- Diana und Endymion
Diana und Endymion. Diana, griechisch Artemis, die Zwillingsschwester Apollon's, die ewigjungfräuliche Tochter des Zeus und der Latona, eine von den im Alterthum am meisten und auf die vielfachste Weise gefeierten Göttinnen. Sie war das Mondsymbol, wie Apollon der Sonnengott, und wie Apollon Bogen und Pfeile führte, so auch sie, und die Pfeile hatten ihr die Cyklopen geschmiedet. In frühester Zeit kam der Dienst dieser mächtigen Göttin aus dem mythischen Osten nach Griechenland. Zu Ephesus in Kleinasien stand ihr Tempel, ein Wunder der Welt, und der großen Göttin von Ephesus dienten Priester und Priesterinnen, weihten jungfräuliche Amazonen ihr ganzes Leben. Das Bild dieser Göttin war das älteste, und in der spätern Artemis vereinigten sich die Ideen und Begriffe von mehr als einer, wieder in tiefes mystisches Dunkel zurückgetretenen Gottheit. Ganz verschieden von spätern bildlichen Darstellungen der Diana war das zu Ephesus prangende Riesenbild. Das Haupt bedeckte eine Mauerkrone, beide Arme ruhten auf Stützen, am Oberleib drängte sich schwellend Brust an Brust, den thermenartig zulaufenden Unterleib ohne sichtbare Füße umzogen Bilderkreise von Hirschen und andern Thieren, Aehren, Bienen etc. So war sie als allnährende, Leben in Fülle gebende Naturgottheit gedacht und angebetet, und zu ihrem reich und herrlich prangenden Tempel wallten alljährlich Scharen von vielen Tausenden. Diesen Tempel zündete einst, um seinen Namen unvergeßlich zu machen, Herostratus an, aber die Epheser bauten ihn wieder prachtvoll auf. Als Natur- und Mondgöttin hatte die ephesische Diana manche Aehnlichkeit mit Isis, Ceres und Hekate, und noch mannichfaltiger waren die Begriffe von der griechischen Artemis. Sie war, so auch bei den Scythen verehrt, Jagdgöttin, empfing in Tauris Menschenopfer und ihr Cult wurde rauschend begangen. Als Jägerin und strenge Bewahrerin ihrer Keuschheit verwandelte sie den Aktäon, der es wagte, sie im Bade zu belauschen, in einen Hirsch, und er wurde darauf von seinen eignen Hunden zerrissen; mit Strenge strafte sie bei ihren Nymphen jede Verletzung der Jungfräulichkeit; Kallisto wurde deßhalb in eine Bärin verwandelt. Der König von Kaledon, Oeneus, brachte einst allen Göttern Opfer, und war so unglücklich, die Diana zu vergessen, da sandte sie rächend den kalydonischen Eber, der das Land verwüstete, und noch nach seiner endlichen Erlegung, Unheil und Zwietracht über das Haus des Königs brachte. Eben so rächte sie sich für ähnliches Vergessen an Admet durch furchtbare Schlangen. Obgleich strenge Männerfeindin, war doch ein Jäger, Endymion, so glücklich, ihre Neigung zu erwecken. Er, der Sohn des Zeus und der Calyce, war ein Jüngling von unaussprechlicher männlicher Schönheit und zugleich ein leidenschaftlicher Jäger, der oft die Waldgebirge seiner Heimath bei Tag und Nacht mit seinen Rüden durchzog. Diana erblickte ihn, die kälteste und keuscheste der Göttinnen fühlte ihr ganzes Wesen in Liebe zu dem schönen Jäger umgewandelt; sie, die nie Liebe für einen Mann empfunden, weidete sich still an seinem Anblick, wenn er schlummernd im Haine lag, und entführte ihn endlich in eine Grotte des Berges Latmos, wo sie in stillen Nächten den sanften Mohn des Schlummers über sein schönes Haupt goß, um sich an seinem Anblick zu weiden, und seinem Mund die Küsse einer heiligen und ihrer würdigen Liebe aufzudrücken. So erschien sie sanft strahlend, von Amoretten umgaukelt, mit dem Lichte, das ihre hohe Erscheinung ausströmte, den holden Schläfer beleuchtend, und neigte sich leise über ihn, der nur im Traum die Nähe der Göttlichen gewahrte, und die Seligkeit des olympischen Kusses nur wie eine ferne, dunkle Ahnung empfand, die beim Erwachen seine Brust mit namenloser Sehnsucht erfüllte. Still lagen die Rüden an seiner Seite, sein Arm schob bewußtlos den Mantel zurück, das Auge sog durch die geschlossene Wimper das Dämmerlicht des magischen Glanzes ein; aber er erwachte erst, wenn die himmlische Erscheinung schon gewichen und nach ihrer Heimath, dem göttlichen Olymp, zurückgekehrt war. – Die Mythe von Endymion ist so schön, weil sie so rein ist und das zarte Bild eines vom Mondenstrahl geküßten Schlummernden mit so lieblichem Götterzauber umkleidet. – Als Bogenschützin entsendete Diana, gleich ihrem Bruder, die Pfeile des Todes; sie erlegte mit ihrem Geschoß die Töchter der Niobe; den Riesen Tityos, und mit Apollon gemeinschaftlich den Orion. Nicht minder wurde Diana als hilfreiche Göttin kreisender Frauen verehrt, ein Dienst, den sie mit Juno theilte. Ost gesellte sie sich auch zu den Musen und Grazien, und wurde selbst erste Tempelpriesterin ihres Bruders. Die Abbildungen dieser Göttin sind sehr mannichfaltig, außer der oben erwähnten der Isis ähnlichen kommt sie abgebildet vor mit einer Fackel, (wie Ceres) wandernd, reitend, auf der Erdkugel stehend, dann im leichten Gewand mit Jagdgeschoß, den halben Mond auf dem Haupt (ihr hauptsächlichstes Attribut als nachterhellende Göttin), Hirsche führend oder von Hirschen gefahren, von Hunden begleitet, u. s. w. Hirsche, Rehe und Hunde waren ihr heilig, und außer dem Tempel zu Ephesus hatte sie noch einen auf dem taurischen Chersones (in welchem Iphigenia, von der Göttin dem Opfertod entrückt, eine Freistatt fand), mehrere in Rom, davon der von Servius Tullius auf dem Aventinus der bekannteste war, und an vielen andern Orten. Sie wurde auch unter den Namen Phöbe, Cynthia, Delia (von Delos, ihrer Geburtsstätte), Hekate (als Nacht- und Todesgöttin), Diktynna, u. A. verehrt. Ihre Feste hießen Artemisien.
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