Königsmark, Marie Aurora, Gräfin von

Königsmark, Marie Aurora, Gräfin von

Königsmark, Marie Aurora, Gräfin von, Marie Aurora, Gräfin. Aurora, die Tochter des schwedischen Generals Grafen Königsmark, der bei der Belagerung von Bonn blieb, wurde 1678 im Herzogthume Bremen geboren, verlor, 17 Jahre alt, ihre Mutter und bald darauf ihren Bruder, den man, weil er die Flucht der hannöverschen Kurprinzessin Sophie begünstigt haben sollte, auf Befehl des Kurfürsten ermordete. Durch diesen Todesfall erbte sie in Gemeinschaft mit ihren verheiratheten Schwestern, den Gräfinnen von Steinbock und Löwenhaupt, ein beträchtliches Vermögen, das sich jedoch in den Händen einiger Hamburger Banquiers befand, welche die Herausgabe desselben unter allerlei betrügerischen Vorwänden verweigerten. Hilfe suchend begaben sich die Schwestern nach Dresden zu dem damals mächtigen Kurfürsten August. Ihr Erscheinen am Dresdener Hofe machte Epoche; Alles staunte über die tadellose Schönheit, den Liebreiz, die Bildung der nordischen Schwestern; man nannte sie allgemein die drei Grazien. Unter ihnen aber errang Aurora, die jüngste, den ersten Preis. Sie war reizend zum Bezaubern, dabei anmuthig, sanft, anspruchslos und bescheiden, die Charis hatte ihr jeden irdischen Schmuck verliehen, dabei besaß sie eine hohe Geistesbildung, verstand die alten Sprachen, redete Schwedisch, Deutsch, Französisch und Italienisch mit großer Fertigkeit, hatte nicht geringe historische und geographische Kenntnisse, dichtete französische und italienische Verse, spielte die Laute, sang mit einer wohlklingenden Stimme und besaß zugleich Geschicklichkeit im Malen und Zeichnen. Wie hätte eine so glänzende, seltene Erscheinung an dem galanten, Liebesabenteuer suchenden Kurfürsten August spurlos vorübergehen können? Sie war gekommen, einen Beschützer ihrer Familie zu suchen, und fand einen Anbeter. Lange warb der Fürst vergebens um die Gunst der Angebeteten, lange widerstand sie; aber seinen rastlosen Bemühungen, die auch das kalteste Herz rühren mußten, den Kunstgriffen und Lockungen seiner Kreaturen, dem Gedanken an das Wohl ihrer Familie, erlag sie endlich. Unter Thränenströmen fiel sie, ein Opfer der Umstände, unter welchen kräftig auszuharren sie nicht den Muth besaß, und die Tugend verlor eine ihrer edelsten Priesterinnen. Durch rauschende Feste suchte der Kurfürst die Regungen der Reue in ihrer Brust zu betäuben; er war ganz glücklich, und sie fand endlich in seinem Glücke ein gleiches. Die Höhe, auf welcher sich Aurora jetzt befand, machte sie nicht schwindeln, die edle Gesinnung der Jungfrau blieb auch der Favoritin eigen. Von dem Kurfürsten verlangte sie, als Beweis seiner Liebe, daß er seiner rechtmäßigen Gattin stets die Achtung und Aufmerksamkeit beweise, welche diese edle Fürstin verdiente; ja sie betheuerte sogar, den Hof sogleich verlassen zu wollen, käme er diesem ihrem gerechten Wunsche nicht nach. Der Erfolg davon war, daß der Kurfürst sein gleichgiltiges Betragen gegen die Kurfürstin änderte, und diese, statt gegen die neue Nebenbuhlerin mit Haß und Eifersucht erfüllt zu sein, ihr aufrichtige Hochachtung und Zuneigung zollte. Durch ihr ehrerbietiges, bescheidenes und von jeder Anmaßung entferntes Betragen erwarb sich Aurora auch die Zuneigung der verwitweten Kurfürstin, einer sehr strengen und leidenschaftlichen Frau. – Sie hat auf dem Gipfel ihres Glückes Niemandem weh, Allen aber, wo sie es vermochte, wohlgethan. Darum ward sie von Hohen und Niedern gepriesen und geachtet, und man übersah das Unmoralische eines Verhältnisses, das zu jener Zeit ja an den meisten Hosen zur Sitte gehörte. Die Geburt eines Sohnes, des nachmaligen berühmten Marschalls von Sachsen, kostete Auroren einen großen Theil ihrer Schönheit und mit dieser auch die Liebe des Kurfürsten. Dieser ging nach Ungarn, wo er den Oberbefehl über die östreichische Armee übernommen hatte, und brachte von da eine neue Favoritin, die Gräfin Esterle, mit. Ohne Klage, ohne Eifersucht, ohne Beschwerde räumte Aurora der Nebenbuhlerin den Platz; sie wußte heldenmüthig zu entsagen, da sie nie nach Macht gegeizt. Kein Tadel, kein Spott folgte ihr; denn sie hatte Niemand beleidigt. – Gegen den Kurfürsten betrug sie sich unbefangen, wie eine Freundin, ohne Anmaßung, ohne Bitterkeit; gegen die neue Geliebte desselben artig und zuvorkommend. Dieß Benehmen erhielt ihr seine Freundschaft und die Achtung der Höflinge. August zeichnete sie mehrfach aus und gab ihr unzweideutige Beweise seines Wohlwollens. Auf seine Verwendung beim Wiener Hofe wurde sie zur Aebtissin des Stiftes Quedlinburg ernannt und hielt sich von 1700 an abwechselnd hier und zu Dresden auf. Wie sehr der Kurfürst und nachmalige König ihre Einsicht und Klugheit ehrte, geht daraus hervor, daß er ihr eine Mission an Karl XII. nach Lithauen vertrauete, um diesen Fürsten zu einem günstigen Frieden zu überreden. Er legte bei dieser Sendung zugleich Aurora's Schönheit in die Wagschale; aber der junge, streng sittliche Karl widerstand der reizenden Landsmännin und ließ sie nicht zur Audienz. Galanter war Peter I., der sich im Jahre 1711 drei Tage bei ihr in Quedlinburg aufhielt; auch bewiesen ihr bei dieser Veranlassung die Herzoge von Braunschweig mit ihre Familien unzweideutige Hochachtung. Aurora's Leben blieb auch nach ihrer Trennung von dem Kurfürsten fleckenrein, wie es vor der Verbindung mit demselben gewesen war. Sie lebte in Quedlinburg zwar auf einem glänzenden Fuße, sah aber am liebsten Gesellschaft von Künstlern und Gelehrten bei sich. Wenn auch ihr Umgang sich vorzugsweise auf Männer beschränkte, so konnte doch auch der böseste Leumund an ihrem Betragen nicht das geringste Unanständige entdecken. Dessen ungeachtet litt sie durch die Mißhelligkeiten mit ihren untergebenen Klosterschwestern, deren pietistische Gesinnung gegen das weltliche Treiben, wie sie die Concerte der Gräfin nannten, aufgebracht war. Aurora liebte Pracht und Aufwand; durch die Zuschüsse, welche sie in den ersten Jahren vom Kurfürsten erhielt, konnte sie ihre Ausgaben auch bestreiten; als jene aber geringer wurden und endlich ganz ausblieben, sah sie sich genöthigt, Schulden zu machen, die ihr, hätte sie länger gelebt, gewiß drückend geworden wären. Sie starb, kaum 50 Jahre, den 18. Febr. 1728. Ihr Leichnam, den die Zugluft des Grabgewölbes vor Verwesung geschützt hat und der noch jetzt Spuren ehemaliger Schönheit zeigt, ruht in der fürstlichen Gruft zu Quedlinburg. Der Unparteilichkeit wegen muß hier noch bemerkt werden, daß von Aurora's Schwestern nur die Gräfin von Löwenhaupt das Verhältniß begünstigte, die streng-sittliche Gräfin von Steinbock dagegen dasselbe höchlich mißbilligte, und als sie ihre Schwester nicht mehr retten konnte, aufgebracht und mit beiden zerfallen Dresden verließ.

B.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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