Rio de Janeiro

Rio de Janeiro

Rio de Janeiro. Durch einen schmalen Paß von düsteren Felsenmauern, an dessen Eingange zwei mächtige Granitwürfel, der Gavia und der Zuckerhut, als Wächter stehen, gelangt man in die große, herrliche Bai, an deren malerischen Ufern San Sebastião de Rio de Janeiro liegt, die Hauptstadt der gegen 9000 Quadrat M. großen Provinz gleiches Namens, und des Kaiserthums Brasilien (s. d.). Die tiefe Bläue des von zahlreichen Masten und Segeln bedeckten Meeres, der wolkenlose, glänzende Himmel, die blendende Farbentracht der tropischen Pflanzenwelt, die weißen Landhäuser (quintas) mit ihren grünen Jalousieen, zierlichen Balkons und den Orangen- und Feigengärten auf den flachen Dächern, die hellgrünen Eilande, welche, gleich Zaubergärten, auf der stillen Fluth schwimmen, und darüber hinaus nun der gewaltige Violenkranz der bläulichen Gebirgszüge, – dieß Alles macht auf den Beschauer einen Eindruck, wie ihn nur die vollendetste Vereinigung des Schönen und Zierlichen mit dem Erhabenen hervorzuzaubern vermag. Die Stadt selbst, der Wohnsitz von 210,000 Menschen, unter denen 100,000 Neger und viele Fremde, mit ihren 18 Kirchen und 16,000 Häusern, dem kaiserlichen Palaste, Zeughause und prächtigen Theater, dem herrlichen, mit Springbrunnen gezierten Schloßplatze und dem gewaltigen Campo de Santa-Anna, mit den, vorzüglich in der Neustadt, schön gebauten granitnen Häusern und den breiten und geraden Straßen hat gründete Ansprüche auf ein gleich günstiges Urtheil. Allein bald sollen wir auch Schattenseiten entdecken. Kaum hat man die Hafentreppe erstiegen, so zeigt sich uns die Entwürdigung, in welcher die Sclaven hier schmachten. Gleich dort die erste Schildwache auf der hohen Bastion, schwarz von Farbe, in der glänzenden Uniform und mit den – nackten Füßen; hier zwei Sclaven, die keuchend das Pferd des stolzen Brasilianers führen.... Doch ein Blumenstrauß fällt jetzt vom hohen Balkon herab zu deinen Füßen; du blickst empor, und siehe, eine hellbraune, junge Senhorita wirft dir brennende Blicke aus ihren schwarzen Augen zu und spielt bedeutsam mit dem Fächer. Deine Eitelkeit läßt dich träumen vom zärtlichen Stelldichein, – o nicht doch, – auf die Börse des Fremden war die Einladung gerichtet, auf eine – Partie Ecarté, – denn die Damen von R. J. sind leidenschaftliche Spielerinnen. –, O Senhor nao carpadoces?« lispelt hinter dir eine wundersüße Mädchenstimme: »Süßigkeiten, mein Herr, kaufen Sie keine Süßigkeiten?« und mit anmuthigem Doppelsinne wird dir Süßes geboten – candirte Feigen und Confituren. O welche Gestalt, wie zart und voll zugleich, wie malerisch umflossen vom gelben Seidenröckchen, Arm und Brust fast unbekleidet, nur mit Korallen, Perlen und Goldspangen bedeckt und um das Köpfchen das schwarz- und rothgestreifte, turbanartige Madrastuch! Die Züge so sein und regelmäßig, die Zähne wie Elfenbein und die Füßchen nackt, denn sie ist eine Sclavin, und auch die nach der neuesten pariser Mode gekleidete Negerdame in dem Vorzimmer einer reichen Senhora darf weder Schuhe noch Strümpfe tragen. Mit dem dunkeln Kolorit dieser Neger, dem halbschwarzen der Mulatten, Mestizen und der braunen Hautfarbe der Kreolen und Nationalportugiesen contrastiren seltsam die weißen und rothen Gesichter der Engländer, die man bald in streifigen Matrosenjacken, bald in der Kleidung eines Dandy im Gedränge dieses ewig brausenden Hasenlebens erblickt; – und dort im Hintergrunde kauert eine Gruppe rothhäutiger Indianer in starrer Ruhe, geisterartig, die verkümmerten Ueberbleibsel der einst zahlreichen Urstämme Südamerika's. Unser weiteres Fortschreiten in der Stadt hemmen bald Karawanen von Maulthieren, von welchen letzteren oft an einem Tage 800–1000 aus den auf 400 Stunden weit entfernten Bergwerksgegenden eintreffen, und das Geräusch der Ochsenkarren, mit den vollen ungeschmierten Blockrädern macht uns halb taub. Die Hitze des Nachmittags ist unerträglich; doch Dank sei der trefflichen, an 150 F. hoch über ein Thal gespannten, auf 80 Bogen ruhenden Wasserleitung, – das Trinkwasser, trotz dem, daß es 2 Stunden weit herkommt, eben so rein als kühl, erfrischt unsere brennenden Glieder. Aber trinken wir auch nicht zu viel, denn das Klima glühend heiß am Tage, ist empfindlich, kalt und feucht in den Nächten, und der Europäer hat das gelbe Fieber und böse Hautkrankheiten zu fürchten. Darum ziehen wir uns gern zurück aus dem Getümmel der Diamantenstadt, wie man sie ihres Reichthums an Edelsteinen und der Geschicklichkeit ihrer Juweliere und Steinschneider wegen wohl nennen könnte, – und finden Erfrischung und Erheiterung auf den öffentlichen Spaziergängen, die sich längs der bewaldeten Abhänge der Berge hinziehen und nirgend schöner gefunden werden.

B....i.


http://www.zeno.org/DamenConvLex-1834.

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