Eleonore Magdalene Theresia, Gemahlin Kaiser Leopold's I.

Eleonore Magdalene Theresia, Gemahlin Kaiser Leopold's I.

Eleonore Magdalene Theresia, Gemahlin Kaiser Leopold's I., die Tochter des Kurfürsten Philipp Wilhelm v. d. Pfalz, zeichnete sich schon in früher Kindheit durch Frömmigkeit und einen unwiderstehlichen Hang zum klösterlichen Leben aus. Der Ruf ihrer Tugenden hatte sich weit umher verbreitet; schon war Eleonore im Begriff, im Nonnenkloster zu Eyfel den Schleier zu nehmen, als 5 angesehene Fürsten sich um ihre Hand bewarben. Sie lehnte alle Anträge ab, und erwiderte namentlich auf die Werbung Jakob's II. von England, daß sie selbst vor dem Altare Nein sagen würde. Ihre fromme Phantasie versprach ihr nur im Bereiche der heiligen Mauern wahre irdische Glückseligkeit, und schon im elterlichen Hause unterwarf sie sich den Regeln des Klosterlebens. Ungern verzichtete ihr Vater auf die Aussicht, seine geliebte Tochter in einem weiten glän- zenden Wirkungskreis, als den Segen des Landes, wohin sie auch immer käme, walten zu sehen, allein er konnte ihrem kindlichen Flehen keinen Widerstand entgegen setzen. Um dieselbe Zeit starb Claudie Felicitas, Gemahlin des deutschen Kaisers, Leopold I. Da diese Ehe kinderlos gewesen, und er noch in den besten männlichen Jahren war, bestürmten ihn seine getreuen Unterthanen mit der Bitte, zu einer neuen Wahl zu schreiten. Er gab daher seinem Arzt, einem einsichtsvollen, gewandten Mann, der sein Vertrauen besaß, den Auftrag, sich an den deutschen Höfen umzusehen, um die jungen heirathsfähigen Prinzessinnen kennen zu lernen, die in ihrer Unbefangenheit nicht ahnen konnten, welche Absicht bei seinem Besuch verborgen war. Herr von Beckers, so hieß er, beobachtete genau, und sandte seine Berichte von Zeit zu Zeit ein, doch als er nach Düsseldorf kam, schien ihm das Ziel seiner Reise erreicht zu sein, denn er glaubte dort die Perle gefunden zu haben, deren gediegener Werth des hohen Standpunktes würdig war, den das kaiserliche Diadem ihr darbot. Er beschrieb dem Kaiser Eleonorens Gestalt, ihre Züge, Sitten und Verdienste, und seine Schilderung machte einen so tiefen Eindruck auf das Herz desselben, daß er den Grafen Colloredo nach Düsseldorf sandte, um in seinem Namen um Eleonoren zu werben. Die ganze Familie betrachtete diesen Vorschlag als unabweisbar, und freuete sich eines solchen Glücks. Nur Eleonor schwamm in Thränen und erwiederte: es werde sich gewiß für der deutschen Kaiser eine vorzüglichere und edlere Braut in Europa finden, als sie, die sie sich längst den Heiland zum Bräutigam erkoren. Dieses Mal gelang es ihr jedoch nicht, ihren Vater zum Nachgebe zu bewegen. Er stellte ihr vor, daß diese Heirath eine Gewissenssache für sie sei, indem sie zum Heile der ganzen Christenheit wirke könne, und daß er sie als das höchste Glück seines Hauses betracht Unter bangen Kämpfen und bitterem Schmerz mußte Eleonore sich endlich in seinen Willen fügen. Gott ruft mich, sprach sie, zu einem anderen Stande, als ich mir ausersehen hatte, so muß ich denn seinem Winke folgen. – Mit der größten Eile wurden nun die Anstalten zur Vermählung betrieben, und ihre Eltern, so wie ihre Brüder begleiteten die hohe Braut nach Passau, wo der Kaiser seine Hochzeit zu feiern beschlossen hatte. Der 14. December 1675 war zu dieser Festlichkeit bestimmt, und unter Freudenthränen sah der Kurfürst Philipp Wilhelm seine geliebte Eleonore nun auf einen Thron erhoben, dessen Majestät und Würde ihren edlen Eigenschaften angemessen war. So abgeneigt auch diese dem weltlichen Leben und dem Ehestand gewesen war, so konnten doch ihre Zeitgenossen ihr das Zeugniß nicht versagen, daß sie eine der liebevollsten, treuesten und besten Gattinnen war, die jemals hienieden lebte. Es dünkte ihr nächst den Pflichten gegen Gott der heiligste Beruf ihres Daseins, ihre Thätigkeit unumschränkt ihrem Gemahl zu widmen. In trüben Tagen, deren die damalige Zeit, Krieg und Pest in ihrem Gefolge, ihm so viele brachte, war sie sein Trost und seine ermuthigende, durch die Kraft ihres Innern und die Treue ihrer Liebe ihn aufrichtende Stütze. In ihrem zarten und tiefen Gefühl fand er Theilnahme für jedes Leiden, aber auch Fassung Muth und Energie in ihren Rathschlägen, und in Freude und Schmerz zeigte sie ihm stets ein ruhig heiteres Antlitz, das ihm zur Lebenssonne ward, die seinen oft dunkeln Pfad erleuchtete. Eleonore pflegte ihre schöne und melodische Stimme gern in geistlichen Gesängen zum Preis des Schöpfers zu erheben; wenn der Kaiser auf dem Flügel spielte, erhöhte sie sein Vergnügen an dieser Beschäftigung durch den Gesang, mit welchem sie sein Saitenspiel begleitete, Auf der Jagd war sie seine unzertrennliche Gefährtin – doch hatte sie dann immer heimlich einige fromme Bücher bei sich, um in den einzelnen, einsamen Momenten, die ihr dort zu Theil wurden, den Wald zu einem Tempel ihrer Andacht umzuschaffen. Da Leopold's I. Gemüth sich zur Schwermuth hinneigte, und er ungern ihre Nähe entbehrte, weil sie allein die Gabe besaß, seine trübe Stimmung aufzuheitern, so kürzte sie die Stunden ab, die sie sonst regelmäßig dem Gebete widmete, aber zugleich auch ihren Schlaf, um nachzuholen, was sie dem Himmel schuldig zu sein glaubte. Er erkannte von ganzem Herzen den Werth einer solchen Gemahlin, und schätzte sie eben so hoch, als er sie innig liebte. Eleonore gebar ihrem Gemahl zehn Kinder, drei Prinzen und sieben Prinzessinnen, denen eine sorgsame christliche Erziehung zu geben ihr stetes Augenmerk war. Ihr hoher Rang als die Gemahlin eines der Vornehmsten und Mächtigsten auf Erden, so wie der edle Gleichmuth und die religiöse Fassung ihres Gemüths schützten sie jedoch nicht vor mancher bitteren Sorge, vor manchem schweren Kummer. Sie sah die Pest mit allen ihren Schrecken in Wien wüthen, mußte, um des Kaisers theueres Leben zu sichern, mit ihm nach Prag, und als jene furchtbare Krankheit ihnen auch dahin folgte, nach Linz flüchten, obgleich sie es ihrem Beruf als Landesmutter, so wie ihrem individuellen Gefühl nach, für angemessener gehalten hätte, an ihrem Bestimmungsort zu bleiben, und zu so bedrängter Zeit durch Werke der Barmherzigkeit die allgemeine Noth zu lindern. Späterhin wiederholte sich jene Flucht nach Linz, wiewohl unter anderen, doch fast noch ungünstigeren Umständen. Denn als im Krieg mit den Türken diese verwegenen Feinde bis nach Wien vordrangen, um es zu belagern, mußte sie mit ihrem Gemahl die Residenz verlassen, um unter drohenden Gefahren, und sogar geschmäht und gelästert von dem undankbaren Pöbel, der dem Kaiser die Schuld dieser Kriegsdrangsale beimaß, sich ein Asyl in der Ferne suchen, das sie abermals in Linz fand. Auch als Mutter waren ihr große Prüfungen vorbehalten. Fünf Kinder mußte sie theils als zarte Knospen, theils in der Blüthe des Lebens hinwelken sehen, um sie frühzeitig zu begraben. Unter ihnen war auch Kaiser Joseph, der Nachfolger ihres Gemahls, ihr Erstgeborener, der nach wenigen Regierungsjahren, ohne einen Sohn zu hinterlassen, starb. Ihr geliebter Sohn, Karl, der nachmals als dere Sechste dieses Namens Deutschlands Kaiserkrone trug, nahm nach menschlichen Ansichten auf ewig von ihr Abschied, als seine Bestimmung ihn nach Spanien rief, den dort erledigten Königsthron zu besteigen, und sie erkaufte sein Wiedersehen nur mit dem herben Schmerz, den der Verlust seines ältesten Bruders ihr verursachte, da der Todesfall desselben ihn jetzt als Kaiser in sein Vaterland zurückführte. Alle diese bitteren Erfahrungen und Leiden trug sie mit nimmer wankender Geduld und Ergebung in einen höheren Rathschluß, dem sie von je her gewohnt war, ihr Schicksal unterzuordnen. Am tiefsten jedoch beugte sie der Tod ihres Gemahls, der durch ihre lange, einige und höchst beglückte Ehe gleichsam ein Theil ihres Herzens geworden war, und der ihrer allzugroßen Demuth das erhebende Gefühl gab, daß ihr Walten und Wirken nothwendig in der Welt sei, da er es zu seiner Zufriedenheit bedurfte. Ein schweres, angst- und schmerzenvolles Krankenlager ging seinem Hintritt voraus, es gab Eleonoren Gelegenheit, ihre Treue, so wie die Stärke ihrer Seele zu bewähren. Sie wich nicht von dem Leidenden, und schlief mehrere Wochen hindurch niemals mehr als zwei Stunden hinter einander, und auch diese, ohne sich niederzulegen. Angekleidet saß sie, wenn sie ruhte, auf dem Fußboden vor seiner Lagerstätte, das müde Haupt an das Bett angelehnt, um bei der leisesten Bewegung des Kranken wach und zu seinen Diensten bereit zu sein. Ihre eigenen Kräfte nahmen dadurch so ab, daß sie sich kaum noch auf den Füßen erhalten konnte. Dazu gesellte sich ein sehr empfindliches Rückenweh; aber ihre Seele war kräftiger als der erschöpfte und hinfällige Körper, und duldete nicht, daß dieser sich den gewohnten Mühwaltungen entzog. Nach wie vor empfing der Kaiser jede Pflege und Erleichterung aus ihrer matten Hand, und die erhabenste Fürstin Europa's scheute sich nicht, die niedrigsten Obliegenheiten einer Magd bei dem geliebten Kranken zu verrichten. Als er in den letzten Zügen lag, stützte sie mit fast übermenschlicher Kraft das Haupt des Sterbenden mit der einen Hand, und mit der andern hielt sie in der seinigen, die schon erkaltet war, die geweihte Kerze fest. Als er endlich nach hartem Kampf den Geist aufgegeben, segnete sie ihn ein mit dem Zeichen des Kreuzes, küßte seine Hand und zog sich still in ihr Zimmer zurück, wo sich der lange verhaltene, muthig beherrschte Schmerz in heißen Thränen Luft machte. Auf das Schönste und Innigste ehrte ihre Trauer sein Andenken auch nach dem Tode Jeden Monat ließ sie in der Todtenkapelle der Hofkirche ein Seelenamt für ihn halten, wobei sie zahllose Almosen austheilte, um – wie sie sagte – nach der heiligen Schrift »der göttlichen Gerechtigkeit ein Lösegeld für seine Seele zu bringen.« Jährlich aber an seinem Todestag ließ sie fünfhundert Messen für ihn lesen, und vervielfachte nach diesem Maßstab auch die Wohlthaten, die sie den Armen erzeigte, welche mit ihr für seine Ruhe im Grabe beteten. Als Kaiser Joseph der Erste, ihr Sohn, dem sie, gleich seinem Vater, in seinen letzten Stunden trostreich und unermüdet mit der treuesten Liebe beigestanden hatte, gestorben war, brachte sie dem Todten noch das Opfer, aus ihrer Gott geweihten Einsamkeit hervor zu treten, um sich mit den Regierungsangelegenheiten zu befassen, wie sein letzter, allen Behörden noch bei seinen Lebzeiten bekannt gemachter Wille von ihr erbeten hatte. Sie kam sich vor, als sei sie von einem sichern und friedlichen Gestade in das hohe Meer geschleudert – doch nahm sie alle Fassung und Kraft des Geistes zusammen, um der Verwaltung so großer Reiche und Länder zu genügen. Mit Aufmerksamkeit las sie die eingegangenen Bittschriften, prüfte die Beschlusse der ihr beigeordneten Räthe, deren Einsicht in Geschäften sie gern den Vorzug vor ihrem, nur nach dem Ausspruch ihres Herzens und eines richtigen Verstandes gefälltem Urtheil einräumte. Wo aber irgend eine Entscheidung wohlwollender zu geben, irgend eine Strafe zu mildern, irgend eine Gunst zu gewahren war, da bediente sie sich freudig ihrer Macht, und änderte in der Hoffnung einer künftigen Besserung auch oft das Loos der zum Tode Verurtheilten, ihnen in ihrer Haft Religionsunterricht angedeihen lassend, und sie neben menschlicher Behandlung nützlich beschäftigend, wodurch ihr verirrter und verdorbener Sinn eine höhere Richtung nahm, und die Arbeit ihrer Hände noch Andern zum Nutzen gereichte. Ihre beiden Töchter, die Erzherzoginnen Maria Elisabeth und Maria Magdalena mußten sie in ihren Geschäften für das Wohl des Reiches unterstützen, und alle täglichen Ausfertigungen und Vorfälle in ein mit der genauesten Ordnung geführtes Tagebuch eintragen, um Kaiser Karl VI. bei seiner Ankunft gleich einen richtigen Ueberblick über das Geschehene zu gewähren. Im Königreich Ungarn machte sich ihre versöhnungsreiche Milde unvergeßlich. Neun Jahre lang war dieses Land in der höchsten Gährung begriffen gewesen, und wenn auch der dort ausgebrochene Aufstand bereits durch die Gewalt der Waffen unterdrückt worden war, so vergönnte doch die Kaiserin den Ungarn so großmüthige Friedensbedingungen, als sei die kaiserliche Gewalt nur da, den Feinden zu verzeihen, und sie durch Wohlthaten zu beschämen, statt sie zu ernster Rechenschaft zu ziehen. Als nun endlich der Liebling ihres Mutterherzens, Kaiser Karl VI. nach Wien zurückkam, um mit eigener Hand die Zügel der Regierung zu ergreifen, trat sie aus der Unruhe ihrer gewissenhaften Verwaltung mit Freuden in ihre Stille zurück, wo sie sich, bloß mit Andacht und frommen Werken beschäftigt, am wohlsten fühlte. So nahmen ihre Jahre zu, mit ihnen aber auch ihr religiöser Eifer, ihr Streben, Gutes zu thun, und ihre Strenge gegen sich selbst. Am 1. Januar 1720 ging sie früh um sieben Uhr in die Kapelle, um, wie sie zu thun pflegte, durch ungestörtes Gebet sich zur Beichte und zu dem Genusse des heiligen Sacraments vorzubereiten. Als sie aber ungewöhnlich lange außen blieb, wurde man besorgt um sie, und wagte, die Thüre zu öffnen, wo man sie auf dem Boden ausgestreckt, gleich einer Todten unbeweglich und sprachlos fand. Es wurde nach den Aerzten und nach dem Beichtvater geschickt, und mit zitternden Händen hob man die schon für ewig entschlafen scheinende Fürstin auf um sie zu Bett zu bringen. Nach vielfachen ärztlichen Versuchen kehrte der Geist Eleonorens noch Einmal in die gebrechliche Hülle zurück. Sie kam wieder zu sich, ohne aber die Sprache wieder zu erlangen. Der Kaiser, so wie alle Mitglieder der kaiserlichen Familie, vereinigten sich, sie mit der größten Ehrfurcht und Sorgfalt zu umgeben, und es war ein gemeinsamer Schmerz für sie, daß die fromme Kaiserin dahin scheiden sollte, ohne ihnen noch ein Wort der Erinnerung, des Trostes und des Segens zu hinterlassen. Da warf sich Karl VI. auf seine Kniee vor dem Sterbebett der theuern Mutter nieder, und flehte, daß sie ihn und die Seinen wenigstens mit dem Herzen und durch äußerliche Zeichen segnen möchte. Eleonore hob ihre Augen und Hände zum Himmel empor, und als man sie aufrichtete, ertheilte sie, wenn gleich mit schweigenden Lippen, doch mit beredtem Ausdruck und Geberden, dem Kaiser, so wie allen übrigen, die in Thränen zerfließend um ihr Todeslager knieten, den mütterlichsten Segen. Dieß geschah am 19. Januar 1720, und an demselben Tage schlug die Stunde ihrer Erlösung. Man fand eine Verfügung von ihrer eigenen Hand, worin sie befahl, ihren entseelten Körper weder zu entblößen noch zu waschen, sondern ihn in eine geringe Nonnentracht zu hüllen, ihr ein Krucifix und einen hölzernen Rosenkranz in die Hände, einen Schleier auf das Haupt, und einen eisernen Gürtel mit dem Bilde eines Todtenkopfs um den Leib zu geben. Auf ihren Sarg schrieb man nach ihrem Willen: Eleonore, eine arme Sünderin, gestorben den 19. Januar 1720.

A.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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