- Aegypten (Geographie)
Aegypten (Geographie). Ein merkwürdiges, einst hoch berühmtes Land, und noch das Ziel von stets erneuerten Forschungen, die Wiege der Cultur, der Wissenschaften; das Reich der Wunder, der riesigsten Schöpfungen – jetzt im tiefen Verfall, welcher, wenn die ungeheuern Denkmale der Kunst es nicht verriethen, jede Spur der früheren Größe verwischt haben würde. Es heißt jetzt bei den Türken El Kabit, bei den Arabern Mesr, und wurde sonst auch Mizraim oder Zham Rahab genannt; es liegt in Afrika, dessen nordöstlichste Ecke es bildet, am mittelländischen Meere, grenzt östlich an das rothe Meer, im Westen an die große Wüste, und südlich an die Reiche Barka und Nubien. Mit Asien und mit Arabien hängt es durch die Landenge von Suez zusammen, der Flächenraum beträgt 8800 Quadrat Meilen, allein kaum der 12. Theil davon ist angebaut, nämlich dasjenige Land, was zu beiden Seiten des Nil, in dem 130 Meilen langen Nilthale liegt. Es wird in zwölf Provinzen getheilt, deren jede von einem Bei mit unumschränkter Gewalt regiert wird. Die Geographen trennen das Land jedoch nur in drei Theile: in Ober-, Mittel- und Unter-Aegypten, (Said, Vostani und Bahri,) das letztere umfaßt die Mündungen des Nil mit dem fruchtbaren Delta. Alles zusammen ist etwa von 3 Millionen Menschen bewohnt, welche sich in 2500 Städten und Dörfern angesiedelt haben. Im Alterthum war der See Möris bekannt und berühmt, jetzt heißt er Charons-See, und ist, wie alle Herrlichkeit Aegyptens – zur größten Unbedeutendheit herabgesunken; die drei Gebirgsketten, welche das einst so blühende Land durchziehen, enthalten noch mehrere, besonders Natronseen, doch wenig Flüsse, und der mächtige Nil, der blaue Strom, welcher durch die ganze Länge desselben läuft, hat im Lande selbst nur wenig Zufluß. Das Klima befördert, in Verbindung mit den wohlthätigen Ueberschwemmungen, ein üppiges Wachsthum, eine Vegetation von der höchsten Pracht. – Nicht nur daß Hanf und Flachs (welchen wir, wie die Leinwand, die man Byssus nannte, von ihnen haben,) nicht nur daß Reis und Sennesblätter, Melonen und Hülsenfrüchte, Cardamomen und Getreide, Jalappe und Aloe, Coloquinten und Zuckerrohr, Indigo, Saflor und alle möglichen Küchengewächse dort blühen, und zu seltener Vollkommenheit reisen; so ist es auch noch das Land der Palmen, der herrlichsten großartigsten Pflanzenform, so gebiert es auch die zarten, sein gefiederten Akazien, davon die unseren (Robinia pseudoacacia) nur schlechte Nachbilder sind, der keuschen Mimosen, welche die leiseste Berührung schon empfindlich zucken macht, als wäre Leben und Gefühl in ihnen; statt schlechten Schilfes ziert die schlanke, wunderbar geformte Papyrusstaude Seen und Teiche, Tamarinden, Cassien, Sykomoren, und die köstlichsten Südfrüchte bedecken das Land; Rosen im üppigsten Flor, in der größten Pracht, blühen dort in solcher Menge, daß das Rosenwasser einer der wichtigsten Ausfuhrartikel ist. Zahlreiche Herden bevölkern das Land, Rinder, Büffel, Schafe mit Fettschweifen, wilde Esel und Pferde, Kameele, Gazellen, Giraffen, doch auch fürchterliche Schlangen, Krokodile, Tiger, Hyänen, Löwen, Schakals, Wölfe und Füchse und das ungeheure Nilpferd bewohnen die Wälder, Flüsse und Sümpfe. Zu den zahllosen Schönheiten des üppigen Landes, das dem Genuß und der Liebe bestimmt scheint, über das ein gütiger Gott Amalthea's Segenshorn mit all seinem beglückenden Inhalt ausgeschüttet zu haben scheint, auf welchem der Zauber der Gegenwart ruht, über welchem der magische Schimmer einer großen, herrlichen Vergangenheit schwebt, zu unendlichem Reiz und reicher Fülle, hat ein Dämon doch manche Schrecken gefügt, welche wir im gemäßigten Europa nicht kennen. Das Land hat nur zwei Jahreszeiten, einen Frühling und einen Sommer, allein so wie der letztere beginnt, drückt eine sengende Hitze fast Alles zu Boden; in dem reich bewässerten Nilthal treibt sie die Pflanzen zu einem zauberähnlichen Wachsthum, allein außerhalb desselben stirbt lechzend jede Blume, und aus der rings das Land umgebenden Wüste erhebt sich mit giftigem Athem, roth und glühend wie aus des Ofens Rachen, der Samum, (s. d.) ein giftiger, verderbender Südwind, und tödtet Alles, was er trifft, und aus den halbvertrocknenden Sümpfen erhebt sich, lauernd auf die Beute, ein anderes Scheusal, die Pest, und schüttelt ihr schlangenhaariges Haupt, und würgt die Mutter, und läßt das Kindlein Gift trinken aus den Brüsten der Entseelten, und in den kühlen Sommernächten schlägt Blindheit den, der es wagt, an freier Luft zu schlafen. Und was die Natur an Schrecken noch vergessen hat, das fügt der Mensch hinzu. Räuberische Horden durchziehen das Land und plündern den Reisenden, und führen ihn selbst als gute Beute fort in schreckliche Sklaverei, würdigen das edle Weib herab zur Odaliske eines türkischen Pascha.
V.
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