- Musik
Musik. Sie ist die Schwester der Liebe, beide allein haben das Idol der höchsten Schönheit, den flüchtigen Fuß; denn was anderes erhält dem Morgen, dem Abend, den Wolken, den Wogen, den Träumen ihre ewige Jugend, als die kurze Dauer? Während ein Bild, ein Tempel, eine Statüe in ihrer unbeweglichen, starren und darum unvollkommenen Schönheit sich uns bis zur Uebersättigung anbieten, wie ein ruhiger See, dessen Ufer man nach allen Seiten zugleich übersehen kann, – gleichen Poesie und Musik jenem heiligen Quell, der unerschöpflich mit lebendigem Rieseln unter Schattenbäumen das Thal mit Wohlgeruch und Fruchtbarkeit überströmt. Genuß und Begeisterung hängen stets an den Kothurnen der Musen; aber heimlicher und verhüllter, und darum entzückender schreitet Euterpe auf der klingenden Sohle. Sie kam zur Freude, zum Troste der Menschen, und verschwisterte ihre innige Jugend mit unseren Herzen. – Als sie zuerst zur Erde stieg, eilte sie in die Tempel, die unter Palmen standen, und griff in die Harfen zu den Psalmen der heiligen Propheten. Sie ließ ihre Stimme erschallen in dunklen Lorbeerhainen vor den duftenden Altären freundlicher Götter, sie sang von des Olympos menschlichen Regungen und von den Götterthaten der Menschen; sie wanderte zu den hohen Eichen des Nordens, zu den Barden und Skalden, rief zu Kampf und Sieg, und offenbarte vor Walhalla's Thoren der Schöpfung Geheimnisse. – Da schied sich die Dämmerung vom Lichte, und eines Einzigen Stimme erweckte die künftigen Geschlechter aus dem Schlummer. – Und wir finden die Göttliche wieder in Cäciliens heiligem Gewande, in der Kreuzeshalle der Kirchen begeisternde Hymnen singend mm Lobe des alleinigen Gottes, und die inbrünstige Gnadenbitte der Sünde lallend vor dem Throne Mariens und ihres richtenden Sohnes. – Aber nachdem sie Jahrhunderte in den finstern Zellen gewandelt, und die Mauern um sich wanken sah vor dem Strome der Zeit, da flüchtete sie hinaus, zurück zum Leben der Welt, in die goldene Freiheit. Ihre Kraft war wunderbar in der stillen Einsamkeit erstarkt, und sie errichtete nun selber ihre Tempel, deren Säulen ewig dauern werden, wie ihre unsterbliche Jugend, und worin sie thront in ewiger Schöne. – In dem Einen dieser Tempel klingen nur leise Töne des Herzens, und durchbeben mit stillem Genusse den Hörer; in einem Andern ist eine Bühne des Lebens erbaut, wo die Gefühle, Leidenschaften und Thaten der Menschen in gewaltiger Wahrheit, durch Töne geschildert, erschüttern und rühren, und in einem Dritten schallen noch, wie vor Jahrhunderten, heilige Harmonien zur Verehrung des Schöpfers empor. In neuester Zeit aber kam eine Kunde, daß in einem einsamen, romantischen Thale, von nordischen zackigen Felsen umringt, von blühenden Orangenhainen durchduftet, voll tiefer Schluchten und Grotten, in denen Feen und Nymphen schlummern, und lustige Quellen rauschen, sich die Hallen eines neuen Tempels erheben, der unter seiner strahlenden Kuppel den Lieblingssitz des Allerheiligsten der Götter berge; und schon klangen süße, wunderbare Melodien herüber und mächtige Akkorde, die uns mit Sirenenzauber zu dem Fuße des neuen Altars locken. (Ueber Geschichte der Musik vergl. deutsche, italien., französ. Musik.)
–k.
http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.