Faust

Faust

Faust, der Schwarzkünstler. Die durch viele Länder verbreitete Sage von Männern, welche ein unbezwinglicher Drang nach mehr als menschlichem Wissen antrieb, sich mit Hilfe der Zauberkunst dem Geist der Hölle zu verbünden und für das Opfer ihrer unsterblichen Seelen eine Reihe von Jahren Erfüllung aller, auch der kühnsten und phantastischsten, Wünsche zu erhalten, concentrirte sich frühzeitig im deutschen Volk auf den Namen des Doktor Faust, und machte diesen zum Träger einer Menge theils hochpoetischer, theils auch abgeschmackter Mährchen, wie zum Heros einer großen Anzahl mehr oder minder gelungenen Dichtungen. – Daß ein Schwarzkünstler Faust wirklich gelebt, ist eben so unzweifelhaft, als daß er mit dem Buchdrucker Faust nicht eine und dieselbe Person war, wenn er auch vielleicht gleichzeitig mit ihm lebte, und wenn auch wirklich der Drucker von seinen Neidern als Schwarzkünstler verschrien wurde. Wichtige Zeugnisse damaliger Gelehrten, namentlich eines Melanchthon, Geßner, Abt, Tritheim, geben Kunde von ihm, wenn auch keine günstige, aber der Magus ward und blieb eine poetische Person, als solche die historische überwiegend und überflügelnd. Die Hauptquelle von und über ihn ist ein altes Volksbuch, welches zu Ende des 16. Jahrhunderts zuerst erschien. Des bekannten Erz-Zauberers Dr. Johann Fausts ärgerliches Leben und Ende. Nach diesem war Faust von armen Eltern geboren, studirte zu Ingolstadt Theologie, wurde Magister, wandte sich aber bald der Medizin und Astrologie zu, forschte immer weiter in magischen Büchern, citirte endlich den bösen Geist, verschrieb sich ihm auf die Reihe von 24 Jahren und empfing einen dienstbaren Dämon, Mephistophiles, durch dessen Hilfe er nun zahlreiche Zauberstückchen übte, Luftfahrten anstellte, und ein wildes, sorgloses Leben führte; er nahm auch einen Famulus und Zauberlehrling, Namens Wagner, an, der treulich bei ihm aushielt, und auf den er, als die Schreckensstunde des abgelaufenen Pakts erschien, sein Hab und Gut, vornehmlich seine Zauberbücher, vererbte. – Unter den Bearbeitungen der Faustsage machte sich zuerst die dramatische Behandlung geltend, und wahrscheinlich lag dieser das Puppenspiel zum Grunde, das auf mancherlei Weise variirt, noch heute von herumziehenden Marionettenspielern aufgeführt wird. Schon vor Shakspear schrieb der englische Dichter Christ. Marlowe einen Doktor Faustus, der ganz nach der deutschen Volksage bearbeitet ist. Maler Müller gab 1778 Fausts Leben dramatisirt; von Soden erschien 1797 ein Schauspiel dieses Namens, in Lessings theatralischem Nachlaß finden sich Fragmente eines Faust vor, und nach ihm trat Goethe mit seiner allbewunderten und hochgestellten Tragödie, anfangs auch nur Fragment, auf. Die hohe Vortrefflichkeit dieser Dichtung schreckte andere Bearbeiter keineswegs ab, sich an dem dankbaren Stoff zu versuchen. Es erschien Johann Faust, dramatische Phantasie von Schink, in zwei Theilen; der travestirte Dokter Faust von einem Ungenannten, Faust von Klingemann, die Oper Faust von Bernard, Faust, Trauerspiel mit Gesang und Tanz, von I. v. Voß, Fortsetzungen des Faust von Goethe als 2. Theil von Schöne, Hoffmann u. a, meist mißlungen, bis endlich der 2. Theil des Faust von Goethe selbst erschien. Als Roman benutzte Klinger die Faustsage, anderer vergessenen Productionen nicht zu gedenken. Rein episch als Gedicht arbeitete L. Bechstein seinen Faustus, und Nik. Lenau verheißt eine Bearbeitung in dramatisch-epischer Form, auch E. Ortlepp, B. v. B. u. a. geben Proben eines Faust, und man sieht aus diesen nur flüchtigen Andeutungen, wie sehr die Faustsage die deutschen Dichter anspricht und anregt. Es ist mit Gewißheit anzunehmen, daß der geschichtliche Zauberer Faust ein mit mehr als gewöhnlichen Kenntnissen ausgerüsteter Mann war, nicht fremd in den Gebieten der Physik und Sternkunde, dem es leicht wurde, das leichtgläubige Volk, und selbst die wundergläubigen Großen zu tauschen, ein kecker Abenteurer zugleich, der von seinen Künsten Gewinn zog. An seinen Namen schloß nun sich krystallisirend alle dunkle Tradition von frühern Zeiten her an, denn lange vor ihm gab es schon Zaubersagen, und Romane und Gedichte, wie das vom Zauberer Virgilius, von Militarius, u. a., und so wurde er selbst zum letzten Träger einer tiefwurzelnden, weitverbreiteten Sage des Volks, die nun mit glühenden und unvertilgbaren Schriftzügen an ihm haftet.

–ch–


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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