreichte, daß man beider Arbeiten aus jener Zeit schwer unterscheidet. Der Ruf der großen Kunstschöpfungen Michel Angelo's und Leonardo's da Vinci zog den achtzehnjährigen Jüngling nach Florenz, wo ihm tüchtige Künstler befreundet entgegen traten und neben denen der Zeitgenossen auch die Werke älterer Meister sein eifriges Studium wurden. Der Tod seiner Aeltern rief R. von Florenz, doch kehrte er später, nach einem kurzen Aufenthalte zu Perugia, seiner zweiten Vaterstadt, wieder dorthin zurück. Früherer ausgezeichneter Gemälde gar nicht zu gedenken, erwähnen wir nur der berühmten Grablegung Christi, zu der er jetzt den Carton ausarbeitete, um sie später in Perugia zu vollenden. Dieß, eins seiner schönsten Werke, befindet sich gegenwärtig im Palaste Borghese zu Rom. Nach Beendigung desselben ging er zum dritten Male nach Florenz, und soll damals die wunderliebliche Madonna mit dem Jesuskinde in einem Garten spielend (la bella Giardiniera zu Paris) gemalt haben. Der Ruf des jungen Künstlers wuchs höher und höher. Die Schule von Florenz, deren gefeiertsten Meistern man ihn bereits beizählte, hatte alle ihre Vorzüge auf sein künstlerisches Wirken übergetragen, und 1508 rief ihn der Wunsch Bramante's, dem Papst Julius II. Bau der Peterskirche Und die Ausschmückung des Vaticans übertragen hatte, nach Rom. Hier, wo er Theil an diesen Riesenarbeiten nehmen sollte, begann das, was die dritte Periode im Kunstleben des R. heißt. Glänzend empfangen vom Oberhaupte der Kirche und Roms Kunstjüngern, rechtfertigte der junge Maler bald die an ihn gemachten Anforderungen in so hohem Grade, daß der Papst sämmtliche von andern Malern früher im Vatican angebrachte Gemälde vertilgen ließ und die Verschönerung dieses Palastes einzig R. übertrug. Die prächtigen Wandgemälde, welche seine Meisterhand dort hinzauberte, gehören zu den bewundertsten der mit solchen Schätzen vielfach prangenden Roma, und ehe der Fremde nach den reichen Galerien anderer Fürstenwohnungen fragt, eilt er zum Vatican, um die weltberühmten Stanzen (das sind Zimmer)des R. zu sehen. Der Tod des Papstes Julius erhob Leo X. auf apostolischen Thron, und dieser, dessen köstliches von R. gemaltes Portrait jetzt in Paris bewundert wird, ließ es ebenfalls an Auszeichnungen und Entwürfen für den Meister nicht fehlen. Außer der vielgerühmten heiligen Familie, la Perla genannt, dez Madonna della pesce (beide im Escurial, die Madonna del Foligno hatte er schon früher gemalt), und mehreren andern köstlichen Staffeleigemälden, die er in dieser Epoche vollendete, setzte R. nun auch noch die Verzierung der Loggien (d. h. Galerien, welche. die Zimmer verbinden), die Bramante begonnen hatte, fort. Leider haben diese, wie die Stanzen in den Kriegen des Mittelalters sehr gelitten, Nach der Einnahme Roms durch Bourbon waren es vorzüglich die deutschen Landsknechte, die zur Schande unseres Vaterlandes mit wahrem Vandalen-Uebermuth an den Fresken R's frevelten, ja sogar Wachtfeuer in den Loggien anzündeten. Was geschehen konnte, das Uebel wieder gut zu machen, das that der endlich eintretene Friede, aber um den alten Glanz vollkommen herzustellen,) hätte es eines zweiten R. bedurft. Unbeschädigt erhielten sich glücklicher Weise andere Wandmalereien des großen Künstlers in einigen Privatpalästen und Villen doch allgemeiner noch als sie zeugen seine überall verstreuten Staffeleigemälde von dem Genius des Meisters. Dresdens unerreichte Madonna del san Sisto, die Madonna della sedia zu Paris, der vierfach vorhandene Johannes in der Wüste, Ezechiel's Traum, mehrere wunderschöne Portraits, als der Beatrice von Ferrara, Johannen's von Arragonien, und das seiner geliebten Fornarina, von dem es heißt: »Tanto è espressiva, tanto è ben composta la bella immagine, che fà in chi la riguarda lo stesso affetto comme il levar del sole« (so ausdrucksvoll, so trefflich componirt ist das schöne Bild, daß es auf den, der es anschaut, denselben Eindruck macht, wie der Sonnenaufgang). Selbst schön, huldigte R. gern und mit Aufopferung der Schönheit. Die reizende Bäckerin (Fornarina), der er unbegrenzt ergeben war, trieb ihn aus Habsucht zu rastloser Thätigkeit, der die Nachwelt eine große Menge Gemälde verdankt; aber diese Anstrengung untergrub auch R's Kräfte und bereitete seinen frühen Tod vor. Um den von ganz Europa hochgepriesenen Künstler, für den es fast keine neuen Ehrenbezeugungen mehr gab, aus solch' unwürdigen Banden zu reißen, beschloß Papst Leo ihn mit seiner eigenen Nichte, einem holden, weiblichen Wesen, zu vermählen. R. arbeitete mittlerweile eifrig an dem Gemälde, das die Krone seiner Künstlerlaufbahn sein sollte, – die Verklärung Christi – ehe es aber beendet und die Verbindung geschlossen war, winkte ihm selbst nach kurzer Krankheit der Engel zur eigenen Verklärung. Am Charfreitage, der ihn vor 37 Jahren in's Leben treten sah, den 7. April 1520, verschied R., und unendlich wie der Ruhm, den er über Rom verbreitet hatte, war der Schmerz, den die Weltstadt über seinen Hintritt bezeugte. Auf einem prächtigen Katafalk im eigenen Attelier seinem himmlischen Gemälde, der Verklärung, gegenüber öffentlich ausgestellt, ruhte die Leiche des Stifters der römischen Schule, und ward dann mit fürstlichem Pomp im ehemaligen Pantheon, der Kirche Maria della Rotonda, beigesetzt. Von Carlo Maratti verfertigt, bezeichnet R's edle Büste dort die Stelle, wo seine Gebeine ruhen, und der geistreiche Kardinal Bembo fügte folgende Grabschrift hinzu: Ille hic est Raphael, timuit quo sospite vinci Rerum magna parens et moriente mori, das heißt: »Hier liegt der Raphael, von dem, als er lebte, die Natur übertroffen zu werden fürchtete und mit seinem Tode zu sterben.« Kurz, doch thaten- und genußvoll war das Leben R's, der als Mensch eben so gut und liebenswürdig, wie groß als Maler erscheint. Unter seinen Schülern, die ihn bei seinen zahlreichen Arbeiten fleißig unterstützten und denen er nicht nur Lehrer und Freund, sondern sogar Vater, wie dem Polidoro von Caravaggio, gewesen war, glänzten, vorzüglich Giulio Romano, nach ihm als Sterne am Kunsthimmel, und von den bedeutendsten Mitlebenden hatte nur Michel Angelo Buonarotti sich so weit vergessen, den harmlosen, gutmüthigen R. neidisch anzufeinden. Ein gefährlicher Nebenbuhler stand jener große Künstler ohnedem neben Letztern, wie vor ihm als Meister in der Färbung Titian und Correggio, doch höher selbst wie diese stellt den R. die mit unaussprechlicher Anmuth gepaarte Würde seiner Gestalten, ihre idealste Natürlichkeit und der oft göttliche Ausdruck derselben.
F.
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