- Amor und Psyche
Amor und Psyche. In der Wortbedeutung die Liebe und die Seele. Eine der schönsten griechischen Mythen. Wenn die alten Griechen es verstanden, das Sinnliche auf eine erhabene Art zu veredeln und zu vergeistigen, so waren sie dagegen auch reich an poetischen Transfigurationen, durch welche sie auf eine noch erhabenere Art die edelsten Gefühle, Leidenschaften und Begriffe verkörperten und so der sinnlichen Anschauung näher brachten. – Psyche, eine Königstochter, war von so außerordentlicher Schönheit, daß man sie gleich der Venus selbst anbetete. Die Göttin, darüber erzürnt, befahl ihrem zum Jüngling gewordenen Sohne Amor, die verwegene Sterbliche zu züchtigen und ihr Liebe für den elendesten Erdbewohner einzuflößen. Der Gott der Liebe aber sieht Psyche, entflammt von Liebe zu ihr und stößt sich den Pfeil freiwillig in die eigene Brust. Psyche fühlt sich trotz aller Huldigungen unglücklich, eine düstere Leere wohnt in ihrem Busen – ihre Schwestern werden vermählt, ihr Trübsinn mehrt sich. Ihre Eltern befragen das Orakel des Apollo und dieses thut den Ausspruch: Ein schreckliches Ungeheuer ist zu Psyche's Gatten bestimmt, auf der Spitze eines Felsens soll sie seiner Umarmung harren. Schon steht sie, als Opfer geschmückt, bejammert von den Ihrigen, auf der schwindeligen Höhe, da nimmt sie sanft ein Zephyr auf seine weichen Schwingen und trägt sie in den blumigen Thalgrund hinab. Hier entschlummert sie. Bei ihrem Erwachen umgibt sie eine Zauberwelt, blaue krystallene Quellen rieseln zu ihren Füßen, seltene Blumen duften ringsum, Cascaden schlüpfen von den Höhen, Philomelen schwirren in den Hainen; vor ihr erhebt sich ein strahlender Palast. Eine geheimnißvolle Stimme ertönt und nennt sie die Gebieterin dieses Edens. Unsichtbare Hände bedienen sie. Als sie Nachts ihr Lager bestiegen, hört sie leises Geräusch, ihr unbekannter Gemahl erscheint und schließt sie in seine Umarmung. Sie fühlt sich von namenloser Liebe zu dem Unbekannten hingezogen, der sie warnt, nicht auf die Wehklagen ihrer Schwestern zu hören, wenn diese auf dem Felsenrande erscheinen und Psyche rufen würden. Sie verspricht es; aber bald bestürmen liebende Klagen der während des Tages Einsamen, den Gatten, ihre Schwestern zu ihr gelangen zu lassen. Er gibt ihren Bitten nach, warnt sie aber, sich nicht von ihnen überreden zu lassen, nach seiner Gestalt zu forschen. Bald erscheinen die Schwestern auf dem Felsenrande, Zephyre tragen sie in die Umarmung Psyche's. Als sie die Schwester so glücklich sehen, erwacht der Neid in ihrer Brust; sie rathen ihr die Gestalt des Gatten zu erforschen, indem sie ihr die Vermuthung, er sei ein scheußliches Ungeheuer, mittheilen. Psyche folgt diesen Einflüsterungen, schleicht von der Seite ihres schlummernden Gatten, nimmt Lampe und Dolch, um den Gemahl, wenn er ein Ungeheuer, zu tödten. Welch ein freudiger, entzückender Schrecken aber überwallt sie, als sie näher tritt und den Gott der Liebe selbst mit tausend Reizen im süßen Schlummer hingegossen sieht. Der Dolch entfällt ihr, sie sinkt bebend in die Knie, Ihre Hand schwankt, ein Tropfen heißen Oels fällt auf die Schulter des Gottes; er erwacht und entflieht zürnend. Sie umklammert ihn im namenlosen Schmerze, vermag ihn aber nicht zurückzuhalten. Trostlos und voll Verzweiflung irrt sie überall umher und sucht den Tod. – Sie wirft sich endlich reuig der zürnenden Mutter des Gottes zu Füßen; aber diese empfängt sie mit Hohn und legt ihr schwere Proben auf. Endlich gibt sie ihr eine Büchse und befiehlt ihr, damit in den Tartarus hinabzusteigen und sie von Proserpina mit der Salbe der Schönheit füllen zu lassen. Sie vollbringt den Auftrag trotz neuer Gefahren; schon leuchtet ihr das Licht der Oberwelt, neugierig öffnet sie die Büchse, um sich von dem Schönheitsmittel etwas zuzueignen. Ein betäubender Dampf wirft sie in Todesschlummer darnieder. Amor aber eilt herbei, verschließt die Phiole und erweckt Psyche zum Leben. Sie bringt Aphroditen die Büchse, Amor selbst fleht vor Jupiter's Thron um Schutz und Gnade. Der König der Götter wird gerührt, er beruft die Götterversammlung und verkündet ihr Amor's Vermählung mit Psyche. Er reicht ihr den Becher mit Ambrosia, sie trinkt und wird unter die Unsterblichen erhoben.- Die Allegorie, welche der Geschichte Amor's und Psyche's zum Grunde liegt, ist mehrfach gedeutet worden und hat in älterer und neuerer Zeit der poetischen wie der bildenden Kunst zum Gegenstande der Darstellung gedient. Wir erinnern u. A. hier an Lafontaine's berühmtes Gedicht gleiches Namens, an Matthisson's Elysium, an Canova's und Thorwaldson's Gruppe etc.
–n.
http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.