Lamothe Valois, Gräfin

Lamothe Valois, Gräfin

Lamothe Valois, Gräfin, Gräfin de la, durch ihren Ahnherrn, einem Sohne Heinrich's II. und der schönen Nicole von Savigny, Dame von St. Rémi, dem königlichen Geschlechte der Valois entsprossen, besaß, da ihre Eltern verarmten, von allen Mitgaben der Geburt nichts, als einen großen Namen, Ehrsucht und Schönheit, die ihr einen Glücksritter, den Grafen de la Mothe, zum Gemahl zuführte. Jung, leichtsinnig und voller Ansprüche, versuchten beide Gatten die kühnsten Schritte, um vermeintliche auf die Abkunft der Frau gegründete Rechte und Besitzungen wieder zu erhalten. Dieses Streben fand bei mehrern Großen Unterstützung und brachte das hoffende Paar in die Nähe des Hofes. Unter den Gönnern der Gräfin befand sich der Kardinal Fürst Ludwig von Rohan, einer der vornehmsten Herren Frankreichs, der jedoch wegen sehr unvorsichtiger Aeußerungen über die Königin, die ihm diese nie vergab, in Ungnade gefallen war. Weitaussehende Pläne, die er hegte, ließen ihn jedes Mittel zur Verständigung mit seiner Monarchin ergreifen, und da er vorerst einer gewandten Unterhändlerin bedurfte, so erkor er dazu die Gräfin Lamothe, nachdem sie vom Könige Ludwig XVI. als eine Valois anerkannt und mit einem Jahrgehalt, der ihren Erwartungen nicht genügte, begnadigt worden war. Sein Rath trieb die Unzufriedene mit einer Bittschrift, welche die Wiedereinsetzung in die von ihren Vorfahren besessenen Güter zum Zweck hatte, zu den. Füßen der Königin, welche sich sehr theilnehmend gegen sie zeigte und von diesem Tage an die Gräfin öfters im Geheim, da sie wegen höherer Rücksichten sich nicht öffentlich als ihre Beschützerin kund geben wollte, bei sich sah und mehrfach unterstützte. Die ersten Fäden jenes weltkundigen, noch von keiner Hand ganz entwirrten Gewebes von Intriguen, das unter dem Namen der Halsbandgeschichte eine tragische Berühmtheit gewann, finden sich hier angeknüpft, und trotz der bedeutenden, gewöhnlich einzig auf die Gräfin gehäuften Beschuldigungen, die für unbestrittene Wahrheit genommen und immer gerade so wieder erzählt werden, scheint doch der Fortgang dieser wunderbaren Begebenheit, wenn auch dieselbe keineswegs vollkommen frei zu sprechen, denn doch ihre alleinige Schuld in ein zweifelhaftes Licht zu setzen. Die Juweliere Bassanges und Böhmer zu Paris hatten der Königin ein außerordentlich kostbares Brillanthalsband zum Kauf angeboten, und diese, von der Schönheit des Schmuckes hingerissen, war auch gar nicht abgeneigt, es zu behalten; allein der König verweigerte ihr die zur Zahlung nöthigen Summen, wegen des ungeheuern Preises von 1,600,000 Livres. Nach Monatsfrist gab daher die Königin die Diamanten den darüber nicht wenig betroffenen Juwelieren zurück und diese sannen bereits auf Mittel, die ihnen sehr lästigen Juwelen in Portugal unterzubringen, als der Kardinal von Rohan als Vermittler auftrat. Sein eifrigstes Streben ging, wie schon erwähnt, dahin, wieder in der Gnade des Hofes zu steigen. Unordnungen jeder Art hatten seine Vermögensumstände zerrüttet, ein hoher Posten, die Stelle eines Staatsministers, sollte ihnen aufhelfen, und nur der wiedererworbenen Gunst der vielvermögenden Königin war es möglich, ihn dazu zu erheben. Die Gräfin sollte Vermittlerin werden und ward es vorgeblich auch, da sie bei Maria Antoinette immer mehr in Gunst stieg, so erzählt sie nämlich selbst in ihrer spätern, merkwürdigen Vertheidigungsschrift. Aber das Urtheil, welches sie zur Verbrecherin stempelte, nennt sie eine listige Betrügerei, die den Kardinal durch falsche Vorspiegelungen betrog. In der Voraussetzung der völligen Vergebung seiner Monarchin, entschloß sich der Kardinal, dem, um seine unbegrenzte Reue und Ergebenheit zu bethätigen, kein Opfer zu groß erschien, den Handel mit den Juwelieren zu übernehmen. Die Königin, welche das theure Halsband durch einige Veränderungen unkenntlich zu machen hoffte, versprach in bestimmten Terminen zu zahlen, wollte jedoch ihren Namen in der heimlich zu betreibenden Sache nicht genannt wissen; da indessen die Eigenthümer der Edelsteine ihre Unterschrift unter den Kaufcontrakt forderten, so entschloß sich die zur Unterhändlerin gebrauchte Gräfin, entweder aus übergroßem Diensteifer, wie sie nachher angab, oder aus verbrecherischer Absicht, wie ihre Richter erkannten, und unterzeichnete für die Königin. Der Handel ward nun abgeschlossen, der Kardinal leistete Bürgschaft und übergab den verhängnißvollen Schmuck – ob der Gräfin selbst, oder in ihrem Beisein dem vertrauten Kammerdiener der Königin, Lescault? wie jene behauptete – ist nie ausgemittelt worden. Schnell zeigten sich die Folgen des ganzen unbesonnenen Verfahrens. Die Königin würdigte den Kardinal, der eitel und thöricht genug gewesen war, sich der neuen Gunst zu rühmen, keines Blickes, seine Briefe blieben unbeantwortet, und als der erste Termin erschien und mit ihm keine Zahlung, sah sich der bitter Getäuschte in der entsetzlichsten Verlegenheit. Die Juweliere wurden dringend, der Polizeiminister erhielt Kenntniß von dem Vorgefallenen, die Königin läugnete jeden Antheil daran, versicherte, die Gräfin durchaus nicht zu kennen, wollte nie mit dem von ihr gehaßten Kardinal correspondirt haben und somit eröffnete die Gefangennehmung der beiden Ebengenannten den vielbesprochenen Halsbandproceß, der ganz Europa in Erstaunen setzte, und bedeutend dazu beitrug, das Ansehen Antoinetten's bei der Nation, die sie ohnedieß nicht mehr liebte, zuschmälern. Der König, auf das Aeußerste empört von den sich immer mehr verwickelnden Verhandlungen, befahl mit der größten Strenge gegen die Angeklagten zu verfahren, um die von ihm nie bezweifelte Unschuld seiner Gemahlin zu beweisen. Die mächtige Familie Rohan hingegen that wiederum Alles, um in ihrem Verwandten, dem Kardinal, der eine Zeit lang in Lebensgefahr schwebte, nicht beschimpft zu werden. Schutzlos oder schuldig stand die Gräfin gleich gefährlich zwischen den Parteien. Der von ihr noch vor Kurzem gemachte Aufwand, den sie den Wohlthaten der Königin und des Kardinals zuschrieb, das Ergebniß, Letztern in den Gärten von Versailles durch ein der Königin täuschendähnliches Mädchen, Namens Oliva, die ihm eine Rose als Versöhnungszeichen reichte, hintergangen zu haben (diese Spiegelfechterei sollte mit Bewilligung der Königin, welche den Fürsten zu stürzen wünschte, geschehen sein) und vorzüglich die verfälschte Namensunterschrift der Monarchin waren furchtbare Zeugen gegen sie. Die Hauptmasse der Juwelen blieb zwar verschwunden, aber eine Menge kleinerer Steine, die die Gräfin von der Königin zum Geschenk erhalten zu haben versicherte, hatte ihr Mann in England, wohin er bei Zeiten, doch sonderbar genug ohne seine Gemahlin, geflüchtet war, verkauft. Sie selbst stützte auf dieses vertrauensvolle Bleiben einen Hauptbeweis ihrer Unschuld, ward während des Processes anständig behandelt, von dem Kardinal, der sie doch als Ursache des über ihn gekommenen Unheils hätte billig verachten sollen, oft noch ermuthigt und zuletzt als eine überwiesene Diebin und Hochverrätherin zur Brandmarkung, Staupenschlag und ewigem Gefängniß verurtheilt. Die Fassung und Schonung eines hohen Namens, welche die Unglückliche bis hierher bewiesen hatte, verließ sie jetzt gänzlich, und während der empörenden Auftritte ihrer niedrigen Bestrafung stieß sie unter den Händen der Henker die gräßlichsten Schmähungen gegen die Königin aus und ward halbtodt nach der Salpétrière gebracht, wo sie sich umsonst zu tödten versuchte. Der Kardinal verlor alle seine Würden und der König wie der Gerichtshof glaubte nur gerecht gewesen zu sein, während die öffentliche Stimme laut den Fürsten als einen vom Hasse der Königin Verfolgten und die Gräfin als ein Opfer der Kabale bezeichnete. Die Diamanten sollten an den Kaiser Joseph, den Bruder Antoinettens, gesandt worden sein, und die Briefe derselben an den Kardinal sich noch zum Theil im Besitz der Gräfin, die aus Furcht oder Hoffnung auf Rettung schweige, befinden. Wirklich entfloh nach einigen Jahren die Gebrandmarkte glücklich nach England, und schickte sich dort an, ihre Vertheidigungsschrift, in der sie um Revision ihres Processes flehte und die sie mit wichtigen Belegen' ihrer Aussagen zu versehen versprach, drucken zu lassen, als die Vertraute der französischen Königin, die Fürstin Julie Polignae, bei ihr erschien und vergeblich Alles versuchte, um sie von diesem Unternehmen abzubringen und ihr die Briefe abzukaufen. Begierig ergriff das Publikum und besonders die schon im Vorspiele der Revolution gährenden Franzosen, das von der Rache eines wenigstens höchst zweideutigen Weibes dictirte Buch (in's Deutsche übersetzt unter dem Titel: Rechtfertigungsschrift der Gräfin von Valois de la Mothe, von ihr selbst aufgesetzt; London 1789), und wenn auch gewiß die Königin nicht jede der darin enthaltenen Anschuldigungen verdiente, und wie gegenwärtig durchgängig angenommen wird, durch Bosheit und Eigennutz in solch heilloses Ränkenetz verflochten ward, so bleibt doch immer die betrübende Gewißheit, daß diese böse Geschichte eine der Hauptstützen zu dem Schafotte, das ihr wenig. Jahre später die Volkswuth errichtete, abgab.

F.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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