Ganges, Anna Elisabeth, Marquise von

Ganges, Anna Elisabeth, Marquise von

Ganges, Anna Elisabeth, Marquise von, Anna Elisabeth de Rossan, Marquise de, deren Schicksale Veranlassung zu einem Romane und zu einem Melodrama gegeben haben, schien von der Natur und dem Glücke mit allen Gütern, die das Leben verschönern, nur deßwegen so reich bedacht zu sein, um sie das Opfer eines Verbrechens werden zu lassen, welches fast beispiellos zu nennen ist. Zu Avignon 1636 geboren, vermählte sie sich, noch sehr jung, mit dem Enkel des Herzogs von Villars, dem Marquis von Castellana, der sie an dem glänzendsten Hofe Europa's heimisch machte. Ihre außerordentliche Schönheit, der Rang ihres Gemahls und sein unermeßliches Vermögen mußten die Marquise zum Gegenstand der allgemeinsten Bewunderung erheben, und dieses Interesse stieg noch um Vieles, als ihr Gemahl, der bei der Marine diente, an der sicilischen Küste verunglückte und durch seinen Tod »die schöne Provençalin,« unter welchem Namen sie Paris kannte, Witwe wurde. Unter den zahlreichen Bewerbern um ihre Hand erhielt der Marquis von Ganges den Vorzug. Er nahm seine junge, reizende Gemahlin mit sich nach Avignon, und die ersten Jahre ihrer Verbindung waren heiter und wolkenlos, der Stille ähnlich, die dem Entladen des Gewittersturmes voranzugehen pflegt. – Der Marquis hatte zwei Brüder, den Chevalier und den Abbé de Ganges, die beide, von der Anmuth ihrer Schwägerin bezaubert, in der heftigsten Leidenschaft für sie entbrannten. Ein häuslicher Zwist schien den Absichten Beider günstig werden zu können; die Marquise aber wies Beide mit Verachtung und Stolz zurück. Der Vorsatz einer gemeinschaftlichen, furchtbaren Rache war die Folge des Gesprächs, in dem die Brüder sich ihre Neigung bekannt hatten. Ein Versuch, das unglückliche Opfer zu vergiften, mißlang, Frau von Ganges fühlte nur ein leichtes Unwohlsein und erholte sich bald vollkommen. Dennoch wurde die schändliche Absicht bekannt, und der Marquis beschloß, um alle Gerüchte zu zerstreuen, einige Zeit auf dem Lande zuzubringen. Wie bei so vielen Gelegenheiten Umstände einwirken, die sich der menschliche Verstand nicht zu erklären vermag, so schien auch die Marquise nicht ohne düstere Vorgefühle und Ahnungen ihren neuen Wohnort betreten zu haben, wie aus einem Briefe, den sie ihrer Mutter schrieb, hervorgeht. Der Marquis kehrte nach Avignon zurück und ließ seine Gemahlin mit den Brüdern allein im Schlosse zu Ganges. Sie hatte vor ihrer Abreise in einem Testament die Verwaltung ihres Vermögens ihrer Mutter bestimmt, wenn sie selbst vor der Volljährigkeit ihrer Kinder sterben sollte; diese Verordnung gab den Brüdern Veranlassung, sie deßhalb zur Rede zu stellen. Sie war schwach genug, das Testament zu widerrufen; allein auch damit war der Rache ihrer Feinde noch nicht genug geschehen. Nachdem ein zweiter Vergiftungsversuch mißlungen war, sah sich die unglückliche Frau eines Tags in ihrem Zimmer von den Schwägern überfallen. Der Abbé hielt in der einen Hand eine Pistole, in der andern einen vergifteten Trank, der Chevalier trug einen entblößten Degen. Vergebens flehte die Unglückliche um Erbarmen; »wählen Sie!« war die einzige Antwort der Mörder. In der gräßlichsten Verzweiflung leerte sie das Glas und die Brüder entfernten sich, um ihr einen Priester zu schicken, dessen Beistand sie als die letzte Gnade erbeten hatte. Sie sah sich jetzt allein und der Gedanke, zu fliehen, erwachte in ihr; mit Lebensgefahr stürzt sie sich ein 20 Fuß hohes Fenster hinab, ein Bedienter öffnet ihr die Gartenpforte, sie flieht zu einem Pächter, der sie aufnimmt. Die Henker aber, alsbald von der Flucht unterrichtet, verfolgen sie, dringen in die Hütte, wo sie sich verbirgt und vollenden hier die grauenvolle That. Der Chevalier verfolgt sie durch die Gemächer des kleinen Hauses, trifft sie und bohrt seinen Degen zweimal in ihre Brust, und fünfmal in den Rücken, so daß der Stahl bricht und die Klinge in der Schulter bleibt. Auf ihren Hilferuf eilt der Abbé herbei, allein seine Pistole versagt, und die Unglückliche lebt noch neunzehn Tage und vollendet in den Armen ihres Gemahls, den Himmel um Vergebung anflehend für den schrecklichsten Mord, dessen Thäter entkommen waren. Eine vortreffliche Biographie der Mad. de Ganges schrieb Herr von Fortia d'Urban 1810.

X.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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