- Maria Stuart
Maria Stuart, Königin von Schottland, Tochter Jacob's V. und Maria's von Guise, geb. den 6. December 1542. Jene liebenswürdige Fürstin, die unser Interesse wie unser Mitleid gleich stark in Anspruch nimmt, erbte als Kind schon den schottischen Thron, welcher während ihrer Minderjährigkeit von der Mutter verwaltet ward. Frühzeitig warben die Prinzen von England und Frankreich um die Hand der reizenden Maria, allein der Dauphin Franz, Sohn Heinrich's II., von der Mutter begünstigt, erhielt den Vorzug. Noch in zarter Jugend wurde die Prinzessin an den französischen Hof geschickt, wo sie eine ausgezeichnete Erziehung genoß, durch Anmuth und Geist unter den Frauen ihrer Zeit emporragte, aber auch jenen Leichtsinn und jene Vergnügungslust einsog, welche später der Grund ihres Unglücks ward. 15 Jahre alt, reichte Maria dem Dauphin ihre Hand, der einige Monate darauf unter dem Namen Franz II. den französischen Thron bestieg. Allein dieser sowohl, wie ihre Mutter starben bald und die jugendliche Witwe mußte das geliebte Frankreich verlassen, um die Regierung von Schottland selbst zu übernehmen. Schon bei der Ueberfahrt empfand sie die Aeußerungen von Elisabeth's feindlichen Gesinnungen, die bereits unter der Regentschaft von Marien's Mutter geschäftig gewesen war, die Flamme des Aufruhrs und des Bürgerkrieges in Schottland zu nähren, und jetzt um so mehr wünschte, die gefährliche Thronbewerberin zu verderben. Zu diesem Zwecke versammelte sie an den Dünen eine Flotte, dem Vorgeben nach, um gegen Seeräuber zu kreuzen. Maria ließ sich dadurch nicht von ihrer Reise abhalten und segelte von Calais ab. So lange ihr die Küste im Gesicht blieb, ruhte ihr Blick auf dem Lande, wo sie von Kindheit an gelebt und als Königin geherrscht hatte, und mit ausgebreiteten Armen rief sie ihm ein letztes, schmerzliches Lebewohl zu. Unter dem poetischen Nachlasse Maria's findet sich auch nachstehendes Gedicht, welches beweist, wie schwer ihr die Trennung ward.
Liebliches, süßes Frankreich, ade!
O wie betrübt es
Mich, dir geliebtes
Land meiner Jugend, Wonne und Weh,
Dir zu rufen, mein Frankreich, ade!
– Das böse Schiff, das mich und dich
Jetzt trennt, hat nur mein halbes Ich etc.
Am folgenden Tage erhob sich ein dichter Nebel, unter dessen Schutz sie den 21. August 1561 den Hafen von Leith und das Land ihrer Väter erreichte. Maria war damals 19 Jahr alt, und besaß in hohem Grade die leichten und anziehenden Sitten des französischen Hofes, mit denen sie Liebenswürdigkeit und mitunter auch Charakterstärke vereinigte. Ihre Ankunft verbreitete selbst in Schottland einen allgemeinen Jubel, obgleich viele rohe und zugleich von düsterm Religionseifer erfüllte Bewohner die Liebenswürdigkeit und Schönheit ihr später als Sünde anrechneten. Um ihren Feinden zuvorzukommen, war Maria 14 Tage vor der festgesetzten Zeit angelangt. Es waren keine Anstalten zu ihrem Empfange getroffen; aber Alles strömte, nach Leith, der jungen, schönen Herrscherin Ehrfurcht zu bezeigen. Es war für sie ein Tag der Freude und des Glücks, der einzige vielleicht, den sie in Schottland erleben sollte. Als Maria vom väterlichen Throne Besitz nahm, hatte sie von dem durch bürgerliche und religiöse Zwietracht zerrütteten Frankreich keine Hilfe zu hoffen, und beschloß daher nach dem Rath ihrer Oheime, ihre bisherigen Widersacher wo möglich durch versöhnliche Maßregeln zu gewinnen. Ihr natürlicher Bruder Lord Jacob, den sie zum Grafen von Murray ernannte, und der abtrünnige Secretair Maitland, die beide das Zutrauen der Protestanten genossen, wurden zu Ministern erwählt; auch bewarb sie sich um Elisabeth's Gunst. Es war ein hervorstechender Zug in Maria's Charakter, daß sie jede Beleidigung schnell vergaß; während Elisabeth (s. d.) in ihr immer nur die Nebenbuhlerin erblickte. So entspann sich zwischen beiden Königinnen eine Reihe von Unterhandlungen, die durch Elisabeth's Doppelsinn und Unentschlossenheit bald abgebrochen, bald wieder angeknüpft wurden, ohne je zu einer Ausgleichung zu führen. Trotz Maria's ernsten Bemühungen gelang es ihr nicht, die Herzen aller ihrer Unterthanen zu gewinnen. Ihre Religion erweckte stets das Mißtrauen der Protestanten, deren Zahl sich täglich mehrte. Die Prediger, an deren Spitze der fanatische Johann Knox, unterließen nicht, sie von der Kanzel herab eine Abtrünnige zu nennen, und kaum war es ihr erlaubt, in ihrer Kapelle die Messe zu hören. In dieser peinlichen Lage – der Zustand des Reiches gebot es – vermählte sich Maria zum zweiten Male den 19. Juli 1565 mit ihrem Vetter Lord Darnley, der von mütterlicher und väterlicher Seite von den schottischen und englischen Königen abstammte; ein stolzer, gewaltsamer Mann, von rohen Sitten, aber schönem Aeußern. Durch dieses Bündniß brachte sie Murray und seine mächtige Partei gegen sich auf; überdieß kam es bald zwischen den Gatten zu Reibungen, und Darnley, von wüthender Eifersucht getrieben, tödtete einst vor den Augen der hochschwangern Königin den Sänger Rizzio, ihren Geheimschreiber, und wie er glaubte, ihren Geliebten. Bald darauf starb auch Darnley eines gewaltsamen Todes, das Gericht klagte den Grafen Bothwell, Mariens nunmehrigen Liebling, als Thäter an. Sie selbst wurde der Theilnahme beschuldigt, da sie unbesonnen genug war, dem Grafen ihre Hand zu reichen, worauf die Schotten von der mit dem schwersten Verdachte belasteten Königin abfielen, sie gefangen setzten, und zur Abtretung des Reiches an ihren und Lord Darnley's unmündigen Sohn, Jacob VI., zwangen. Im Jahr 1568 gelang es Maria, nach England zu fliehen, um bei Elisabeth Schutz zu suchen. Diese weigerte sich jedoch, sie zu sehen, bis sie sich von allen Anklagen gereinigt habe, gab Befehl, die Königin in Carlisle gefangen zu halten, und sagte während dessen den schottischen Rebellen insgeheim ihre Hilfe zu. Maria schrieb aus dem Gefängniß an Elisabeth, daß sie ihre Unschuld nur in einer Privat-Unterhaltung darthun, aber nie sich dem Ausspruche anderer Richter unterwerfen würde. Doch dieß lag nicht in Elisabeth's Plan, welche Maria schuldig zu finden wünschte, um ihre Hast verlängern zu können. Das größte Hinderniß jedoch, welches sich der Befreiung der Gefangenen entgegenstellte, blieb ihre hartnäckige Weigerung, die Krone ihrem Sohne abzutreten. Ich bin nach Recht und Geburt Königin, und werde als Königin sterben, wiederholte sie stets. Von Carlisle wurde sie nach Boston, dann, nachdem man sie noch an mehreren Orten gefangen gehalten hatte, endlich nach Fotheringay gebracht, wo sie nach achtzehnjähriger Gefangenschaft, und nachdem man sie siebzehn Mal ihren Kerker hatte wechseln lassen, zum Tode verurtheilt wurde. Die Hauptpunkte der Anklage waren: Maria habe unrechtmäßiger Weise den Titel und das Wappen einer Königin von England geführt, habe Elisabeth nach dem Leben getrachtet, und sei zu diesem Zwecke mit deren Feinden in ein Bündniß getreten. Maria vernahm ihr Todesurtheil mit großer Festigkeit und erwiderte: »Ich lobe und danke Gott, daß es ihm gefällt, so vielem Elende und Unglück, als ich seit 19 Jahren habe ertragen müssen, ein Ende zu machen. Ich gebe meinen Geist unschuldig, mein Herz und Gewissen rein in Gottes Hände.« Sie ordnete mit großer Gelassenheit ihre Papiere und nahm auf die rührendste Weise von ihren Dienern Abschied. Als sie eben zum Zimmer hinaustrat, fand sie ihre Gefängnißwärter, an die sie die Frage richtete: Ist es Zeit, daß ich sterben soll? Auf deren bejahende Antwort ließ sie sich von zwei ihrer Frauen in einen großen, zu ihrer Hinrichtung eingerichteten, schwarz ausgeschlagenen Saal führen, in dem eine große Menschenmenge versammelt war. Die Schönheit der königl. Frau erregte allgemeine Bewunderung; sie bestieg die Stufen des Schaffots mit Ruhe und Sicherheit, sprach ein kurzes, inbrünstiges Gebet und gleich darnach fiel ihr Haupt unter dem Beile des Scharfrichters. So endete Maria, Königin von Schottland, in einem Alter von 45 Jahren, eine Frau, die selbst nach dem Ausspruche ihrer Feinde die glänzendsten Eigenschaften des Geistes mit ausgezeichneter Schönheit und Anmuth verband. In ihrem 14. Jahre hielt sie im Louvre, in Gegenwart Heinrich's II. und des ganzen Hofes eine von ihr verfaßte lateinische Rede, in der sie bewies, wie sehr Bildung des Geistes und nützliche Kenntnisse die Reize eines Weibes erhöhen; auch war sie in der französischen Dichtkunst mehr als Schülerin. Maria's Leichnam wurde in der Cathedrale von Peterborough beigesetzt, aber später auf Befehl ihres Sohnes nach Westminster gebracht, wo er ihr ein Denkmal errichten ließ. Die Frage, ob Maria mit Recht beschuldigt worden sei, haben selbst unparteiische Geschichtsforscher der neueren Zeit nicht positiv zu bejahen gewagt. Der Parteigeist der damaligen Zeit, der sich, wiewohl unter veränderten Namen noch bis auf die späteren Jahrhunderte fortpflanzt, läßt selbst die wichtigsten Documente als verfälscht erscheinen und gestattet in dieser Beziehung nach so langer Zeit wohl Vermuthungen, aber kein klares Urtheil.
E. v. E.
http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.