Theoxena

Theoxena

Theoxena, eine der edelsten Frauen der griechischen Vorzeit, deren kühne Entschlossenheit und Seelengröße an die ersten Helden ihres Vaterlandes erinnert. Sie lebte zu jener Zeit, wo sich die macedonische Herrschaft über das in Ueppigkeit und Weichlichkeit versunkene Volk des alten, einst so blühenden, Hellas erstreckte. Es schien ohne Murren unter das sclavische Joch der Römer und des macedonischen Philipp's sich zu beugen. Nur in Einzelnen, wie in T. lebte noch der wahre Begriff der Freiheit, aber um so glänzender tritt diese Frauengestalt aus der sie umgebenden Finsterniß hervor. Sie war die Tochter des Herodicus, eines vornehmen Bürgers der Stadt Thessalonika, der als Schlachtopfer von Philipp's V. Tyrannei fiel. Gleiches Schicksal erlitt T's Gemahl, ein edler Thessalier, dessen Einfluß der König fürchten mochte. Nachdem ihre Ehe auf diese blutige Weise getrennt worden war, widmete sie sich ausschließlich der Erziehung ihrer Kinder, die sie vor Allem zu würdigen Menschen heran zu bilden strebte. Wohl würde sie sich schwerlich zu einer zweiten Vermählung entschlossen haben, hätte nicht der Tod einer ewig geliebten Schwester, die mehrere noch unerzogene Kinder hinterließ, ihr neue Pflichten auferlegt. Um besser für sie sorgen zu können, reichte sie dem verwitweten Gemahle ihrer Schwester, Namens Poris, ihre Hand. Das Schicksal schien nunmehr müde zu sein, diese edle Seele mit Schmerzen heimzusuchen und ein stilles heiteres Glück den Abend ihres bewegten Lebens versüßen zu wollen. Allein wie kann man ein ungestörtes Glück erwarten, wenn Gesetzlosigkeit und Willkühr die einzige Richtschnur der Herrscher sind? Philipp V. erließ den Befehl die Kinder aller früher durch ihn hingerichteten Griechen einzufangen und unter seine Aufsicht zu stellen. T. suchte die ihrigen durch die Flucht dieser Verordnung zu entziehen, die ihr schlimmer dünkte als selbst der Tod. Sie und ihr Gatte beschlossen, sich nach Athen zu begeben, wo der mächtige Einfluß der Römer des Maeedoniers Herrschaft eine Grenze entgegen stellte. Glücklich waren sie nach Aenea gelangt, wo sie sich heimlich einschifften. Aber ein grausames Geschick schien ihr Verderben beschlossen zu haben; widrige Winde hielten das Schiff die ganze Nacht hindurch in einer Bucht, unsern der Stadt fest. Mit Tagesanbruch verbreitete sich die Nachricht von des Poris Flucht in Aenea und rief die willfährigen Diener des Tyrannen herbei, um die Befehle des letztern an den Gliedern dieser würdigen Familie zu vollziehen. T. sah ein, daß keine Hilfe mehr möglich war; da kam in ihrer Seele schnell der Entschluß zur Reise sich und ihre Kinder durch einen freiwilligen Tod Philipp's Schergen zu entziehen. Längst führte sie, auf einen solchen Fall vorbereitet, Gift und Dolch bei sich. Beides stellte sie vor ihre Kinder mit den Worten: »Sterbt frei, wie ihr frei gelebt! Sterbt als meine Kinder!« Einer solchen Mutter würdig, mordeten jene sich unter einander und stürzten sich halb entseelt vom Schiffe herab, während T. und ihr Gemahl gleichfalls den sichern Tod in den Fluthen des Meeres fanden. Philipp's Knechte erreichten das Schiff, aber sie gewahrten mit Schrecken die von den Wogen getragenen, blutigen Leichname. T's heldenmüthiger Tod, den wir einen vielfachen nennen möchten, weil sie das Theuerste, was sie auf Erden besaß, vor ihren Augen sterben sah, fällt in das Jahr 182 vor Chr. Geb. Betrachten wir ihre That vom christlichen Standpunkte, so verliert sie von ihrem Werthe, im Sinne der antiken Welt ist sie jedoch wahrhaft groß.

E. v. E.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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