Mara, Gertrude Elisabeth

Mara, Gertrude Elisabeth

Mara, Gertrude Elisabeth, geborne Schmehling, erblickte das Licht der Welt den 11. Februar 1749 in Kassel, und darf mit Recht unter die ausgezeichnetsten Sängerinnen Deutschlands gezählt werden. Ihr Vater, ein Tonkünstler, brachte sie in ihrer zartesten Kindheit nach London, wo sie die Zither erlernte und sich bereits in ihrem zehnten Jahre vor der Königin hören ließ. Doch bald legte sie dieses Instrument bei Seite und bildete sich unter Paradisi, einem alten Hofsänger, so weit aus, daß sie sich nach kaum zurückgelegten vierzehn Jahren, bei Hof großen Beifall errang. Nach einigen Jahren reiste ihr Vater nach Kassel zurück, wo man sie jedoch keiner großen Aufmerksamkeit würdigte und ging von da 1766 nach Leipzig. Hier wendete sie sich an Hiller mit der Bitte, sie in seinen Violinconcerten zu beschäftigen. Dieser erkannte das große Talent, nahm sie in sein Haus auf und ließ sie in seinen Concerten singen. Mit unermüdetem Eifer und beispielloser Ausdauer verfolgte sie nun während fünf Jahre den Weg, den Hiller zu ihrer vollkommenen Ausbildung ihr vorschlug. Neben der größten Strenge bei Ausübung des technischen Theiles der Musik überließ Hiller seiner Schülerin die freieste Selbstentwickelung des poetischen Theiles und half nur durch Andeutungen nach. Der kurfürstl. sächs. Hof hörte Elisabeth in Leipzig und die verwitwete Kurfürstin Maria Antonia, eine Kennerin der Musik, beredete sie, 1761 nach Dresden zu kommen. Im Anfange des folgenden Jahres reiste sie geehrt und reich belohnt wieder nach Leipzig zurück, wo sie sich unter Hiller's Leitung ferner ausbildete und zugleich Virtuosin auf dem Claviere wurde. Später erhielt sie einen Ruf nach Berlin und wurde hier mit einem Jahrgehalte von 3000 Thalern angestellt. Sie trat 1771 in Berlin zum ersten Mal in Hasse's Intermezzo Piramoe Tisbe auf, und wetteiferte mit dem großen Conciliani um den Preis. Ihr Gehalt wurde späterhin auf 6000 Thaler erhöht. 1774 heirathete sie gegen den Willen des Königs, den Violoncellisten Johann Mara, an dem sie, trotz der härtesten Mißhandlungen, die sie von ihm zu erdulden hatte, mit unerschütterlicher Treue hing. Durch ihn wurde sie in unzählige Verdrießlichkeiten verwickelt; denn nicht allein, daß er sich stets die Unzufriedenheit des Königs zuzog, so vergeudete er auch die großen Summen, welche seine Frau in Berlin und späterhin in noch größerm Maße in Wien, Paris und London einnahm. Als König Friedrich sich weigerte, sie aus seinen Diensten, in denen sie stets unzufrieden war, zu entlassen, suchte sie sich denselben durch heimliche Flucht zu entziehen, wurde aber eingeholt; sie selbst blieb ungestraft, allein ihr Mann mußte die Stelle eines Tambours in einem Garnisonregimente übernehmen. Endlich, 1780 entschloß sie sich auf Zureden ihres Gatten zu einer zweiten Flucht, die glücklicher ausfiel. Sie ging zuerst nach Leipzig und von da 1782 nach Wien, in die Schweiz und im folgenden Jahre nach Paris. Hier trat sie als die überwiegende Nebenbuhlerin der von den Franzosen vergötterten Todi auf, und erhielt den Titel einer Concertsängerin der Königin. 1784 begab sie sich nach London, wo sie mit großer Begeisterung empfangen wurde, und gleich Anfangs für dreizehn Abende im Pantheon-Concert 1000 Guineen erhielt. In dem berühmten Concerte, das jährlich zu Ehren Händel's von Cramer und Salomon veranstaltet wurde und oft aus einem Personal von 1000 Instrumentisten und Sängern bestand, trat Elisabeth Mara als erste Sängerin auf. Auch wurde sie im Winter 1785 und 1786 am Londoner Operntheater engagirt. Nach einem kurzen Aufenthalte in Venedig und Turin kehrte sie 1788 wieder nach England zurück und blieb daselbst bis 1802; ihr Abschiedsconcert trug ihr über 1000 Pfund ein und der rauschendste Beifall folgte ihren letzten Tönen. Sie hielt sich einige Zeit in Paris auf und begab sich 1803 nach Deutschland, überall durch den Zauber ihres Gesanges Bewunderung erregend. Hierauf wandte sie sich nach Petersburg, von wo aus sie Willens war, sich wieder nach England einzuschiffen. Im Jahr 1808 befand sie sich jedoch noch in Moskau und vermählte sich hier nach dem Tode ihres längst von ihr getrennten Gatten mit ihrem bisherigen Begleiter Florio, ihren einmal berühmt gewordenen Namen, Mara, beibehaltend. Ein Haus in Moskau, ein Landsitz in der Nähe dieser Stadt und ein mäßiges Einkommen, waren die Früchte einer vierzigjährigen Kunstreise. Eine gewiß zehn Mal größere Summe, als dieses Alles zusammen beträgt, war durch ihre beiden Männer verschwendet worden. Doch selbst das Wenige sollte ihr nicht bleiben. Die französischen Heere erschienen in Rußland; ihr Landgut wurde verwüstet, ihr Haus niedergebrannt und ihr Banquier fallirte. Einige angesehene Familien nahmen sie 1812 in Reval auf, in deren Mitte sie bis zu ihrem siebzigsten Jahre verweilte, als auf einmal die Sehnsucht nach ihrem Vaterlande in ihr erwachte und sie sich zu einer Reise nach Deutschland und England entschloß. Sie sah 1819 ihre Vaterstadt Kassel wieder, wo ihr der letzte Ehrenkranz gereicht wurde. Von England kehrte sie nach Reval zurück und widmete sich ausschließlich dem musikalischen Unterrichte der Jugend; ihr ward die Freude, manches schöne Talent geweckt und ausgebildet zu haben. In ihren letzten Lebensjahren beschäftigte sich unsere Künstlerin mit Abfassung ihrer Lebensgeschichte, die sie nach ihrem Tode zur Herausgabe bestimmte. Der erste Theil ihrer Schriften enthält ihre Ansichten über die Gesangkunst, der zweite Erinnerungen aus ihrem Leben. Sie starb den 20. Januar 1833. Der Ruhm dieser großen Sängerin gründet sich nicht allein auf die Stärke und Fülle ihrer Stimme, sondern auch auf die bewundernswürdige Leichtigkeit, Schnelligkeit und Rundung, womit sie die schwierigsten Passagen vortrug, und endlich auf ihren einfachen und hinreißenden Ausdruck im Adagio. Die Art, wie sie die Arie aus Händel's Messias: »Ich weiß, daß mein Erlöser lebt« sang, wird noch heute für das Außerordentlichste gehalten, was je durch eine Menschenstimme hervorgebracht worden ist, so wie sie überhaupt im Vortrage Händel'scher Compositionen besonders ausgezeichnet war. Ihr Aeußeres war durchaus nicht anziehend; Gestalt und Gesicht eher häßlich, als hübsch, doch leicht vergaß der Zuhörer beim seelenvollen Klange ihrer Stimme diese äußeren Mängel.

E. v. E.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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