Arc, Johanna von

Arc, Johanna von

Arc, Johanna von, die Jungfrau von Orleans, das gottbegeisterte Heldenmädchen, die Befreierin ihres Vaterlandes, der gefeierte Gegenstand so vieler Dichtungen, ein leuchtender Stern in der Geschichte der Frauenwelt, wurde 1412 zu Demremy im Maasdepartement geboren. Sie war die Tochter eines schlichten, redlichen, nicht ungebildeten Landmannes, zur Frömmigkeit und Häuslichkeit erzogen. Schön, bescheiden, demüthig vor dem Herrn, aber voll eines gewaltigen Geistes, war sie berufen, aus dem Dunkel der Einsamkeit emporzutauchen, und in dem Glanz des Thrones, des Ruhmes und der Geschichte, nicht nur ihres Vaterlandes, sondern der der Welt, als ein Meteor zu glänzen. – Der Dauphin Karl VII. von seiner eigenen Mutter, der schändlichen Isabella geächtet, von Burgund und England, dessen König sich Regent von Frankreich nannte, bekriegt, hatte den Feinden den größten Theil seines Landes überlassen müssen. Orleans wurde von den Engländern belagert und wenn dieses fiel, so war Frankreich für Karl VII. unwiederbringlich verloren. Sieben Jahre lang dauerte schon der Krieg, der König, liebenswürdig, aber leichtsinnig, gab, unbesorgt um die nahende Gefahr, in seinem Hoflager Feste und Sängerspiele und das Land sah einer traurigen Zukunft entgegen. Orleans war hart bedrängt, die Minen reichten bis unter die Wälle der Stadt, Hunger und ansteckende Krankheiten herrschten darin, Frauen und Jungfrauen stritten verzweiflungsvoll auf den Wallen an der Männer Seite; aber die Zahl der Belagerer wuchs, kein Entsatz war zu hoffen, nur bei Gott allein noch Rettung. Johanna, damals 17 Jahre alt, wurde von dem Unglücke ihres Vaterlandes tief ergriffen; die heilige Jungfrau erschien ihr, als sie unter dem Druidenbaume (arbre des fées) schlief, im Traume und befahl ihr wiederholt, zu dem Dauphin zu gehen und Orleans zu befreien. Heimlich verließ sie, das himmlische Vertrauen in ihrer Brust, ihre Eltern und ging von ihrem Oheim begleitet nach Vaucouleurs zum Commandanten Baudricourt, ihm ihre göttliche Sendung offenbarend. Zweimal wurde sie mit Hohn abgewiesen, aber zum dritten Male, auf ihre dringenden Bitten und nachdem sie einen Sieg der Engländer prophezeit hatte, in männlicher Rüstung, begleitet von einem Stallmeister und vier Knechten, nach Chinon zum Dauphin geschickt. Hier hörte man Anfangs nicht auf den Beruf ihrer Sendung; als sie aber den König, den sie nie gesehen und der in unscheinbarer Kleidung mitten unter seinen Hofleuten stand, erkannte, das Knie vor ihm beugte, als sie ihm erzählte, was der Gegenstand seines letzten Gebetes gewesen, und nachdem sie von einer Versammlung Rechtsgelehrter und Theologen geprüft, rein an Wandel, fromm im Glauben befunden worden war, glaubte man an ihre Berufung und hoffte Vortheil davon. Sie bezeichnete eine Stelle zu St. Katharina von Fierbois, wo ein Schwert verborgen war, mit welchem sie zu siegen hoffte, und man fand dasselbe wirklich zwischen alten Waffengeräthen. Sie wurde nun an die Spitze einer Schar Bewaffneter gestellt, welche einen Transport Lebensmittel nach dem ausgehungerten Orleans bringen sollte. In der Rechten das Schwert, in der Linken die Fahne mit dem Marienbilde und der Unterschrift: Jesus Maria! rückte sie gegen die bedrängte Stadt. Sie setzte über die Loire und gelangte glücklich mit den Lebensmitteln nach Orleans. Schon jetzt wurde sie als gottgesandte Retterin gepriesen. An der Spitze der Belagerten unternahm sie mit größter persönlicher Tapferkeit am 4. u. 6. Mai 1429 mehrere Ausfälle, stürmte und eroberte die engl. Verschanzungen, schlug die Feinde in die Flucht und befreite Orleans. Von nun an stieg der Glaube an ihre Sendung unter den Franzosen zur religiösen Begeisterung, die Feinde aber erfaßte panischer Schrecken, wenn sie ihre Fahne erblickten. Während jene sie eine Heilige des Paradieses, die Erste nach der Jungfrau Maria, nannten und Bilder von ihr zur Verehrung aufhingen, schalten sie die entmuthigten Engländer eine Hexe und drohten ihr im Falle der Gefangennehmung mit dem Feuertode. Rasch hinter einander eroberte sie Jargeau und Beaugenci, schlug die Engländer bei Patay auf's Haupt und nahm ihren Anführer Talbot gefangen. Johanna führte, nachdem Auxerre und Chalons die Thore geöffnet und sie Troyes erstürmt hatte, nun den Dauphin als Sieger in Rheims ein, um ihn dort zu krönen. Dies sollte das Ziel ihrer Sendung sein, wie sie verkündete. Sie verrichtete bei der heiligen Ceremonie das Amt eines Connetable, stand in voller Rüstung neben dem König und hielt die heilige Fahne und das Schwert über seinem Haupte. Nachdem sie so die ihr von Gott zugekommenen Befehle ausgeführt, wollte sie in ihre Heimath, in das bescheidene Dunkel ihrer ländlichen Beschäftigungen zurückkehren; denn sie war mitten im Glanz und Ruhme demüthig geblieben vor Gott und den Menschen. Aber der König, der die Macht ihrer Begeisterung kennen gelernt, der mit ihrer Hilfe die Feinde aus dem Lande zu vertreiben hoffte, widersetzte sich diesem Verlangen und gebot ihr zu bleiben. Sie gehorchte, aber mit betrübtem Herzen; denn sie ahnte ihr düsteres Ende. Noch einige Male siegte sie in kleinern Gefechten, und schlug die Engländer 1430 bei Lagny, trug ihre Fahne in die Mitte der Feinde und schmetterte sie nieder durch die Gewalt ihres Muthes; aber nach einem tapfern Ausfalle der Franzosen aus Compiegne, welches von den Burgundern und Engländern belagert wurde, traf es sich, daß sie abgeschnitten und gefangen wurde. Sie ergab sich an die Burgunder, aber diese verkauften sie an die Engländer für eine große Summe. Grenzenloser Schmerz ergriff Heer und Volk; aber der König that keine kräftigen Schritte zu ihrer Auslösung und seine Feldherrn wirkten nicht für ihre Befreiung, da Johanna's Ruhm den ihrigen verdunkelt hatte. – Man sperrte sie in einen Thurm, sie sprang durch das Fenster hinab, verwundete sich, wurde aber nicht gerettet. Johanna war eine Kriegsgefangene, sie hatte die Waffen für ihr Vaterland getragen, die weltliche Gerechtigkeit konnte ihr keinen Vorwurf thun; aber um sie, die den Engländern mehr geschadet, als Heere von Franzosen, ungefährlich zu machen, um mit ihr auch die Begeisterung aus den Herzen ihrer Anhänger zu vertilgen, mußte ein geistliches Gericht seinen Arm leihen, sie zu verderben. Sie wurde vor das Inquisitionstribunal des Bischofs Cauchon von Beauvais gestellt, des Umganges mit höllischen Geistern, der Zauberei und Hexerei angeklagt Die Mitglieder des Gerichtes, treulos ihrem Könige, erkauft von den Engländern, beschlossen ihren Tod. Kriegerisch gerüstet, mit Ketten belastet, fromm, muthig, rein und schuldlos erschien sie vor dem Tribunal und vertheidigte sich mit den Waffen der Unschuld, der Wahrheit und des Glaubens. Da aber die Engländer besorgten, ihr Tod könne den Franzosen als der Tod einer Märtyrin erscheinen und sie zu neuer Begeisterung und Rachegluth entflammen, so wollte man ihr Andenken brandmarken, indem man sie zum Eingeständnisse des Umgangs mit bösen Geistern, der Ketzerei und Zauberei zwang. Lange widerstand sie: als man sie aber am Jahrestage ihrer Gefangennehmung (d. 24. Mai 1431) nach dem Platze, wo man ihr den Scheiterhaufen errichtet, geführt, ihr das Marterholz, an welches sie festgebunden werden sollte, gezeigt und das Urtheil, welches sie verdammte: langsam verbrannt zu werden, vorgelesen und ihr alle die Qualen dieses schrecklichen Todes mit lebhaften Farben geschildert hatte, als man ihr ferner, wenn sie widerriefe, Verzeihung und Freiheit angeboten; da brach der Muth des armen, gepeinigten Mädchens; sie hielt diese Seelenfolter nicht aus, sie bat um Gnade und widerrief und gestand, was man verlangte. – Jetzt, da man das öffentliche, eigene Geständniß ihrer Schmach in den Händen hatte, glaubte man sie ohne Gefahr tödten zu können. Man hatte ihr weibliche Kleider gegeben, heimlich aber ihre kriegerische Rüstung in den Kerker gelegt. Johanna hatte nur einen Augenblick, von menschlicher Schwäche überwältigt, gebebt; beim Anblick ihres kriegerischen Schmuckes, in welchem sie einst für Gott und König gefochten, kehrte ihr Muth wieder zurück. Sie wollte und konnte ein schmachvolles, verachtetes Leben nicht einem glorreichen Tode vorziehen. Sie legte Helm und Rüstung wieder an und erklärte fest und feurig, ihre Sendung wäre in der That von Gott gewesen. Darauf hatte das Tribunal geharrt; man erklärte sie des Rückfalls zur Sünde überwiesen und des Todes schuldig. Am 30. Mai wurde sie zu dem Scheiterhaufen geführt, den man zu Rouen auf einem öffentlichen Platz errichtet hatte. Voll des erhebenden Glaubens an die Gnade ihres Gottes, an die Errettung ihres Vaterlandes, an ihre himmlische Berufung, ging sie, in ihrer kriegerischen Kleidung, der Gefährtin so vieler Siege, zu dem letzten, schwersten, dem größten Siege, zum Siege über ihre Feinde, und über die eigene schwache Menschennatur – zum Tode! Als man ihr schönes, blasses, von braunen Locken umwalltes Haupt mit der Inquisitionsmütze bedeckte, sagte sie zu ihrem Begleiter: »Durch Gottes Gnade werde ich noch heute im Paradiese sein!« Schon stand sie auf dem lodernden Scheiterhaufen, schon schlug die Flamme mit verzehrender Gluth an ihr empor, immer noch betete sie freudigen Herzens und mit lauter Stimme zu den Heiligen des Paradieses, und rief zu dem Erlöser, der einst gelitten und gestorben für die Menschheit, um Trost und Beistand in ihren Qualen. Sein Name war das letzte Wort ihres sterbenden Mundes; sie neigte das Haupt und ihr Geist entfloh aus der gemarterten Hülle. Da erhob sich aus der lodernden Flamme (wie die Sage geht) eine weiße Taube und stieg zum Himmel empor. Als Johanna verschieden war, mußten die Henkersknechte das Feuer zurückschieben, damit sich Jedermann überzeugen konnte, daß sie wirklich todt sei. Nachdem dies geschehen war, wurde die Gluth verstärkt und der Körper in Asche verwandelt. Aber das umstehende Volk war von ihrem heldenmüthigen Ende so ergriffen, daß es sie laut eine Märtyrin nannte, die für den Glauben gestorben sei. – Mehrfach angeregt ließ Karl VII. erst 1455 durch Papst Clemens III. ein geistliches Gericht niedersetzen, den Prozeß revidiren, und so wurde das erste Urtheil für nichtig erklärt, ihre Unschuld allgemein verkündet und die Schmach von ihrem Namen gelöscht. Später ließ der König zum Angedenken an die Retterin seines Thrones zu Rouen eine große steinerne Fontäne mit dem Bildnisse der Jungfrau und mehrerer Heiligen geschmückt, errichten. Orleans setzte ihr 1458 auf der Brücke ein steinernes Monument, an dessen Stelle später ein bronzenes kam. Im Frühjahre 1804 wurde der Jungfrau ein neues Denkmal für 40,000 Livres auf dem Platze de Martroy zu Orleans gesetzt. – Johanna war einige Male verwundet worden, hat aber nie mit eigener Hand Blut vergossen, sie wirkte nur durch ihre begeisternde Anführung, ihren Zuruf; sie hatte alle Liebenswürdigkeiten und keine der Schwächen ihres Geschlechtes; irdische Liebe kam nie in ihre Brust, mitten im Kriegsgetümmel, im wilden Leben des Lagers, erhielt sie ihren jungfräulichen Ruf fleckenrein. Der König hatte sie noch bei ihren Lebzeiten unter dem Namen dy Lys in den Adelstand erhoben und ihr ein Wappen: zwei Lilien, Schwert und Krone verliehen. Ihre Verwandten waren noch in spätern Jahrhunderten ein geachtetes Geschlecht, bis sie ausstarben. – Die Lilien Frankreichs sind verblüht, die Lilien in Johanna's Wappen aber werden ewig blühen! – Die Dichter Chapelaine und Southey haben Johanna zum Gegenstande (mißlungener) Heldengedichte gemacht; bei den Franzosen brachten sie Dumenil, Soumet u. A. auf die Bühne. Am schönsten hat sie Schiller für alle Zeiten verherrlicht durch sein gefeiertes Meisterwerk »die Jungfrau von Orleans.« Noch besitzen wir ein deutsches verdienstvolles Drama: Johanna d'Arc von G. Wetzel, welches sich jedoch weniger zur Darstellung eignet.

O. M. u.–n.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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