Barton, Elisabeth

Barton, Elisabeth

Barton, Elisabeth, von Vielen die heilige Jungfrau von Kent genannt, war in dem Kirchspiel Aldington in der Provinz Kent geboren, und rühmte sich schon in frühester Jugend überirdischer Erscheinungen und göttlicher Offenbarungen, weßhalb sie sich auch zum geistlichen Stande berufen glaubte, und den klösterlichen Schleier nahm. Sie lebte zu den Zeiten König Heinrich's des Achten, dessen Ehescheidung von Katharina von Aragonien großes Mißfallen im Lande erregte, und in ihr einen Ingrimm hervorbrachte, der sie zuweilen in einen convulsivischen Zustand versetzte, welche leichtgläubige Menschen für eine Verzückung hielten. Sie pflegte dann zu weissagen, daß Gott diese nur auf den Wankelmuth des Königs gegründete Ungerechtigkeit gegen eine edle unglückliche Frau bald durch seinen schmachvollen Tod bestrafen werde und das Volk, das ihr immer, ihres musterhaften Wandels und ihrer Wohlthätigkeit wegen, zugethan war, betrachtete sie wie eine Gottgesandte, welcher die Geheimnisse der Zukunft unverhüllt vor Augen lagen, und die auch noch ungeschehene Dinge in vollster Klarheit zu prophezeien wußte. Eine zahllose Menge drängte sich zu ihrer Nahe, auf jedes Wort lauschend, und es weiter verbreitend. Aber trotz des Schutzes, den die Volksgunst ihr zu gewähren strebte, wurde die Aufregung, die sie bewirkte, doch zu groß, um nicht endlich eine gerichtliche Untersuchung über sie zu verhängen. Man fand jedoch Grund, sie für wahnsinnig zu halten, und begnügte sich daher, sie zu einer öffentlichen Abbitte zu verdammen, die sie gezwungen wurde, in der St. Paulskirche zu London feierlich auszusprechen. Kaum aber war dieß geschehen, als ihr Widerruf diese Abbitte, so wie alle die demüthigen Worte, die man sie genöthigt hatte, zu gebrauchen, für null und nichtig erklärte. Ihre Anhänger vereinigten sich nun mit ihr, jene frühern Weissagungen und Drohungen, die sich auf den baldigen Untergang des Königs bezogen, immer gehässiger zu verbreiten, und da die Verstoßung der schuldlosen Königin Katharina ohnehin die Gemüther empörte, so wäre es fast zu einem Aufstande gekommen, wenn nicht die schärfsten Maßregeln getrachtet hätten, ihn im ersten Entstehen zu unterdrücken. Elisabeth wurde gefangen genommen, und das Resultat war, daß sie aufrichtig bekannte, wie einst in einer Krankheit ihre Fantasie so gereizt gewesen, daß sie, ohne es selbst zu wissen, allerhand außerordentliche Reden geführt, deren sie sich nachmals nicht mehr habe erinnern können; Richard Master, Prediger zu Aldington, habe sie davon unterrichtet, und sie überredet, es für eine Eingebung des heiligen Geistes zu halten, und gesagt, sie müsse auch fernerhin den Schein einer solchen Begünstigung von Oben behaupten, um belehrend und bessernd auf das Volk zu wirken, dessen geistige Wohlthäterin sie auf diese Weise werden könne. So habe er sie nach und nach verleitet, jede Einflüsterung von ihm unter verstellten Entzückungen als eine Offenbarung von Gott auszugeben, auch einen Brief, mit goldenen Buchstaben geschrieben, den man ihr eingehändigt, unter der Behauptung vorzuzeigen, daß die heilige Maria Magdalena ihn ihr selbst unter dem Wohlklang göttlicher Harmonieen aus dem Himmel gereicht. Der Zweck aller dieser Betrügereien sei der gewesen, durch einen allgemeinen Aufruhr den König zu schrecken, und ihn zu nöthigen, seine rechtmäßige Gemahlin Katharina wieder zu sich zu nehmen. Die Partei dieser Königin, wenn auch nicht sie selbst, habe dieß strafbare Unternehmen zwar nicht eingeleitet und befohlen, aber doch in jeder Hinsicht aufgemuntert und gefördert, und sie, so wie einige Vertraute, die ihr geholfen hätten, ihre Erdichtungen wahrscheinlich zu machen, seien nur die Werkzeuge in der Hand gewesen, welche sie geleitet habe. Sie klagte sich ferner eines unsittlichen Umganges mit mehreren Geistlichen an, welche auf dieses Geständniß eingezogen, und da sie ihr Vergehen nicht läugnen konnten, theils zum Tode, theils auf längere oder kürzere Zeit zum Gefängniß und zu bedeutenden Geldstrafen verurtheilt wurden. Elisabeth Barton, welche in ihren letzten Tagen von Reue durchdrungen schien, mußte ebenfalls ihr Leben auf dem Schaffot verlieren, wo sie noch einmal laut und öffentlich den verübten Betrug freiwillig bekannte, und dann ergeben in ihr Schicksal starb. Ihre Hinrichtung ging im Jahre 1534 vor sich. Was bei der Geschichte dieser falschen Prophetin am meisten verwundern muß, ist, daß mehrere der gelehrtesten und hellsehendsten Männer jener Zeit, als: der Erzbischof von Canterbury, Warham, der berühmte Kanzler, Thomas Morus, der Bischof von Rochester Ficher, und andere, sich lange von dieser Gauklerin täuschen ließen, zu ihren wahren Anhängern gehörten, Briefe mit ihr wechselten, und, gleich dem gemeinen Pöbel, ihr Glauben schenkten. Sie waren deßhalb genöthigt, dem König ein schriftliches Bekenntniß ihrer strafbaren Leichtgläubigkeit abzulegen, und um seine Vergebung zu flehen, welche er ihnen auch, jedoch verbunden mit einem scharfen Verweis, ertheilte.

A.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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