Simonisten, Saint

Simonisten, Saint

Simonisten, Saint. Es war wenig Wochen nach der Julirevolution, als die bisher nur im Geheimen wirkenden Schüler eines forschenden und projectirenden Sonderlings, des Grafen Claude Henri de Saint-Simon (starb am 19. Mai 1825), an ihrer Spitze die »Priester« Bazard, Rodrigues und Enfantin, in einem großen Versammlungssaale in der Straße Taitbout zu Paris auch öffentlich auftraten, unter einem großen Zulauf von Gläubigen und Ungläubigen aller Art begeisterte, von schönen Ideen und noch schönern Phrasen blinkende Reden (»Predigten«) hielten, und in alle Theile Frankreichs mit bedeutendem Erfolge Missionäre aussandten. Mit großer Salbung sprachen sie sich gegen die Aristokratie des Besitzes aus: eine allgemeine Vergesellschaftung mittelst der Industrie solle das Feldgeschrei der neuen Aera sein; ein neues Einheitsband müsse an die Stelle der christlichen Religion treten, die, nur mit der geistigen Einigung beschäftigt, nicht auch eine materielle Gemeinschaft des Eigenthums und der Betriebsamkeit, wie sie doch so recht eigentlich die Aufgabe der Menschheit für diese Erde sei, bewirken wolle, und sich daher auch nicht gegen »die Nutzung des Menschen durch Menschen« ausspreche. So seien die Löhnlinge die Lastträger geworden und geblieben, auf daß die wenigen Reichen desto ungestörter schwelgen könnten Darum müsse Jeder ohne Ausnahme ein Geschäft übernehmen nach seinen Fähigkeiten, und nur belohnt werden nach Maßgabe seiner Arbeit. Außerdem Aufhebung des Privateigenthums, der Vererbung, die vollkommenste Gleichstellung der Frauen im Tempel, Staate, wie in der Familie mit den Männern und Gatten (l'élévation de l'épouse au niveau de l'époux), – dieß waren die Hauptlehren der neuen Religion, die alle Herzen gewinnen sollte mit Hilfe eines neuen Ritus, und zwar: durch den Unterricht in ganzen Versammlungen, – die simonistische Predigt –, durch die besondere Belehrung und Ermahnung bei den einzelnen Individuen, – die simonistische Beichte –, und durch öffentliche Zusammenkünfte, wo Musik, Gesang, dichterische Rede im harmonischen Gewande sinnlicher und übersinnlicher Schönheit, sich idealisch verknüpfen sollten, – die simonistische Communion. – Diese unausführbaren Träume, welche von der gepriesenen »Freiheit und Gleichheit« nur abführen konnten, eine unerträgliche Priesteraristokratie nebst der Aufhebung aller Persönlichkeit bezweckten, das weibliche Geschlecht lediglich auf Kosten seiner Sittlichkeit und der Heiligkeit seines Stilllebens erheben wollten, und das ganze Erdenleben profanirten, welches allein das Christenthum mit seinen himmlischen Armen an das Reich der Gottheit, der Unsterblichkeit knüpft, wurden an barokker Phantastik noch von ihrer Theorie über die Ehe überboten, in der sie die Würde derselben prosanisirten und das Heiligste, die Familie, in ihren Grundfesten zerstören wollten. Enfantin, ein kühner, ehrgeiziger Mann von imponirendem Aeußern, spielte mit großer Grazie und Emphase den Gottbegeisterten und proclamirte sich in offener Versammlung am 27. Nov. 1831 selbst als Papst, père suprême, der neuen Kirche, während neben ihm ein leerer Stuhl für das »freie Weib,« eine Päpstin oder oberste Mutter stand, die noch kommen sollte. Die S. zeigten sich in großem Costüm: mit langen Bärten, den Kopf und die Brust bloß, mit einer weißen, auf dem Rücken zugeknöpften Weste (das Symbol der Verbrüderung, weil es bei ihrem Anziehen jedesmal eines Zweiten bedurfte) und einer kurzen, blauen Tunika. Nun schritt jedoch die Regierung thätig gegen dieses Unwesen ein, die Partei gerieth in Verfall, die Stimmführer zerstreuten sich, und Enfantin sucht jetzt noch immer in Aegypten nach der »freien Frau,« und zwar, zur Ehre des weiblichen Geschlechts noch immer – vergebens!

B.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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