- Estampes, Anna, Herzogin v.
Estampes, Anna, Herzogin v., Anna de Pisseleu, Herzogin von, früher Dem. d'Heilly genannt, wurde 1508 geboren. Sie war Hofdame der Herzogin von Angoulème, der Mutter Franz's I., welche während seiner Gefangenschaft die Regentschaft führte. In dieser Eigenschaft begleitete sie die Regentin, als diese ihrem Sohne, der nach dem Madrider Tractat aus der Gefangenschaft entlassen wurde, bis an die Grenze entgegenreiste. Hier sah sie Franz I. Sie war erst 18 Jahre alt, und eben so schön als geistreich. Gleich im ersten Augenblicke faßte der junge Monarch eine glühende Leidenschaft zu ihr und sagte sich von der Gräfin Chateaubriant los, die er bis dahin zärtlich geliebt hatte. Anna wußte den König so zu fesseln, daß seine Neigung eine dauernde wurde. – Enthusiastisch eingenommen für die schönen Künste und Wissenschaften, unterstützte sie dieselben großmüthig, und erhielt den Beinamen einer Mäcenin der Schöngeister. Man nannte sie »die Schönste der Geistreichen und die Geistreichste der Schönen.« Um ihr bei Hofe einen Rang anzuweisen, vermählte sie Franz mit dem Herrn de Drosse, den er zum Gouverneur der Bretagne und Herzog von Estampes ernannte. – Die Herzogin benutzte ihre neue Stellung, um ihre Familie zu bereichern; ihre drei Bruder wurden Bischöfe, ihre Schwestern Aebtissinnen und die Uebrigen vermählten sich mit den Sprößlingen aus den ersten Familien des Landes. – Aber all' dieser Glanz wurde durch die Eifersucht getrübt, welche Anna gegen die Diana von Poitiers (s. d.), die Geliebte des Dauphins. hegte, und die ihrerseits Annen auf das Tödtlichste haßte. Die Eifersucht der beiden Frauen spaltete den Hof in zwei Parteien, die sich wechselsweise anfeindeten. Die Herzogin bildete einen Anhang zu Gunsten des Herzogs von Orleans, der seiner ausgezeichneten Eigenschaften wegen ohnedieß die Vorliebe des Königs besaß. Diana ihrerseits stellte sich an die Spitze der Partei des Kronprinzen. Dieß Zerwürfniß hatte für Frankreich die traurigsten Folgen; denn die Herzogin, ohne Rücksicht auf das Interesse des Staates und stets das Uebergewicht des Dauphins befürchtend, widersetzte sich allen seinen Fortschritten im Kriege gegen Karl V. Dieser Monarch, von Anna's Einfluß auf den König in Kenntniß gesetzt, warb um ihre Freundschaft. Anna, die in einer solchen Verbindung nur Vortheile für ihre Intriguen sah, ergab sich seiner Politik und brachte es dahin, daß der Dauphin die Belagerung von Perpignan aufheben mußte. Karl V. durch Anna von diesem Ereigniß in Kenntniß gesetzt, warf 1000 Mann in die Festung und machte sie so unüberwindlich. Man beschuldigt sie gleichfalls, sie habe die Einnahme von Epernay und Chateau-Thierry befördert, da sie den Kaiser immer früher von allen Bewegungen der franz. Armee in Kenntniß setzte. – Die Leidenschaft des Königs und ihr geistiges Uebergewicht mißbrauchend, bewog sie ihn zu dem schimpflichen Vertrag von Crespy, gegen welchen der Dauphin später protestirte. – Aber die glänzende und verderbliche Wirksamkeit der Favorite sollte ein Ende haben. Franz I. starb am 31. März 1517. Der Dauphin bestieg als Heinrich II. den Thron und mit ihm Diana von Poitiers. Die Herzogin von Estampes hatte nur eine eingeschränkte Macht besessen, Diana regierte offenkundig. Alle Kreaturen der Herzogin fielen in Ungnade oder wurden verbannt; sie selbst der Rache ihrer Feinde Preis gegeben, sollte deren Großmuth empfinden. Mit der Macht die Gegnerin zu verderben, schien es Dianen plötzlich am Willen dazu zu mangeln. Diana ertheilte ihr bloß den Befehl, sich auf ihr Landgut zurück zu ziehen, und ließ sie im Besitze aller ihrer Reichthümer. Nach dem Tode des Königs beschützte Anna mit großer Vorliebe die Protestanten, was sie schon früher gethan, nur um Diana, welche dieselben verfolgte, zu kranken. Sie gab sich damit ab, Proselyten zu machen, und die Armen dieses Glaubens zu unterstützen. – Die Nachwelt muß Annen streng richten; sie hat das Vertrauen des Königs mißbraucht und über Frankreich viel Unheil gebracht, bloß um ihrem Ehrgeiz zu fröhnen. Aber schon die Zeitgenossen rächten sich an ihr. Zwanzig Jahre hatte sie die Gunst des Königs besessen, über Frankreich geherrscht und starb verachtet und vergessen, so daß man nicht einmal das Jahr ihres Todes genau kennt. Man nimmt an, sie habe 1576 den irdischen Schauplatz verlassen. Ihr Grab ist ganz unbekannt.
B.
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