- Bonaparte (Familie)
Bonaparte (Familie), die Familie. Aufgestiegen zum höchsten Glanze irdischer Größe, wie ein Meteor am politischen Himmel Europa's, einst geschmückt mit den Kronen mächtiger Reiche, leben deren Mitglieder jetzt getrennt und ohne Einfluß in den bescheidenen Kreisen des Privatlebens. Das Haupt derselben, der Leitstern ihrer Erhebung, war Napoleon Bonaparte (s. d.) Seine Mutter Lätitia, (eine erhabene Frau, die Canova als Agrippina in Marmor bildete), knüpfte die heutige Familie Bonaparte an das alte italienische Geschlecht dieses Namens, von welchem ein Zweig während der Kämpfe der Guelfen und Gibellinen nach Korsika verpflanzt wurde. Nicolaus Bonaparte, 1268 aus Florenz verbannt, war der Stammvater dieser Linie. Bis auf Carlo Bonaparte, Napoleon's Vater, der 1785,40 Jahr alt, zu Montpellier starb, zählte der Stammbaum derselben 17 edle Generationen. Carlo Bonaparte hinterließ seiner Gattin kein Vermögen, aber die Sorge für acht lebende Kinder. Die Revolution in Frankreich machte das Glück derselben. Als Korsika 1793 von den Engländern erobert wurde, flüchtete sich Lätitia mit ihren Töchtern nach Marseille. Bald nach dem berühmten 18. Brümaire (Novbr. 1799) kam sie nach Paris. Hier war Napoleon's Stern aufgegangen. Mit nerviger Faust die Revolution zügelnd, stieg er von einer Rangstufe zur andern, ward Kaiser, schrieb der Welt Gesetze vor, erschütterte Europa, und – starb auf einer einsamen Felseninsel im Weltmeere als Gefangener, überlebt und beweint von Mutter und Sohn, bewundert von einer Hälfte der Welt, gehaßt von der andern. Seine erste Gemahlin Josephine (s. d.) eine feurige, leidenschaftliche, zartfühlende Creolin, voll Geist und Leben, starb den 30. Mai 1814. Seine zweite Gemahlin, die Erzherzogin Marie Louise (s. d.), wurde nach seinem Sturze Herzogin von Parma und Piacenza. Ihr und Napoleon's Sohn, Franz Karl Joseph, geboren 1811, in der Wiege König von Rom, wurde nach der Gefangennehmung seines Vaters unter dem Titel eines Herzogs von Reichstadt am Hofe seines Großvaters, Kaiser Franz, erzogen, starb aber schon im Frühlinge seines Lebens, 21 Jahr alt, an einer unheilbaren Lungenkrankheit. – Während Napoleon im Besitze der höchsten Macht war, bemühte er sich, auch den Gliedern seiner Familie eine dieser angemessene Stellung zu geben. Lätitia (jetzt in Rom lebend) besaß als Kaiserin Mutter einen eigenen glänzenden Hofstaat. Sein Oheim Fesch erhielt die Würde eines Cardinals. Joseph, der ältere Bruder, wurde zum König von Neapel, später von Spanien erhoben. Er lebt jetzt als Graf Survilliers in Nordamerika. – Lucian, ein jüngerer Bruder, ein Mann von großem, edlem Geiste, bewahrte seine Unabhängigkeit. Er hatte Napoleon in den Stürmen der Revolution gerettet, als er sich aber wider den Willen des Kaisers mit der Witwe Jouberteau vermählte, und dieses Band selbst nicht gegen den Besitz einer Krone zerreißen wollte, entstand eine feindselige Spannung zwischen den Brüdern, die bis zu Napoleons Sturze dauerte. Er hat sich im Staatsdienst der Republik bereichert, und lebt jetzt als Prinz von Canino auf der reizenden Villa Nemori, 4 Stunden von Rom. – Louis Bonaparte folgte nachgiebiger dem gewaltigen Willen seines Bruders. Er opferte auf dessen Wunsch eine Jugendliebe und vermählte sich mit Hortense (s. d.), Napoleon's Stieftochter. Die Ehe war nicht glücklich. Er wurde König von Holland, ohne sich im Besitz der höchsten Würde glücklich zu fühlen. Sein Sinn war mild und gerecht; das Volk liebte ihn; aber des Bruders eiserner Wille legte ihm mannichfache Fesseln an. Er legte 1810 die Krone zu Gunsten seines Sohnes Louis, den Napoleon später zum Großherzog von Berg ernannte, nieder. Er lebt in Rom. – Hieronymus, der jüngste Bruder, war früher zu Baltimore mit einer schönen Creolin, Elise Patterson, vermählt. Napoleon trennte diese Ehe, vermählte ihn mit einer würtembergischen Prinzessin und erhob ihn zum König von Westphalen. Aber die Zeit dieser Herrlichkeit dauerte nicht lange. Seit 1816 lebt er als Prinz von Montfort mit seiner edlen Gemahlin, die durch die Wendung seines Schicksals nicht zur Trennung bewogen werden konnte, zu Schönau bei Wien. – Napoleon's Schwestern: Marie Anna Elisa, Großherzogin von Toscana, Marie Pauline, Fürstin Borghese, Herzogin von Guastalla, und Annunciata Karoline, Herzogin von Cleve und Berg, später als Mürat's Gemahlin, Königin von Neapel und Sicilien, sind besondere Artikel gewidmet. Die Kinder aller dieser Glieder der bonapartischen Familie sind noch mehr in den Privatstand zurückgetreten, und das Drama der Weltgeschichte, das einer korsischen Familie vorübergehende Königsrollen zutheilte, ist für immer ausgespielt! – Durch den pariser Tractat vom 20. November 1815 wurde die Familie Bonaparte für immer aus Frankreich verbannt.
B–l.
http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.