- Hamilton, Emma Harte
Hamilton, Emma Harte, nachmalige Lady, eine auf sehr verschiedene Weise berühmt gewordene Frau. Wann und wo sie das Licht der Welt erblickte, ist unbekannt, doch nimmt man an, daß sie aus der Grafschaft Chester gebürtig und die natürliche Tochter einer armen Dienstmagd gewesen sei, die zu ihrer Erhaltung und Erziehung keine anderen Mittel hatte, als ihren spärlich verdienten Lohn. Als Gemahlin des englischen Ministers am neapolitanischen Hofe behauptete Emma, Lord Halifax habe ihr eine sorgfältige Erziehung geben lassen, wovon sich übrigens in ihrem ganzen Leben nur wenige Spuren finden. Aus den 1815 unter dem Namen der Lady Hamilton erschienenen Memoiren sehen wir ferner, daß Emma, in einem Alter von 13 Jahren in dem Hause eines Herrn Thomas, der in Hawarden in Flintshire wohnte, die Pflege der Kinder übernahm. Bald wurde ihr der stille Aufenthalt bei dem braven Bürger zu langweilig und nach kaum zurückgelegtem sechszehnten Lebensjahre ging sie nach London, um bei einem Krämer auf dem St. James Markte Dienste zu nehmen. Aber auch hier fühlte sich Emma nicht befriedigt, und mit großer Bereitwilligkeit willigte sie in das Anerbieten einer vornehmen Dame, bei ihr als Kammerfrau einzutreten. Dort blieb ihr, da sie einzig für den Putz und die Kleidung ihrer Herrin zu sorgen hatte, viel müßige Zeit, die sie Anfangs mit Lesen von Romanen auszufüllen suchte, und endlich eine leidenschaftliche Liebe für das Theater gewann. Sie beobachtete mit der gespanntesten Aufmerksamkeit die Geberden und Bewegungen der Schauspieler, und brachte es bald dahin, sie nicht nur vollkommen nachahmen, sondern sie auch richtig beurtheilen und die Empfindungen der Seele auf das Treffendste ausdrücken zu können. Von daher schreibt sich ohne Zweifel ihr seltenes Talent, das vielleicht nie wieder übertroffen worden ist, die schwersten Scenen dramatischer Dichtungen darzustellen. Während es sich Emma zu sehr angelegen sein ließ, sich zur Schauspielerin zu bilden, vernachlässigte sie ihre übrigen Pflichten und wurde fortgeschickt Bald sah sie sich genöthigt, die niedrigsten Geschäfte einer Dienstmagd zu versehen, und in einer Weinschenke aufzuwarten, wo Schauspieler, Musiker, Maler u. s. w. einkehrten. Doch blieb sie, will man ihren Memoiren Glauben schenken, selbst in dieser Schule der Ausschweifung und des Lasters, der Tugend getreu. Eine großmüthige Handlung riß sie aus dieser traurigen Lage. Sie hatte erfahren, daß ein junger Walliser auf der Themse angehalten werde; sie eilte zu dem Admiral John Willet Pagne, gab den jungen Mann für einen Anverwandten von sich aus und erlangte dadurch dessen Freiheit. Zugleich aber hatte Emma einen solchen Eindruck auf den Admiral gemacht, daß er Nichts unversucht ließ, um sie an sich zu fesseln. Er überhäufte sie mit Geschenken, gab ihr Lehrer, um ihre natürlichen Anlagen auszubilden, und in kurzer Zeit wurde Emma ein Gegenstand der Bewunderung und des Entzückens. Aber sie verließ ihren Wohlthäter und wurde die Geliebte des Baronets Featherstonhaugh, der jedoch schon nach kurzer Zeit sein Verhältniß mit ihr aufgab. Auf das Neue sah sich nun die schöne Emma jedes Mittels zu ihrem Fortkommen beraubt, kaum blieb ihr noch so viel, ihren Hunger zu stillen. In diesem äußersten Elende durchstrich sie, die Straßen von London umherirrend, und sank bald zur tiefsten Stufe der Erniedrigung und Verworfenheit herab. So lernte sie der Doctor Graham kennen; fand sie schön und bemächtigte sich ihrer, um sie als ein Mittel des Erwerbes zu gebrauchen. Nur ein Zufall befreite sie von diesem erniedrigenden Verhältniß. Unter ihren zahlreichen Bewunderern befand sich der berühmte Maler Romney, er entbrannte für die Reize, die ihm als Modell gedient hatten; allein auch diese Verbindung währte nur kurze Zeit, da sich dem leichtsinnigen Weibe bald vortheilhaftere Aussichten eröffneten. Sie konnte ganz das scheinen, was sie gerade wollte, und so gelang es ihr durch ein zurückhaltendes und sanftes Betragen einen jungen Mann, Charles Greville, der aus der alten Familie der Warwick stammte, in ihre Netze zu locken. Dieser glaubte in ihr ein eben so tugendhaftes, als schönes Weib zu finden, und ließ sich mit ihr in ein Verhältniß ein, das wahrscheinlich zu einer Vermählung geführt haben würde, wenn nicht unvorhergesehene Unglücksfälle ihn seines ganzen Vermögens beraubt, und ihn außer Stand gesetzt hätten, der Geliebten ferner seinen Schutz angedeihen zu lassen. In dieser hilflosen Lage schickte er sie nach Neapel, wo er theils den Widerstand zu besiegen hoffte, den sein Oheim Sir William Hamilton, der dort Gesandter war, seiner Verbindung mit Emma entgegensetzte, theils wohl um von ihm einige Geldunterstützung zu erhalten. Dieser wurde jedoch von der Schönheit und Liebenswürdigkeit seiner zukünftigen Nichte so hingerissen, daß er sie in Neapel festhielt, und durch das Versprechen, des Neffen Schulden zu bezahlen, diesen bewog, seinen Ansprüchen auf Emma zu entsagen. Nach einigen Jahren ward sie die Gattin des William Hamilton. Im Umgange mit einem solchen Mentor, an der Hand eines solchen Führers wurden die Lücken in Emma's Erziehung bald ausgefüllt. Die schönen Künste vollendeten das Glänzende ihrer Erscheinung, und bald glaubte sie sich das Recht anmaßen zu können, ihr Urtheil als Gesetz geltend zu machen. Bildhauer, Maler und Künstler aller Art bildeten einen Hof um sie; und nie schienen noch die Empfindungen der Seele einer so strengen Analyse unterworfen worden zu sein. Nach ihrer Vermählung ward Emma bei Hofe vorgestellt und von der Königin sehr günstig aufgenommen. Neapel war damals der Schauplatz der glänzendsten Hoffeste, zu deren Verherrlichung die Lady, wie man sagt, viel beigetragen haben soll. Sie gehörte selbst zu dem ganz engen Kreis der Königin, deren Zuneigung zu Emma sich endlich so steigerte, daß diese sie nie verlassen durfte. So nahte der merkwürdigste Zeitpunkt in Lady Hamilton's Leben, der nämlich, wo sie die Bekanntschaft des berühmten Admirals Horatio Nelson machte, welcher damals noch Kapitain war und das Schiff Agamemnon befehligte. Es wird behauptet, daß der Gesandte, dessen Gemahlin und Nelson bei ihrem ersten Zusammentreffen gegenseitig von einer wahren sympathetischen Begeisterung ergriffen worden seien; gewiß ist, daß Emma eine heftige Leidenschaft für Neelson faßte, die von diesem erwiedert wurde. Bald darauf reiste er ab, um das französische Geschwader zu verfolgen, das den Sieger von Arcole nach Aegypten brachte. Die Einzelnheiten des für die Franzosen so verderblichen Tages bei Abukir sind bekannt. Nelson kehrte nach Neapel zurück, wo er im Triumph empfangen wurde. Die glänzendsten Feste wurden ihm zu Ehren gegeben, dessen Königin Emma war. Begeistert von dem Ruhm des Geliebten wurde sie auch noch der Abgott des Volkes, während alle Großen zu ihren Füßen lagen. Mehrere Monate vergingen in Festen und Feierlichkeiten aller Art, die den Sieger betäubten und berauschten, bis der Einfall der Franzosen in das mittägige Italien diese ununterbrochene Kette von Vergnügungen und Zerstreuungen endigte. Schon stand der Feind vor den Thoren Neapels, das Volk widersetzte sich der Flucht seines Monarchen. Da vermittelte Lady Hamilton das Fortkommen der königlichen Familie und sie selbst begleitete den Sklaven ihrer Reize, der sich nicht mehr von ihr zu trennen vermochte, nach Sicilien. Inzwischen mußten die Franzosen nach einigen Monaten schon, Neapel verlassen, der Hof kehrte zurück, mit ihm Nelson und die Lady nahm ihre alte Stelle wieder ein, und war mehr als je unzertrennlich von der Königin, die selten ohne sie ausging und oft in gleichem Putze wie Emma erschien. Mittlerweile hielt es die englische Regierung für angemessen, ihren Minister abzurufen. Nelson konnte sich nicht entschließen, das angebetete Weib zu verlassen; er legte seine Befehlshaberstelle nieder und kehrte mit Sir William Hamilton und seiner Gemahlin nach England zurück. Dort hatten sich aber die Zeiten für Emma verändert: Sie, die sonst durch ihre Schönheit so viele Bewunderer an ihren Triumphwagen gefesselt hatte, war jetzt der Gegenstand der allgemeinen Verachtung geworden. Dessen ungeachtet dauerte ihr Verhältniß mit Nelson fort, und sie gebar ihm im Geheimen eine Tochter, die den Namen ihres Vaters erhielt. Bald nachher starb ihr Gemahl und Nelson verlor in der Schlacht bei Trafalgar sein Leben. Ihres Gatten und des mächtigen Schutzes ihres Geliebten beraubt, überließ sie sich nun ganz ihren verderblichen Neigungen; keine Schranken weiblichen Anstandes mehr achtend. In kurzer Zeit hatte sie das Vermögen ihres Mannes, und das, was sie Nelson's Freigebigkeit verdankte, verschwendet. Mit einer geringen, ihr noch gebliebenen Pension verließ sie England in Begleitung ihrer Tochter und nahm in der Nähe von Calais ihren Wohnsitz, wo sie ihr Leben den 16. Januar 1815 in sehr mißlichen Umständen beschloß. Die Memoiren der Lady Hamilton erschienen zuerst in englischer Sprache, wurden aber nachher vielfach übersetzt. Sie hatte keinen gebildeten Geist, aber mit den von der Natur ihr verliehenen äußern Gaben verband sie eine gewisse Lebensklugheit und einen Geist der Intrigue, die oft die Stelle eines gebildeten Verstandes vertreten müssen, in hohem Grade.
E. v. E.
http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.