Corsica

Corsica

Corsica, Insel im mittelländischen Meere, 18 Meilen von Frankreich und 11 Meilen von Italien, wird nur durch die 1 Meile breite Straße Bonifacius von Sardinien getrennt, hat 178 Quadrat Meilen und 95,000 Einwohner und ist seit 1768 französische Provinz. Das Land wird von einer langen Kette hoher Bergzacken durchzogen, deren Gipfel mit Schnee bedeckt sind, ringsum gruppiren sich niedere nackte Felsen, an deren Seiten dichte Waldungen von hohen Tannen und Eichen sich erstrecken. Dazwischen gibt es enge, tiefe, düstere Thäler, wo tobende Wasser brausen, und hier und da an einem Fußpfade, der sich über die steilen Felsen schlängelt, liegt eine menschliche Wohnung gleich dem Adlerhorst auf einsamer Bergspitze. – Gegen das Meer zu erweitern und verflachen sich die Thäler und zeigen Spuren von Anbau. An den Ufern der Bäche (welche der Corse stolz »Flüsse«nennt) liegen Flecken, an den Hügelabhängen wachsen Oliven-, Orangen- und Lorberbäume, auf den Anhöhen hundertjährige Kastanienbäume. Alle Erzeugnisse der tropischen Zone könnten bei größerer Pflege hier gedeihen. Von dem Monte d'oro übersieht man bei hellem Himmel, wie eine ungeheure Landkarte, ganz Corsica, Sardinien mit seinen zerrissenen Küsten, Elba und am Horizonte als grauen Umriß die Küsten von Italien und Frankreich. Der Boden ist reich, die Vegetation üppig. Oliven-, Citronen-, Pomeranzen- und Granatbäume gedeihen in freier Erde und tragen die herrlichsten Früchte, ebenso die Rebe und die weißen und rothen, feurigen Weine von Muriana, Campoloro etc werden häufig nach Marseille, Holland und Italien verschickt. Hier wächst auch die pinus altissima, der höchste Baum Europa's, mit hartem, elastischem Holze. Die Berge liefern Marmor, Porphyr und sehr viel Asbest; aber keine edlen Metalle. Mineralquellen sind zahlreich vorhanden. – Die Thiere sind im Durchschnitte klein, doch zeichnen sich die Pferde durch Kraft und Ausdauer aus. Die Schafe sind schwarz und haben in der Regel 4–6 Hörner, die Ziegen groß und stark. Fasanen und Rephühner gibt es in Menge. – Die Einwohner sind im Allgemeinen stark und wohlgebaut, von mittlerer Größe, brauner Gesichtsfarbe und schwarzen, glühenden Augen. Ihre Züge sind mehr Furcht als Vertrauen einflößend. Die Frauen theilen den Charakter der Männer, doch findet man auch viele von regelmäßiger Schönheit. Alle haben schöne Augen und langes, schwarzes, glänzendes Haar, das anmuthig über eine, durch Künstelei noch nicht verunstaltete Körperbildung hinabwallt. Ihre Physiognomie ist kühn, ausdrucksvoll, gebieterisch. Die Corsen sind mit Scharfsinn, Talent, Ausdauer und unerschütterlicher Festigkeit begabt. Glühend in ihren Leidenschaften, vergessen sie weder Beleidigungen noch Wohlthaten. Sie geizen nur nach Ruhm und nie nach Reichthümern. Die Ehre ist ihnen Alles, die Rache ihre größte, vernichtendste Leidenschaft. In der Liebe sind sie glühend heiß, wie alle Südländer; aber ihre Sitten sind strenge, eheliche Untreue höchst selten. Verläßt ein junger Mann seine Braut, um einer andern Geliebten willen, so bewaffnen sich ihre Verwandten und verfolgen ihn so lange, bis sie ihm den Tod gegeben oder er sich von der Insel geflüchtet hat. Der Corse verschmäht alle unedlen Arbeiten, zu denen er auch den Ackerbau zählt. Er überläßt der Frau die Bearbeitung des Bodens, und zieht während dessen mit seinen Waffen und Hunden durch die Gebirge, verfolgt das Muffelthier und wilde Schaf und erlegt das Wildpret für die Küche. Sie sind gastfreundlich bis zur Verschwendung. Den Hauptzug ihres Charakters bildet die Blutrache: Vendetta. Ein Corse, der eine Beleidigung zu rächen hat, benachrichtigt seinen Gegner, daß er von da an Gelegenheit suchen werde, ihn zu tödten. Von diesem Augenblicke an gehen Beide bewaffnet und nur mit der größten Vorsicht aus. Hinterhalte sind erlaubt, die Wahl der Waffen frei gegeben. Jeder kann sich von seinen Freunden begleiten lassen, die für ihn Partei nehmen. Fällt Einer, so erben seine Angehörigen die Rache, und dieser blutige Vertilgungskrieg geht von Geschlecht zu Geschlecht über. In neuerer Zeit hat dieser barbarische Gebrauch sich jedoch durch die Strenge der französischen Gesetze vermindert. Die Kleidung des corsischen Landmanns ist einfach und originell: eine spitzige Mütze von Leder oder Wolle, die man an den Seiten über die Ohren herabziehen kann, eine Jacke von braunem Zeug, kurze Beinkleider, welche ein Gürtel zusammenhält, an dem vorn ein großer Kugel- und Pulversack hängt, und endlich Stiefeln von rohem Leder, welche bis an die Knie reichen. Im Gürtel trägt Jeder ein langes Messer und ist mit einer Flinte bewaffnet. – Die Kleidung der Frauen ist mannichfaltiger. Sie erinnert an die der mainotischen Frauen. Die Bäuerinnen tragen Schleier und Mantillen nach Art der Spanierinnen, und an Festtagen Leibchen, Röcke und Schürzen von lebhaften, bunten Farben. Die Sprache der Corsen ist italienisch mit einer großen Anzahl spanischer und arabischer Wörter untermischt. – Ein Hauptzug des corsischen Charakters ist auch die Neugierde – auch der gemeinste Mann bestürmt den Fremden mit Fragen nach den neuesten Weltereignissen. So arm der Corse ist, so gibt es doch nirgends einen Bettler; denn Betteln ist schimpflich. – Lange Bewerbungen vor einer Heirath sind nicht gebräuchlich, auch macht nie der Mann zuerst den Vorschlag zu einer Verbindung; derselbe geht immer von den beiderseitigen Verwandten aus. Die Hochzeiten sind sehr feierlich, die Braut wird unter Musik und Flintenschüssen nach dem Hause des Bräutigams gebracht, der die Gesellschaft mit Wein, Honig und Früchten bewirthet. Heirathen aber schon bejahrte Personen, so wird ihnen mit Glocken, Pfannen und Kuhhörnern ein Charivari gebracht, welches sie jedoch als Landessitte nicht übel nehmen dürfen. Das Weib ist hier eigentlich mehr Sklavin als Frau, wird aber nie unfreundlich behandelt, und findet eben so wenig ihre Hingebung und Zärtlichkeit durch Untreue belohnt. Die Häuser im Innern der Insel sind ärmlich, elende Hütten mit einer Oeffnung, die als Thüre, Fenster und Rauchfang dient. Die Corsen sind mäßig, in jedem Hause findet man einen großen Haufen Kastanien, die aber nicht roh gegessen, sondern zu Mehl gestampft und dann in eine Menge Gerichte, Polenta, Frandoline etc. verwandelt werden. Die Erziehung ist sehr mangelhaft und beschränkt sich auf etwas Religionsunterricht, wozu bei den Knaben noch der Gebrauch der Waffen gehört. Sobald sie erwachsen sind, erhalten sie dieselben von ihrem Vater und sind freie Männer. Man prägt ihnen die Lehre der Selbsthilfe und der Vertheidigung ihrer Rechte als Grundprinzip aller Moral ein. – An dem Gedächtnißtage der Dorfheiligen finden überall feierliche Versammlungen Statt, wo die Heirathen der Töchter und andere Familienangelegenheiten besprochen und abgemacht werden.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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