Isabelle, Königin von Frankreich

Isabelle, Königin von Frankreich

Isabelle, Königin von Frankreich, Tochter Stephan's II. von Baiern, geb. 1371, ist eben so berühmt durch ihren Einfluß auf die franz. Geschichte, als durch ihre Schönheit. Das große Ansehen, in dem das Haus Baiern stand, und das Bedürfniß Frankreichs, seine Macht durch das Bündniß mit einem deutschen Herrscherhause. zu verstärken, waren Ursache, daß für Karl VI. von Frankreich um die Hand dieser Prinzessin geworben wurde. Isabelle ward unter dem Vorwande einer Wallfahrt nach Amiens geführt, wo sie den kaum siebenzehnjährigen König sah, dem man die Verdienste und die Reize der jungen Fürstin mit den hellsten Farben geschildert hatte. Karl faßte für Isabellen die heftigste Leidenschaft und die Vermählung wurde den 17. Juli 1385 zu Amiens gefeiert. Die Festlichkeiten bei ihrem Einzuge in Paris übertrafen alles bisher Gesehene. Sie wurde unter dem ausgelassensten Jubel des Volkes gekrönt, das nicht ahnte, wie groß die Uebel sein würden, welche sie über Frankreich brachte. Ein Fest folgte dem andern und überbot das vergangene an Pracht, unter denen sich besonders ein Maskenball auszeichnete. Allein die Chronik von St. Denis sagt: »schon in diesen Tagen begannen jene unsittlichen Liebesintriguen, an welchen Isabelle leider so großen Antheil nahm, und sie soll bereits an diesem Abende das strafbare Verhältniß mit dem ehrgeizigen und lasterhaften Herzoge von Orleans, einem Bruder Karl's VI., angeknüpft haben. Die Schwachheit des Königs begünstigte jede Unsittlichkeit in Isabellens Leben; ihre Talente und ihre Liebenswürdigkeit dienten nur dazu, die Wunden des durch Parteigeist zerrissenen und vom Auslande bedrohten Staates unheilbar zu machen. Zwei mächtige Nebenbuhler, die Herzoge von Burgund und von Orleans, stritten um die höchste Gewalt und die Geistesschwäche des Königs, welche bald in völligen Blödsinn überging, vermehrte die Verwirrung. Karl wurde der Fürsorge seiner Gemahlin anvertraut, während man die Verwaltung des Staates dem Herzoge Johann ohne Furcht von Burgund übergab. Diesem widersetzte sich der Herzog von Orleans und vermochte Isabellen, in deren Herzen er unumschränkt herrschte, zu seinen Gunsten zu wirken. Johann mußte seinem Nebenbuhler weichen, rückte aber mit einem zahlreichen Heere gegen Paris, und die Königin mit ihrem Geliebten flüchtete nach Melun, wo sie, durch gleiche Interessen verbunden, Truppen zur Verstärkung ihrer Partei aushoben. Ein erzwungener Friede schürte nur die Flamme des Bürgerkrieges. Der Meuchelmord des Herzogs von Orleans, der im November 1407 im Schooße der Hauptstadt verübt wurde, setzte Alles in Gährung. Isabellen erfüllte der Tod dieses Fürsten mit tiefer Trauer, sie verließ Paris, wo der Herzog von Burgund und seine Partei siegten, kehrte jedoch, als dieser einen Zug nach Flandern unternahm, mit der königlichen Familie dorthin zurück und ließ sich zur Regentin des Reiches, während der Krankheit des Königs, ernennen. Von diesem Zeitpunkte an ging ihr Hauptbestreben dahin, sich aller Zweige der Verwaltung zu bemächtigen. Allein die zu diesem Endzwecke nur wenig übereinstimmenden Maßregeln setzten den Fortschritten des burgundischen Herzogs keinen wirksamen Damm entgegen. Er bemächtigte sich der Hauptstadt von Neuem und Isabelle floh, den König und die königlichen Prinzen mit sich führend, unter dem Schutze des Herzogs von Bretagne in die Provinz Touraine. Erst nach dem 1408 zu Chartres geschlossenen Friedensvertrage kehrte der König nach Paris zurück. Eine engherzige Politik vermochte Isabellen, jetzt nur selten bei Hofe zu erscheinen, um sich das Ansehen zu geben, als wolle sie die drei verschiedenen Parteien, in welche das Reich sich theilte, schonen. Inzwischen maßte sich der Connetable Graf von Armagnac die höchste Gewalt an. Isabellens Ansehen dagegen verlor mit jedem Tage. Sie führte im Schlosse zu Vincennes ein weichliches und üppiges Leben und ihre Neigung zu dem Oberhofmeister Ludwig von Boisbourdon, einem der tapfersten Krieger Frankreichs, blieb dem lauschenden Connetable, der sie zu verderben wünschte, nicht lange ein Geheimniß. Er wagte es, Karl VI. die Augen zu öffnen und ihn zur Rache anzutreiben. Der König eilte nach Vincennes, überraschte das strafbare Weib und ließ ihren Geliebten foltern und hinrichten. Alle Offiziere und Diener der Königin wurden ihrer Aemter entsetzt, sie selbst nach Tours verwiesen, nachdem sich der Dauphin und der Connetable aller ihrer Schätze bemächtigt hatten. Ein solches Aufsehen vergrößerte nur das Uebel und erzeugte einen nie mehr auszurottenden Haß zwischen dem Sohne und der beleidigten Mutter. Die gefangene Isabelle beschäftigte sich einzig mit den Mitteln, sich ihrer lästigen Ketten zu entledigen, und obgleich sie den Herzog von Burgund als den Mörder des Herzogs von Orleans betrachtete, erwählte sie ihn dennoch, als den Mächtigsten, zum Werkzeuge ihrer rachsüchtigen Plane. Entschlossen, Alles zu wagen, sandte sie im Geheimen einen Boten an Johann von Burgund und bat denselben um Erlösung aus ihrer Gefangenschaft. Dieser setzte sich sofort mit 800 Pferden nach der Abtei von Marmontier, wo sich die Königin aufhielt, in Bewegung, unterwarf sich Tours und führte Isabellen nach Chartres. Hier erließ diese ihre ersten eigenmächtigen Verfügungen, ernannte ein Parlament und verlegte dieses und den Hof nach Troyes. Ein Verräther öffnete dem Herzoge von Burgund die Thore von Paris; die Armagnacs erlitten eine vollständige Niederlage, der Dauphin floh und Isabelle zog an der Spitze von 1200 Bewaffneten triumphirend in der Hauptstadt ein. Die Straßen, die noch jüngst vom Blute überflossen, das für sie vergossen wurde, waren mit Blumen bestreut, und der schwachsinnige König empfing das pflichtvergessene Weib mit der zärtlichsten Gattenliebe. Der Herzog und Isabelle wütheten jetzt rücksichtslos gegen ihre Feinde. Inzwischen benutzten Frankreichs äußere Feinde diese innern Zerwürfnisse. Die Engländer waren bis in das Herz des Landes vorgedrungen, Isabelle und der Herzog führten den König nach Troyes und gaben die Hauptstadt Preis. Johann wünschte bei dieser Gefahr sich mit dem Dauphin auszusöhnen, hatte deßhalb mit Letzterem eine Zusammenkunft in Montereau und fand dort den Tod. Zum dritten Male war es, daß Isabelle den Gegenstand ihrer Neigung durch Mord verlor. Diese That erfüllte sie mit solcher Wuth, daß fortan alle jene Leidenschaften, die ihre Seele bewegt hatten, ihr entbehrlich wurden. Jedes mütterliche Gefühl abschwörend, erklärte sie öffentlich den Dauphin für den Mörder des Herzogs, verband sich mit Philipp dem Guten, dem Erben der burgundischen Macht, der vor Begierde brannte, den gemordeten Vater zu rächen, und pflog Unterhandlungen mit Heinrich V. von England, um ihm Frankreich zu überliefern. Sie schloß 1420 den denkwürdigen Vertrag von Troyes, nach welchem Heinrich V. sich mit Katharina, einer Tochter Karl's VI. und Isabellens, vermählen, nach dem Tode des Königs Erbe der Krone sein und bis zu diesem Zeitpunkte die Regentschaft führen sollte. Ein feiges Parlament bestätigte diese Punkte, und die beiden Könige, Isabelle und Philipp von Burgund hielten ihren Einzug in Paris, wo sie mit unerhörter Pracht empfangen wurden. Heinrich V. bemächtigte sich der höchsten Gewalt und Frankreichs rechtmäßiger Herrscher, Karl VI., regierte nur noch jenseits der Loire unter dem Schutze seines Sohnes. Kaum war jedoch der Vertrag von Troyes unterzeichnet, als die Königin den Franzosen, die sie einst vergöttert hatten, ein Gegenstand des Abscheues wurde. Der unglückliche Karl VI. folgte 1422 dem zwei Monate früher verschiedenen Heinrich V. in das Grab, und so stand jetzt Isabelle, von ihren Unterthanen gehaßt und verfolgt, vom Herzoge von Burgund verlassen, von den Engländern, die sie in das Land gerufen, verachtet, allein in der Welt und mußte im Schooße Frankreichs, in dem sie einst in Ueppigkeit schwelgte, Mangel an den kleinlichsten Bedürfnissen ihres Unterhaltes leiden. Durch den Vertrag von Arras, der Karl VII. mit Philipp dem Guten von Burgund aussöhnte, ward der Dauphin in seine Rechte eingesetzt und 10 Tage nachher, den 30. September 1435, gab Isabelle im Hotel St. Paul zu Paris ihren Geist auf. Sie wurde zu St. Denis neben Karl VI. ohne Pracht beerdigt und erst später errichtete man ihr ein marmornes Denkmal. So lebte Isabelle von Baiern; von ihren Zeitgenossen mit Verachtung und Haß bestraft, von allen Geschichtschreibern gebrandmarkt, von der Nachwelt mit Unwillen genannt; allein man darf nicht vergessen, daß sie in einem Jahrhunderte lebte, welches reich an Verbrechen aller Art war.

E. v. E.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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